Unternehmenssanierung, eBook. Guido Koch

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die die Unternehmensleitung für die künftige Entwicklung des Unternehmens gesetzt hat, verfehlt werden.

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      Drei Formen von Unsicherheit über die künftigen Umweltzustände sind zu unterscheiden. Die Form der Unsicherheit bestimmt die Möglichkeit, die Eintrittswahrscheinlichkeit einer Abweichung von einem Ziel zu bestimmen. Fast nie verfügt die Unternehmensleitung über die Kenntnis objektiver Eintrittswahrscheinlichkeiten. Das wäre nur gegeben, wenn die Eintrittswahrscheinlichkeit für die Abweichung zweifelsfrei feststünde, z.B. bei der Gewinnwahrscheinlichkeit in einer staatlichen Lotterie. Dieser Fall ist in der Unternehmensrealität aber nicht gegeben. In der Regel wird die Unternehmensleitung die Eintrittswahrscheinlichkeiten künftiger Umweltzustände nur subjektiv schätzen können, d.h. auf der Basis von subjektiven Erfahrungen und Überlegungen. Sofern bei einer Entscheidung für das Eintreten der relevanten Umweltzustände weder objektive noch subjektive Wahrscheinlichkeiten angegeben werden können, handelt es sich um eine Entscheidung unter Ungewissheit. Die Unternehmensleitung weiß in einem solchen Fall nicht, welche Werte eine Zustandsvariable annehmen kann. Die beiden Fälle der völligen „Ungewissheit“ und der „objektiven Eintrittswahrscheinlichkeit“ sind in der Praxis regelmäßig nicht gegeben, daher wird die Unternehmensleitung entweder nur subjektive Eintrittswahrscheinlichkeiten schätzen können oder die Unternehmensleitung folgt der Aufforderung von Galileo Galilei: „Zähle, was zählbar ist, miss, was messbar ist und was nicht messbar ist, versuche messbar zu machen!“ Dieser Aufforderung Galileo Galileis wird mit dem Konzept des Top-down-Ansatzes gefolgt. So kann man objektivierte Wahrscheinlichkeiten ermitteln, die sich mit Hilfe empirisch-statistischer Jahresabschlussdaten ermitteln lassen.

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      Dass ein Unternehmen überhaupt Risiken eingeht, ist wegen der Chancenwahrnehmung unternehmerischen Handelns unverzichtbar, aber auch unproblematisch, solange sich die Unternehmensleitung dieser Risiken bewusst ist und diese Risiken mit den wahrzunehmenden Chancen abgleicht und adäquat steuert, d.h. dafür sorgt, dass die zusätzlichen Erträge aus wahrgenommenen Chancen größer sind als die zusätzlichen Aufwendungen aus dem Eintreten der damit verbundenen Risiken. Im Folgenden werden die Aufgaben des Risikomanagementsystems sowie der Risikomanagementprozess erläutert.

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      Für den langfristigen Fortbestand eines Unternehmens ist dessen Gesamtrisikoposition von zentraler Bedeutung. Die Gesamtrisikoposition ist die Summe aller (sich möglicherweise gegenseitig beeinflussender) Einzelrisiken und Einzelchancen des Unternehmens; diese ist mit dem Risikomanagementsystem zu ermitteln. Das Ziel des Risikomanagements ist die Sicherung, die Erhaltung und die erfolgreiche Weiterentwicklung des Unternehmens im Sinne der unter Rn. 11 genannten finanziellen Ziele einer jeden erwerbswirtschaftlich orientierten Unternehmensführung.

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      Das Risikomanagementsystem ist ein Instrument der Geschäftsführung. Es umfasst „die Gesamtheit aller organisatorischen Regelungen und Maßnahmen zur Risiko- (und Chancen-) Erkennung und zum Umgang mit den (Chancen und) Risiken unternehmerischer Betätigung.“[51] Die Leitung, die Planung und die Kontrolle unternehmerischer Betätigung sind nicht allein an Chancen auszurichten, sondern auch an den mit den Chancen verbundenen Risiken.[52]

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      Die rechtliche Verpflichtung für die Einrichtung eines Risikomanagementsystems ergibt sich aus § 91 Abs. 2 AktG. Danach hat der Vorstand einer Aktiengesellschaft Maßnahmen zu treffen und vor allem ein Überwachungssystem einzurichten, damit den Fortbestand der Gesellschaft gefährdende Entwicklungen früh erkannt werden. Der Gesetzgeber hat diese Vorgabe ausdrücklich nicht nur auf Aktiengesellschaften beschränkt. Vielmehr sind nach dessen Auffassung alle Unternehmensleiter, vor allem auch GmbH-Geschäftsführer, verpflichtet, ein der Größe, der Komplexität und der Struktur des Unternehmens entsprechendes Risikomanagementsystem einzurichten.[53] Für den Gesetzgeber hat die Regelung des § 91 Abs. 2 AktG ohnehin nur klarstellenden Charakter.[54]

