Examens-Repetitorium Strafrecht Allgemeiner Teil, eBook. Christian Jäger

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Begründung siehe soeben) eine versuchte Aussetzung mit Todesfolge nach § 221 I Nr. 2, III, 22, 23 StGB (vgl. zur Möglichkeit eines Versuchs bei § 221 I, III StGB näher Jäger, BT, Rn. 89).

      III. Eine Strafbarkeit wegen vorsätzlicher Trunkenheit im Verkehr nach § 316 I StGB durch Fortsetzung der Trunkenheitsfahrt sowie wegen unterlassener Hilfeleistung nach § 323c StGB und unerlaubten Entfernens vom Unfallort nach § 142 StGB ist zu bejahen.

      C. Gesamtergebnis: Im ersten Sachverhaltskomplex hat sich A nach BGH-Auffassung wegen fahrlässiger Tötung, nach richtiger Literaturansicht dagegen nur gem. § 316 StGB strafbar gemacht. Im zweiten Sachverhaltskomplex hat sich A nach der Ansicht des BGH wegen versuchten Mordes nach §§ 212, 211, 13, 22, 23 StGB sowie wegen versuchter Aussetzung mit Todesfolge nach § 221 I Nr. 2, III StGB strafbar gemacht. Darüber hinaus sind auch die §§ 316 I, 323c sowie § 142 StGB verwirklicht. Nach der Literaturauffassung wären dagegen im zweiten Komplex nur die §§ 316 I, 323c und 142 StGB zu bejahen. Die Delikte des ersten und zweiten Tatkomplexes stehen zueinander in Tatmehrheit, da der Unfall eine Zäsur schafft (dazu näher Rn. 589). Die jeweils im ersten und zweiten Sachverhaltskomplex verwirklichten Delikte stehen dagegen zueinander in Tateinheit.

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      Eine letzte Einschränkung, die vor allem von der Lit. entwickelt wurde, betrifft die Unterbrechung des Zurechnungszusammenhangs bei Erfolgen, die außerhalb des Verantwortungsbereichs des Täters liegen. Für eine derartige täterentlastende Verantwortungsverschiebung kommen dabei grundsätzlich zwei Möglichkeiten in Betracht:

      aa) Drittverantwortung

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      Heute besteht Einigkeit darüber, dass der Täter nicht für Erfolge haften darf, deren Verhinderung in den Verantwortungsbereich eines Dritten fällt.[57] Eine derartige Verantwortungsverlagerung spielt dabei vor allem im Bereich ärztlicher Heileingriffe immer wieder eine Klausurrolle:

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      Fall 2: B fährt unter Missachtung der Vorfahrt den C an, der eine Schulterluxation (Ausrenkung des Schultergelenks) erleidet. C wird ins Krankenhaus eingeliefert, wo ihm Arzt A ein Muskelrelaxanz spritzt, damit die Schulter – aufgrund der durch dieses Mittel bewirkten Muskelerschlaffung – leichter wieder eingerenkt werden kann. Leider vergisst A, den C zu beatmen, was aber bei dieser Form des Eingriffs dringend notwendig wäre, weil durch das Muskelrelaxanz auch die Atemmuskulatur „lahm gelegt“ wird. C läuft blau an und stirbt den Erstickungstod. Strafbarkeit von A und B? (Schulterluxations-Fall)

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       Lösung:

       A. Strafbarkeit des A

      I. A könnte sich wegen fahrlässiger Tötung gem. § 222 StGB strafbar gemacht haben, indem er dem C das Mittel spritzte, ohne ihn zu beatmen.

      1. Tun oder Unterlassen? Die Frage stellt sich hier, weil A sowohl gehandelt hat, indem er das Mittel spritzte, als auch etwas unterlassen hat, indem er nicht für künstliche Beatmung sorgte.

      Achtung Klausur: Vergessen Sie beim Fahrlässigkeitsdelikt niemals, an das Problem der Abgrenzung von Tun und Unterlassen zu denken. Es ist dort deshalb so wichtig, weil die Fahrlässigkeit stets ein Unterlassungselement beinhaltet, nämlich die Nichtbeachtung der gebotenen Sorgfalt. Dennoch ist die Abgrenzung von Tun und Unterlassen beim Fahrlässigkeitsdelikt natürlich nicht immer zu prüfen, weil die Nichtanwendung der gebotenen Sorgfalt sich vielfach schon eindeutig und untrennbar im Tun erschöpft (Bsp.: zu schnelles Fahren bedeutet Nichtberücksichtigung der gebotenen Geschwindigkeit und ist daher vom aktiven Tun nicht trennbar). Deshalb ist das Nichtbeachten der Geschwindigkeit im Rahmen des aktiven Fahrlässigkeitsdelikts auch lediglich bei der Sorgfaltspflichtverletzung anzusprechen. Dort aber, wo das aktive Tun von einem davon trennbaren Unterlassen (das Unterlassen der Beatmung und das Spritzen des Mittels sind vorliegend nicht notwendig miteinander verbunden) begleitet wird, stellt sich die Abgrenzungsfrage in so deutlicher Weise, dass man in der Klausur die Frage vorab behandeln muss!

