Unternehmenssanierung, eBook. Guido Koch
Praxis des Insolvenzrechts, 3. Aufl. 2021
von Leoprechting/Rust/Frauenheim Unternehmenssanierung, 3. Aufl. 2020
Waza/Uhländer/Schmittmann Insolvenzen und Steuern, 13. Aufl. 2021
Wellner Entwicklung eines Immobilien-Portfolio-Management-Systems, 2003
Wenniger/Graf Hoyos Arbeits-, Gesundheits- und Umweltschutz – Handbuch verhaltenswissenschaftlicher Grundbegriffe, 1996
Werdan/Ott/Rauch Das Steuerberatungsmandat in der Krise, Sanierung und Insolvenz, 2006
Wilhelm Konzerninsolvenzrecht, 2018
Willemsen/Rechel GmbHR, 2010
Willemsen/Hohenstatt/Schweiber/Seibt Umstrukturierung und Übertragung von Unternehmen, 6. Aufl. 2021
Wimmer/Dauernheim/Wagner/Gietl (Hrsg.) Handbuch des Fachanwalts Insolvenzrecht, 8. Aufl. 2018
Wöhe Bilanzierung und Bilanzpolitik, 9. Aufl. 1997
Ziemons/Jaeger/Pöschke Beck‘scher Online-Kommentar GmbHG, 48. Edition Stand 1.5.2021
1. Kapitel Rahmenbedingungen für Unternehmenssanierungen
1
Die Erörterung von Lösungsansätzen zur Unternehmenssanierung bezieht sich immer auch auf die vorgefundenen wirtschaftlichen und rechtlichen Rahmenbedingungen.
I. Wirtschaftliche Rahmenbedingungen
2
Gesamtwirtschaftliche Daten über Unternehmenssanierungen werden in Deutschland von den statistischen Ämtern nicht erhoben. Daten zur Insolvenzstatistik, die seit dem 1.1.2013 auf der Grundlage des Insolvenzstatistikgesetzes von den Statistischen Landesämtern und dem Statistischen Bundesamt veröffentlicht werden sowie regelmäßige Veröffentlichungen der Creditreform Wirtschaftsforschung zur Bonität deutscher Unternehmen, zum Zahlungsverhalten, zu Unternehmensgruppen und deren Internationalität sowie Erhebungen, Analysen und Gutachten von Beratern sind aber gutes Analysematerial zur Einschätzung der Rahmenbedingungen bei Unternehmenssanierungen.
1. Aktuelle Insolvenzstatistik
3
Bislang galt, dass die Zahl der Unternehmensinsolvenzen in Deutschland ein zuverlässiger Indikator für die Anzahl sanierungsbedürftiger Unternehmen ist. Jahre der Stabilisierung der Finanzlage deutscher Unternehmen, des Aufschwungs an den Exportmärkten, einer verbesserten Binnennachfrage und ein konstant niedriges Zinsniveau führten zu einer kontinuierlich sinkenden Zahl der Unternehmensinsolvenzen in den letzten Jahren.