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      Dieser Einschätzung des Gesetzgebers ist zuzustimmen, da Risikomanagement eine betriebswirtschaftliche Notwendigkeit zur unternehmerischen Chancenwahrnehmung darstellt. Die Implementierung eines adäquaten, also an die unternehmensspezifischen Gegebenheiten angepassten Risikomanagementsystems ergibt sich nicht nur aus der Verantwortung der Unternehmensleitung, den Fortbestand des Unternehmens zu sichern. Vielmehr ist ein funktionierendes Risikomanagementsystem auch ein Instrument zur Leitung des Unternehmens, um die finanziellen und die operativen Ziele, vor allem aber die Unternehmensstrategie möglichst unter Berücksichtigung des Verhältnisses von sich gegebenenfalls ändernden Risiken und Chancen zu optimieren. Das Risikomanagementsystem unterstützt die Leitungsfunktion des Top-Managements umso besser, je stärker die Mitarbeiter sensibilisiert werden, die mit den wahrzunehmenden Chancen sich ergebenden Risiken zu identifizieren und zu bewerten und die für die Bewältigung der Risiken notwendigen Maßnahmen zu ergreifen bzw. beim Management anzuregen. Denn je eher ein Risiko – auf welcher Hierarchieebene oder in welcher Abteilung auch immer – identifiziert und analysiert wird, desto mehr Zeit bleibt dem zuständigen Management, angemessen auf dieses Risiko zu reagieren.[55] Demnach handelt es sich bei der in § 91 Abs. 2 AktG kodifizierten Verpflichtung zur Einrichtung eines Risikomanagementsystems um eine Konkretisierung der allgemeinen Leitungsfunktion des Vorstandes, welche sich aus § 76 Abs. 1 AktG ergibt.[56]

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      Da der Gesetzgeber eine Unternehmenskrise richtigerweise als einen Prozess versteht, der die Existenz des Unternehmens gefährden kann, war es die Zielsetzung des Aktien-Gesetzgebers, eine Regelung zu schaffen, mit der Unternehmenskrisen von der Unternehmensleitung möglichst rechtzeitig erkannt werden.[57] Das vom Gesetzgeber mit dem Risikomanagementsystem implizit geforderte Frühwarnsystem darf sich dementsprechend nicht auf einzelne Risiken beschränken. Da Unternehmenskrisen multikausal verursacht werden (vgl. Rn. 57), muss ein Monitoring sämtlicher Teilrisiken gewährleistet sein, um auch eine Existenzgefährdung aus dem Zusammenwirken verschiedener Risiken bzw. Ursachen erkennen zu können.[58]

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      Der Begriff bzw. das Konstrukt des Risikomanagements wird durch die Deutschen Rechnungslegungs-Standards (DRS) im DRS 20 definiert. Danach umfasst der Prozess des Risikomanagements die Identifikation, Bewertung, Steuerung und Kontrolle von Risiken. “

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      Beim Bottom-up-Ansatz des Risikomanagementprozesses ist die Risikoidentifikation Ausgangspunkt der Analyse. Im Rahmen einer Inventur der Risiken[59] sind die Risiken nach Unternehmensbereichen, Geschäftsprozessen, Art der Bedrohung oder Beeinflussbarkeit der Risiken zu erfassen. Ziel der Risikoanalyse ist, diejenigen Risiken zu identifizierten, die einzeln oder in Kombination den Fortbestand des Unternehmens beeinträchtigen (können) bzw. dessen wirtschaftliche Lage negativ beeinflussen (können). Hierbei ist zwischen vornehmlich strategischen und vornehmlich operativen Risiken zu unterscheiden. Strategische Risiken sind aufgrund ihres stärkeren Zukunftsbezugs schwieriger zu erkennen als operative Risiken.[60] Gegenstand der Risikobewertung ist, die identifizierten und analysierten Risiken monetär zu quantifizieren, d.h. den Erwartungswert des akkumulierten Verlustes aus allen identifizierten Krisenursachen abzuschätzen. Der Schadenserwartungswert, also das bewertete Risiko, entspricht dem rechnerischen Produkt der Höhe des drohenden Vermögensverlustes (Quantitätsdimension) und der Wahrscheinlichkeit des drohenden Vermögensverlustes (Intensitätsdimension). Schwierigste Aufgabe bei der Ermittlung des Gesamtschadenerwartungswertes ist die Risikoaggregation. Hier sind die Abhängigkeiten zwischen den verschiedenen identifizierten Risiken zu berücksichtigen. Einzelrisiken können einander verstärken oder aufheben.


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