Unternehmenssanierung, eBook. Guido Koch
eines Beobachtungsbereichs. An die Indikatoren sind die in Rn. 102 ff. erläuterten Anforderungen zu stellen, damit sie ihre Prognoseaufgabe als „Vorboten“ der Unternehmenskrise im Rahmen der Früherkennung erfüllen können. An diesen Anforderungen werden die indikatororientierten Ansätze im folgenden Abschnitt auch gemessen.
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Für die folgenden unternehmensinternen Beobachtungsbereiche werden beispielhaft Indikatoren aufgelistet, die in einem indikatororientierten System angewendet werden können.[73] Das jeweils verwendete Adjektiv umschreibt diejenige Ausprägung des Indikators, der auf eine Krise hinweist.
- | Mitarbeiter: - hohe Fluktuationsrate; - hohe Krankenstände. |
- | maschinelle Ausrüstung: - niedrigerer Technologiestand als die Konkurrenz/veraltete Maschinen; - schlechtere Kapazitätsabstimmung zwischen den Produktionsstufen als bei der Konkurrenz. |
- | Produktion und Beschaffung: - hohe Ausschussrate; - höhere Beschaffungspreise als die Konkurrenz; - längere Produktionszeiten. |
- | Internes Rechnungswesen: - sinkende Deckungsbeiträge. |
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Unternehmensexterne Beobachtungsbereiche mit beispielhaften Indikatoren sind z.B. die Folgenden:[74]
- | Beschaffungsmarkt: - Verschlechterung der Preise/Konditionen je Lieferant, sofern die höheren Beschaffungskosten nicht an die Abnehmer weitergegeben werden können. |
- | Absatzmarkt: - rückläufige Auftragseingänge (nach Produkten/Regionen); - sinkendes Nachfragevolumen wichtiger Kunden. |
- | Kapitalmarkt: - steigende Inflationsraten in wichtigen Märkten; - für das Unternehmen ungünstige Entwicklung von Zinsen bzw. von Wechselkursen. |
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3. Schritt: Festlegung von Sollwerten und Toleranzgrenzen je Indikator
Im dritten Schritt werden für jeden Indikator Sollwerte und Toleranzwerte festgelegt. Der Soll-Wert ist der für die beabsichtigte Unternehmensentwicklung erwünschte Wert eines Indikators. Toleranzwerte sind die für einen Indikator gerade noch als zulässig erachteten Abweichungen vom Soll-Wert. Schwankungen eines Indikators innerhalb der Toleranzgrenzen um den Sollwert lösen keine Frühwarnung aus. Sollwerte und Toleranzgrößen sind von der Unternehmensleitung auf Basis der Unternehmensziele festzulegen (z.B. werde ein Soll-Umsatzwachstum von 5 % für ein bestimmtes Unternehmenssegment vorgegeben und die gerade noch tolerierte negative Abweichung mit 2 %-Punkten festgelegt). Überschreitet oder unterschreitet ein Indikator die Toleranzgrenzen, löst dies eine Krisenfrühwarnung aus.[75] Abb. 9 fasst das Gesagte noch einmal graphisch zusammen:
Abb. 9: Schritte eines indikatororientieren Frühwarnsystems
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4. Schritt: Festlegung von Aufgaben der Informationsverarbeitungsstelle(n)
Die Festlegung der Aufgaben der Informationsverarbeitungsstellen im vierten Schritt dient der Ausgestaltung der Aufbauorganisation des Frühwarnsystems. In diesem Schritt werden Verantwortlichkeiten festgelegt, einzelnen Mitarbeitern werden bestimmte Aufgabenbereiche zugeordnet.
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5. Schritt: Ausgestaltung der Informationskanäle
Im letzten Schritt werden die Informationsbeziehungen ausgestaltet, indem die internen und die externen Informationsflüsse festgelegt werden.[76]
3.2.3 Probleme und Grenzen von indikatororientierten Ansätzen
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In diesem Abschnitt werden die indikatororientierten Ansätze an den in Rn. 102 ff. vorgestellten Anforderungen an ein Früherkennungssystem gemessen.
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Die Herausforderung bei der Einrichtung eines indikatororientierten Systems zur Früherkennung von existenzbedrohenden Risiken liegt vor allem darin, geeignete Indikatoren zu finden, deren Veränderungen in einem kausalen Zusammenhang mit der zukünftigen wirtschaftlichen Lage des Unternehmens stehen. Die Indikatoren werden indes vor allem aufgrund der subjektiven Erfahrungen der Vergangenheit festgelegt.[77] Ferner sind die Toleranzgrenzen für die Indikatoren subjektiv festgelegt. Sie basieren auf der Entscheidung der Unternehmensleitung bzw. des CRO. Für sie gibt es üblicherweise keine empirisch bestätigten kritischen Schwellenwerte. Indikatorbasierte Ansätze sind folglich nicht intersubjektiv nachprüfbar. Sie erfüllen nicht das Objektivitätsprinzip (vgl. Rn. 103).
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Indikatororientierte Ansätze werden vor allem unternehmensintern zur Krisenfrüherkennung genutzt. Da die Unternehmensleitung ein Interesse daran hat, die tatsächliche wirtschaftliche Situation des eigenen Unternehmens einschätzen zu können, kann davon ausgegangen werden, dass die in indikatororientierten Ansätzen verwendeten Informationen zumindest nicht von der Unternehmensleitung durch informationspolitische Maßnahmen verfälscht sind, wie dies aber im Jahresabschluss durch bilanzpolitische Maßnahmen erfolgt, auf den unternehmensexterne Analysten angewiesen sind. Die Neutralität von indikatororientierten Ansätzen ist also im Normalfall gegeben (vgl. Rn. 104).
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Die Informationsverarbeitungskapazitäten eines Unternehmens sind begrenzt. Das Frühwarnsystem ist durch eine begrenzte Anzahl von Indikatoren in seiner Effektivität limitiert. Es besteht die Gefahr, dass Unternehmen zu viele Daten generieren, um jede für das Unternehmen ungünstige Entwicklung möglichst frühzeitig zu erkennen. Eine zu große Zahl an Indikatoren könnte jene, die zur Krisenfrüherkennung erforderlich sind, leicht untergehen lassen.[78] Besonders gut nutzbar sind quantitative Informationen. Qualitative Informationen spielen bei den indikatororientierten Ansätzen nur eine untergeordnete Rolle, da diesen in der Regel kein eindeutiger, monetärer Wert beigemessen werden kann. Daraus folgt, dass manche Beobachtungsbereiche nicht oder nur eingeschränkt vom operativen Frühwarnsystem abgedeckt werden, weil für sie keine unmittelbar quantifizierbaren Daten verfügbar sind.[79] Es erscheint fraglich, ob durch einen indikatororientierten Ansatz alle wesentlichen bestandsgefährdenden Risiken eines Unternehmens abgedeckt werden können. Die Anforderung der Ganzheitlichkeit wird also (wohl) nicht erfüllt (vgl. Rn. 105).
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