Unternehmenssanierung, eBook. Guido Koch

Unternehmenssanierung, eBook - Guido Koch


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Risikos durch technische Veränderungen des Produktes P gegengesteuert. Eine potenzielle Krise konnte so von vorneherein abgewehrt bzw. ausgeschlossen werden.

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      Gegenstand der retrospektiven Identifikation von Krisenursachen und somit der empirischen Erforschung von Krisenursachen ist die Analyse von positiv oder negativ beendeten Unternehmenskrisen. Indem Ereignisse und/oder Entscheidungen identifiziert werden, die die spätere Krise (wesentlich) beeinflusst haben, sollen gesunde Unternehmen darin unterstützt werden, potenziellen Krisen so früh wie möglich gegenzusteuern bzw. die Auswirkungen der Krise soweit wie möglich abzumildern. Aus der retrospektiven Erforschung von Krisenursachen und deren Auswirkungen, z.B. der Veränderung der Ausfallwahrscheinlichkeiten, sollen somit Hinweise erarbeitet werden, wie potenzielle Krisenursachen, welche für das Unternehmen Risiken darstellen, vom Unternehmen zukünftig prospektiv gemanagt werden können.

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      Allerdings wirken Krisenursachen – wie gezeigt – auf jedes Unternehmen in spezifischer Weise. Wird das unter Rn. 49 angeführte Bsp. dahingehend abgewandelt, dass der Gesetzgeber keine Emissionsobergrenze für das Produkt P festlegt, und hätte Unternehmen A die Wahrscheinlichkeit für den Eintritt des Risikos „Festlegung einer Emissionsobergrenze für das Produkt P“ als „niedrig“, das Unternehmen B als „hoch“ eingeschätzt und deshalb hohe Beträge für die Absenkung der Emissionswerte in Forschung & Entwicklung investiert, dann hätte sich diese Investition in diesem Fall nicht rentiert, weil den hohen Aufwendungen keine höheren Erträge gegenüberstehen. Die wirtschaftliche Lage des Unternehmens B hätte sich verschlechtert, woraufhin dieses in eine Krise hätte geraten können. Das ursprüngliche Bsp. in Rn. 49 und die hier angenommene Variante verdeutlichen, dass jede Entscheidung, die unter unsicheren Erwartungen getroffen wird, eine potenzielle Krisenursache darstellt. Ob eine bestimmte Entscheidung eine Krise (mit-)verursacht hat, ist aber nur retrospektiv zu beurteilen, nicht prospektiv.

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      Die Ursachen für eine Krise können zeitlich weit vor dem Erkennen der potenziellen Krise bzw. vor dem Ausbruch der Krise liegen (s. Rn. 25 ff.). Vorfälle bzw. Entscheidungen, die einzeln betrachtet keine Bestandsgefährdung für das Unternehmen auslösen, können im Zusammenspiel miteinander durchaus eine Krise auslösen. Viele tatsächliche Krisenursachen werden zunächst nicht mit einer später ausbrechenden Krise in Verbindung gebracht. Denn in manchen Fällen ist weder retrospektiv noch prospektiv eindeutig erkennbar, ob ein Ereignis eine (potenzielle) Krisenursache ist oder nicht. Außerdem ist nicht immer erkennbar, ob ein bestimmtes Ereignis Auslöser oder die eigentliche Ursache der Krise ist. Ursachen lassen sich nur schwierig identifizieren, weil zumeist mehrstufige Ursache-Wirkungs-Beziehungen zur Unternehmenskrise führen. D.h. die Wirkung einer Ursache löst häufig die nächste Ursache aus. Hilfreich für die Ursachenidentifikation ist, dass im Verlauf der Krise sog. Krisensymptome in Erscheinung treten, die das Vorliegen von Krisenursachen anzeigen. Die Symptome müssen indes nicht die Krisenursachen sein. Beispielsweise ist eine geringe Eigenkapitalquote zwar ein Krisenindikator und ein Faktor, der eine Unternehmenskrise weiter verschärft. Sie ist aber in der Regel nicht die Ursache für die Krise, sondern nach verlustreichen Jahren das Ergebnis der krisenhaften Entwicklung.[31]