4
Das derzeitige Insolvenzgeschehen scheint sich aber vom wirklichen Zustand der deutschen Unternehmen entkoppelt zu haben. Um die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie abzumildern, hat die Bundesregierung zahlreiche Hilfsmaßnahmen umgesetzt, Kreditmittel und Zuschüsse zur Verfügung gestellt und die Insolvenzantragspflicht mehrere Monate lang ausgesetzt.[1] Dies hat zur Folge, dass durch die Staatshilfen auch Unternehmen am Markt bleiben, welche unabhängig von der Corona-Krise eigentlich nicht mehr überlebensfähig sind. Dass somit ein wichtiger Marktmechanismus zum Schutz der Volkswirtschaft verloren gegangen ist, zeigt sich vor allem in der Entwicklung der Insolvenzzahlen im Jahr 2020, welche trotz des deutlichen Konjunktureinbruchs weiter signifikant gesunken sind. Im Jahr 2020 nahm die Zahl der Unternehmensinsolvenzen um 13,4 % auf 16 300 Fälle (2019: 18.830) ab. Das ist der niedrigste Stand seit der Einführung der Insolvenzordnung (InsO) im Jahr 1999.[2]
5
Abb. 1: Entwicklung der Anzahl von Unternehmensinsolvenzen in den letzten fünf Jahren:
Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an creditreform: Insolvenzen in Deutschland, Jahr 2020 S. 2
6
Obwohl es auf der einen Seite spürbar weniger Insolvenzen von Kleinunternehmen durch die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht gab, hat die Zahl der Großunternehmen, welche während der Corona-Krise Insolvenz angemeldet haben, deutlich zugenommen. Hierzu zählten im Jahr 2020 GALERIA KARSTADT KAUFHOF und zahlreiche Unternehmen im Modeeinzelhandel wie ESPRIT und BONITA. Das deutsche Insolvenzrecht bietet für Unternehmen dieser Größe mit der „Eigenverwaltung“ und dem „Schutzschirmverfahren“ geeignete Möglichkeiten zur Sanierung. So stieg die Zahl der Insolvenzverfahren in den Umsatzgrößenklassen 5,0 bis 25,0 Mio. EUR (plus 26,4 %) und 25,0 bis 50,0 Mio. EUR (plus 36,4 %) deutlich. Eine Verdopplung der Fallzahlen war bei Unternehmen mit mehr als 50,0 Mio. EUR Jahresumsatz zu verzeichnen.[3]
7
Infolgedessen haben sich auch die Schäden für die Gläubiger von insolventen Unternehmen maßgeblich erhöht. Im Jahr 2020 summierten sich die Gläubigerschäden auf schätzungsweise 34,0 Mrd. EUR – nach 23,5 Mrd. EUR im Vorjahr. Je Insolvenzfall bedeutet dies im Durchschnitt die Rekordsumme von gut 2 Mio. EUR an Forderungsverlusten. Von der Insolvenz betroffen waren insgesamt rund 332 000 Arbeitnehmer; eine deutlich höhere Zahl als im Vorjahr (2019: 218 000 Beschäftigte).[4]
8
Das folgende Diagramm verdeutlicht die Entwicklung der Arbeitsplatzverluste und der Schäden pro Insolvenzfall:
9
Abb. 2: Finanzielle Schäden und Arbeitsplatzverluste durch Unternehmensinsolvenzen in den letzten fünf Jahren
Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an creditreform: Insolvenzen in Deutschland, Jahr 2020 S. 4 f.
10
Dass die staatlichen Corona-Hilfen zu einer bemerkenswerten Entwicklung des Insolvenzgeschehens geführt haben, zeigt sich auch in der Betrachtung der Insolvenzzahlen unterteilt nach Hauptwirtschaftsbereichen. Trotz des flächendeckenden Lockdowns im Frühjahr, von dem der Handel stark betroffen war, ist ein markanter Rückgang der Insolvenzen im Handel von rund 16,3 % zu verzeichnen, welcher zusammen mit dem Baugewerbe (minus 16,4 %) auch den höchsten Rückgang darstellt. Anders als der Handel ist das Baugewerbe allerdings bislang der am wenigsten von der Corona-Krise betroffene Wirtschaftsbereich.[5]
11
Gut die Hälfte aller registrierten Insolvenzfälle des Jahres 2020 (58,1 %) entfiel auf das Dienstleistungsgewerbe. Dieser Anteil ist wie in den Vorjahren weiter gewachsen. Die Zahl der Insolvenzfälle in der Dienstleistungsbranche, zu der auch die Gastronomie zählt, lag um 12,3 % unter dem Vorjahreswert. Um 8,5 % gesunken sind schließlich die Insolvenzen im Verarbeitenden Gewerbe, das mit 1 290 Fällen die kleinste Gruppe darstellt.[6]
12
Die rückläufige Insolvenzentwicklung der letzten Jahre wird in der folgenden Abbildung anschaulich dargestellt. So nahmen die Insolvenzzahlen im Verarbeitenden Gewerbe und im Baugewerbe gegenüber dem Referenzjahr (2006) am stärksten ab: aktuell auf nur noch gut ein Drittel des damaligen Wertes. Halbiert haben sich die Insolvenzzahlen in diesem Zeitraum im Handel. Nachdem die Zahl der Insolvenzen im Dienstleistungssektor noch 2011 und 2012 über dem Wert von 2006 lag, hat sich die Situation hier merklich entspannt.
13