Unternehmenssanierung, eBook. Guido Koch

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Strukturen bzw. Muster dafür erkannt werden, in welchen Phasen ein Krisenprozess typischerweise abläuft.[12] Die Kenntnis dieser Muster ist für die Krisenfrüherkennung von Bedeutung, um einschätzen zu können, ob ein Vorfall bzw. eine bestimmte Situation eine potenzielle Krisenursache ist bzw. hervorruft oder nicht. Ferner erlaubt eine Identifikation der aktuellen Krisenphase, wie weit die Krise bereits fortgeschritten ist, und wie viel Zeit für Gegenmaßnahmen verbleibt.

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      Die Kenntnis des Krisenablaufs bzw. die Art der Krise verrät zumeist die Krisenursachen. D.h. der Ablauf einer Krise lässt Rückschlüsse auf die Krisenursachen zu.[13] Ferner ist die Bestimmung des Krisenstadiums erforderlich, um die angemessenen Gegenmaßnahmen zu identifizieren und einzuleiten. Befindet sich ein Unternehmen beispielsweise in einem fortgeschrittenen Krisenstadium, so sind Gegenmaßnahmen, durch welche lediglich die Symptome dieses Stadiums behoben werden, nicht ausreichend – vielmehr sind auch die Ursachen der vorgelagerten und ggf. parallelen Krisenstadien zu identifizieren und zu beheben.[14]

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      Krisenprozessmodelle sind zu unterscheiden nach der Perspektive, aus der der Krisenprozess analysiert wird. Es können zwei Ansätze unterschieden werden, den Krisenprozess zu betrachten, nämlich erstens die Wahrnehmungsperspektive und zweitens die finanz- und erfolgswirtschaftliche Perspektive. Beide Perspektiven werden im Folgenden vorgestellt.

2.2 Die Perspektiven von Krisenprozessmodellen

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      Im Lebenszyklus eines Unternehmens gibt es außergewöhnliche, kritische Phasen, wie die der Gründung des Unternehmens oder die der Suche nach einem Unternehmensnachfolger. In beiden Bsp. kritischer Phasen ist der Fortbestand des Unternehmens stärker bedroht als im normalen Geschäftsverlauf.

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      Jede Krisenphase wird von unterschiedlichen Beobachtern unterschiedlich wahrgenommen. So kann es sein, dass die Unternehmensleitung die wirtschaftliche Lage ihrer Gesellschaft – zumindest mittelfristig – als positiv einschätzt, während eine Bank den Fortbestand der Gesellschaft als akut gefährdet bewertet. Die beteiligten Parteien kommen allerdings nicht nur aufgrund von bestehenden Informationsasymmetrien zwischen Unternehmensleitung und Unternehmensexternen zu unterschiedlichen Ergebnissen, sondern es handelt sich auch um ein psychologisches Phänomen, dass Menschen, geprägt durch ihre persönliche Risikoaversion, bestimmte Risiken als unterschiedlich bedrohlich für den Fortbestand des Unternehmens wahrnehmen.

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      Abhängig davon, wie gefährdet der Fortbestand des Unternehmens ist, d.h. wie schwerwiegend die Unternehmenskrise ist, unterscheidet Krystek vier Phasen im Prozessverlauf einer Krise:[15]

1. Potenzielle Unternehmenskrise,
2. Latente Unternehmenskrise,
3. Akute, beherrschbare Unternehmenskrise,
4. Akute, nicht (mehr) beherrschbare Unternehmenskrise.

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      Ad 1. Potenzielle Unternehmenskrise: Die potenzielle Unternehmenskrise beschreibt eine Situation, in der Krisensymptome (noch) nicht als solche erkannt werden (können). Diese erste Phase des Unternehmenskrisenprozesses ist als „Quasi-Normalzustand“ zu bezeichnen, denn mit der Wahrnehmung von Chancen sind in der Regel zwangsläufig Risiken verbunden – Unternehmen agieren wegen der Unkenntnis der künftigen Entwicklung unter Unsicherheit. Erst wenn die Risiken schlagend werden, ist eine latente oder akute Krise erkennbar.

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      Ad 2. Latente Unternehmenskrise: Die latente Krise beschreibt eine Krisenphase, die aufgrund fehlender offensichtlicher Krisenmerkmale und Krisenauswirkungen nur schwierig wahrzunehmen ist. Dennoch ist die Krise in dieser Phase bereits erkennbar, wenn geeignete – speziell auf der Basis von empirisch-statistischen Methoden entwickelte – Früherkennungsinstrumente[16] eingesetzt werden. Für den Fall, dass die Krise in einem frühen Stadium erkannt wird, können durch geeignete vorbeugende Maßnahmen künftig existenzgefährdende Auswirkungen eingeschränkt bzw. abgewendet werden.

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      Ad 3. Akute, beherrschbare Unternehmenskrise: Wenn die negativen Auswirkungen einer Krise offenbar werden, tritt der Krisenprozess in seine dritte Phase, die akute, wenn auch noch beherrschbare Unternehmenskrise. In dieser Phase verstärken die destruktiven Auswirkungen der Krisenursachen einander indes stetig. Mit ihnen steigt auch die Komplexität der Krisenabwehr.

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      Ad 4. Akute, nicht (mehr) beherrschbare Unternehmenskrise: In der letzten Phase, der akuten, nicht (mehr) beherrschbaren Unternehmenskrise, ist das Unternehmen schließlich durch die Auswirkungen der Krise überfordert. Die destruktiven Wirkungen verstärken sich weiter. Die Unternehmensleitung hat nur noch wenige Handlungsalternativen. Die verbleibenden Handlungsalternativen müssen unter hohem Zeitdruck umgesetzt werden, um den destruktiven Folgen der Krise entgegenzuwirken. Das Unternehmen kann indes bestenfalls noch durch einen vom Unternehmen nicht beeinflussbaren externen Eingriff oder durch einen positiv wirkenden „Zufall“ gerettet werden. Im Normalfall (ohne einen solchen externen Eingriff oder „Zufall“) geht das Unternehmen unter.

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      Die Phasen eines Krisenprozesses können, wenn diese aus der Wahrnehmungs-Perspektive betrachtet werden, nicht eindeutig voneinander abgegrenzt werden. Unterschiedliche Beobachter nehmen die Situation, in der sich das Unternehmen befindet, möglicherweise unterschiedlich wahr und ordnen die Situation des Unternehmens daher unterschiedlichen Phasen zu.

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      Nicht jede Unternehmenskrise durchläuft alle genannten Phasen. So werden Phasen „übersprungen“, wenn beispielsweise aus einer potenziellen Unternehmenskrise unmittelbar eine akute, aber beherrschbare Unternehmenskrise entsteht. Wenn die Unternehmensleitung rechtzeitig geeignete Maßnahmen zur Bewältigung der Krise eingeleitet hat, kann ein Unternehmen aber auch von einer späteren in eine frühere Phase zurückgeführt werden.

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      Der Unternehmenskrisenprozess kann auch danach beurteilt werden, welche Unternehmensziele gefährdet sind. So unterscheidet Müller vier Krisenphasen, nämlich die strategische Krise, die Erfolgskrise, die Liquiditätskrise und die Insolvenz. Je weiter der Krisenprozess vorangeschritten ist, desto weniger Zeit und desto weniger Handlungsmöglichkeiten verbleiben der Unternehmensleitung, die Krise zu bewältigen (vgl. Abb. 1).

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       [Bild vergrößern]

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      In der strategischen Krise, der ersten Phase des Krisenprozesses, sind die Erfolgspotenziale des Unternehmens


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