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      In der Krisenursachenforschung kann zwischen der quantitativen und der qualitativen Krisenursachenforschung unterschieden werden. Mit der quantitativen Forschung werden statistische Zusammenhänge zwischen leicht erfassbaren Daten (z.B. Unternehmensgröße, Unternehmensalter) und dem Auftreten von Unternehmenskrisen ermittelt. Mit der qualitativen Forschung werden dagegen durch die Auswertung von Umfragen und individuellen Krisenverläufen Rückschlüsse auf mögliche Krisenursachen gezogen, d.h. es werden entsprechende Hypothesen gebildet und geprüft. Die Krisenursachenforschung verwendet dabei vor allem Informationen aus der Zeit vor der Insolvenz von insolvent gewordenen Unternehmen. Hierdurch werden nur solche Krisenursachen berücksichtigt, die in der Zeit vor der Insolvenz zu beobachten waren bzw. nachträglich ermittelt werden konnten bzw. die dokumentiert waren. Dieses Vorgehen kann keine Krisenursachen oder -symptome berücksichtigen, die zwar während eines Krisenprozesses aufgetreten aber positiv bewältigt worden sind, bevor ein Insolvenzverfahren über das Unternehmen eröffnet werden muss.[32]

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      In der Literatur werden Insolvenzursachen häufig nach internen und externen Insolvenzursachen unterschieden. Dabei werden Ursachen, die durch das Unternehmen bzw. das Management beeinflussbar sind, als interne Krisenursachen bezeichnet (z.B. veraltetes Produktangebot, mangelhafter Kundenservice). Externe Krisenursachen liegen dagegen außerhalb des Einflussbereichs des Unternehmens (z.B. technologischer oder Werte-Wandel).[33] Die Schwäche dieser Kategorisierung ist die statische Betrachtung von Krisenursachen. So gibt es zwar Ereignisse, die keinesfalls vom Unternehmen beeinflusst werden können und eindeutig externe Krisenursachen sind, wie Naturkatastrophen. Interne Krisenursachen, wie ein mangelhafter Kundenservice, wirken sich indes auf die Unternehmensumwelt aus und rufen Reaktionen hervor, beispielsweise von den Wettbewerbern oder den Kunden des Unternehmens. So ist die interne Krisenursache „veraltetes Produktangebot“ strenggenommen gar nicht (allein) intern verursacht. Das Produktangebot eines Unternehmens kann nur dann veraltet sein, wenn Wettbewerber des Unternehmens technisch verbesserte Produkte am Markt anbieten. Die eigentliche Krisenursache ist in diesem Fall keine interne, sondern die externe Krisenursache „technologischer Wandel“.

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      Unternehmenskrisen sind zumeist multikausal, d.h. sie werden in der Regel nicht durch eine einzige, sondern durch mehrere Ursachen hervorgerufen. Diese Ursachen wirken im Krisenprozess zusammen und verstärken einander. Aus diversen Ursachen entsteht also letztendlich ein gefährlicher Mix, der die Existenz des Unternehmens bedroht.[34]

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      Im zweiten Kapitel wurde der Verlauf von Unternehmenskrisen erläutert. Dort wurden Unternehmenskrisen als ein Prozess geschildert, in dessen Verlauf die der Unternehmensleitung zur Verfügung stehende Zeitspanne und die Zahl der Bekämpfungsmöglichkeiten stetig abnehmen. Zudem wurde verdeutlicht, dass Unternehmenskrisen in der Regel mehrere Krisenursachen haben. Diese Krisenursachen sind Sachverhalte, die, wenn sie nicht gemeinsam mit anderen für das Unternehmen negativen Sachverhalten auftreten würden, den Fortbestand des Unternehmens nicht gefährden würden. Im folgenden Abschnitt werden Krisenursachen vorgestellt.

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      In der Literatur findet man zahlreiche Auflistungen einer Vielzahl von Krisenursachen, die auf Befragungen oder Untersuchungen von in der Vergangenheit krisenbehafteten Unternehmen basieren. Im Folgenden sind Krisenursachen in Form einer Balanced Scorecard aufgeführt, wie man sie bei Hauschildt findet (vgl. Abb. 4). Hauschildts Untersuchungen basieren auf Unternehmen, deren Krisen im manager magazin (mm) beschrieben wurden.[35]

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      In Abb. 4 werden Krisenursachen aufgezählt. Dabei werden vier Kategorien


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