      Der BGH stellt dabei auf den Schwerpunkt der strafrechtlichen Vorwerfbarkeit ab, während die Lit. zum Teil auf das Kriterium des Energieeinsatzes abhebt bzw. bei kausalem aktiven Handeln grundsätzlich das Hauptgewicht im positiven Tun erblickt (Näheres dazu später, Rn. 477). Danach dürfte vorliegend nach allen Auffassungen der Schwerpunkt in einem aktiven Tun zu sehen sein, weil das Mittel eben nur gespritzt werden darf, wenn dessen Auswirkungen durch begleitende Beatmung aufgefangen werden. Umgekehrt entfaltet die unterlassene Beatmung ihre tödliche Wirkung nur durch die Verabreichung des Mittels, sodass alles für einen Schwerpunkt im aktiven Tun spricht.

      2. Kausalität zwischen Handlung und Erfolgseintritt – dem Tod des C – ist zu bejahen.

      3. Die Sorgfaltspflichtverletzung lag hier in der Nichtvornahme der notwendigen Behandlung, obwohl dem Arzt die Auswirkungen nach medizinischem Standard bekannt gewesen sein mussten.

      4. Pflichtwidrigkeitszusammenhang (Zurechnungszusammenhang) zwischen Sorgfaltspflichtverletzung und Erfolg: Dieser ist hier ebenfalls gegeben, weil sich im Erfolg gerade die von A durch die Nichtbeatmung geschaffene Gefahr verwirklicht hat.

      5. Rechtfertigungsgründe sind nicht ersichtlich.

      6. Schuld Es ist davon auszugehen, dass A nach seinen persönlichen Fähigkeiten in der Lage war, die objektive Sorgfaltspflicht zu erfüllen und den Erfolg vorauszusehen.

      Hinweis: Subjektive Sorgfaltspflichtverletzung und subjektive Vorhersehbarkeit des Erfolges sind beim Fahrlässigkeitsdelikt als besondere Schuldmerkmale zu prüfen.

      Sonstige Entschuldigungsgründe sind nicht ersichtlich.

      7. Ergebnis: A ist strafbar wegen fahrlässiger Tötung nach § 222 StGB.

      II. Das gleichzeitig verwirklichte Durchgangsdelikt der fahrlässigen Körperverletzung nach § 229 StGB tritt hinter § 222 StGB im Wege der Gesetzeskonkurrenz zurück.

       B. Strafbarkeit des B

      I. B könnte sich dadurch, dass er C anfuhr und so dessen medizinische Behandlung auslöste, an deren Folgen C schließlich verstarb, ebenfalls wegen fahrlässiger Tötung nach § 222 StGB strafbar gemacht haben.

      1. Der tatbestandliche Erfolg ist eingetreten. C ist tot.

      2. Zwischen der Handlung des B und dem Tod des C besteht auch ein kausaler Zusammenhang, weil das Anfahren durch B nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Tod aufgrund der dadurch letztlich ausgelösten Verabreichung des Muskelrelaxanzes entfiele.

      3. B handelte auch sorgfaltspflichtwidrig, da er durch die Vorfahrtsmissachtung die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht gelassen hat.

      4. Fraglich ist vorliegend allerdings, ob der Zurechnungszusammenhang zwischen Sorgfaltspflichtverletzung und eingetretenem Erfolg aufgrund des Fehlverhaltens des A unterbrochen wurde.

      a) Nach h. M. ist bei tödlichen groben ärztlichen Kunstfehlern eine Zurechnung des Todes zur Person des Ausgangstäters (hier B) nicht gegeben, da bei schweren ärztlichen Verfehlungen von einer Verantwortungsverschiebung auf den Dritten (Arzt) und deshalb von einer Unterbrechung des Zurechnungszusammenhangs auszugehen sei. Dagegen bleibt nach h. M. bei leichten Kunstfehlern die Zurechnung des Erfolges zur Person des Täters bestehen, weil mit derartigen Fehlleistungen grundsätzlich zu rechnen sei.[58]


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