Unternehmenssanierung, eBook. Guido Koch

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und auf Vermögen und Schulden bleibt in der Buchführung und damit im Jahresabschluss unberücksichtigt. Buchführung und Jahresabschluss sind ein Spiegelbild aller Aktivitäten des Unternehmens. Damit ist der Jahresabschluss auch ein idealer „Sammler“ aller Risiken und Chancen eines Unternehmens (vgl. Abb. 11).[100]

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      Abb. 11: Der Jahresabschluss als Chancen- und Risikosammler

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      Im Folgenden wird die Jahresabschlussanalyse als Instrument der Krisenfrüherkennung in ihren verschiedenen Formen behandelt.

5. Jahresabschlussanalyse als Top-down-Ansatz zur Krisenfrüherkennung

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      Gegenstand der Jahresabschlussanalyse ist es, Kennzahlen aus den Bestandsgrößen der Bilanz sowie aus den Stromgrößen der Gewinn- und Verlustrechnung zu bilden sowie die Angaben im Anhang und im Lagebericht zu beurteilen. Hier wird zwischen der klassischen Bilanzanalyse und den modernen, mithilfe von mathematisch-statistischen Methoden entwickelten Verfahren unterschieden. Das Ergebnis der klassischen Bilanzanalyse ist ein (Gesamt-)Urteil über die wirtschaftliche Lage des Unternehmens.[101] Das Ergebnis der modernen Jahresabschlussanalyse ist die Gewinnung einer Ausfallwahrscheinlichkeit (Probability of Default, pd) für das Unternehmen auf der Basis der Jahresabschlussanalyse.[102]

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      Die klassische Jahresabschlussanalyse wurde für die Beurteilung der wirtschaftlichen Lage von Unternehmen durch Unternehmensexterne entwickelt. Sie erweist sich aber auch für die Unternehmensleitung (als Unternehmensinterne) als das wichtigste und einzige Instrument zur zusammenfassenden Beurteilung der wirtschaftlichen Lage des Gesamtunternehmens. Die Jahresabschlussanalyse ist damit zugleich das wichtigste Instrument für die zusammenfassende Beurteilung der Krisenfrüherkennung sowohl für externe als auch für interne Nutzer. Externe Nutzer sind vor allem aktuelle und potenzielle Eigen- und Fremdkapitalgeber. Sie sehen das Unternehmen als Investitionsobjekt und möchten als Eigen- oder Fremdkapitalgeber am Erfolg des Unternehmens teilhaben. Dafür müssen sie neben den Chancen auch das Risiko einer Fehlinvestition und eines damit verbundenen (Teil-)Verlustes ihres eingesetzten Kapitals gegebenenfalls in Kauf nehmen und abschätzen. Dies geschieht mit der Ermittlung der Ausfallwahrscheinlichkeit des betreffenden Unternehmens (vgl. Rn. 214). Die mit einer Jahresabschlussanalyse gewonnenen Erkenntnisse sind – wie gesagt – auch für Unternehmensinterne als Top-down-Ansatz unverzichtbar. Denn Unternehmensinterne (z.B. die Unternehmensleitung) können nur mit einer auf den Jahresabschluss gestützten Risikoanalyse (mit einem Top-down-Ansatz) das Gesamtrisiko objektiv ermitteln und die Ergebnisse des Bottom-up-Ansatzes plausibilisieren bzw. kontrollieren.

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      Jahresabschlüsse sind zumeist extern zugänglich. Sie bieten damit die Grundlage für eine großzahlige empirisch-statistische Früherkennungsanalyse bzgl. Unternehmenskrisen: Mit mathematisch-statistischen Methoden wurde analysiert, welche Jahresabschluss-Kennzahlenmuster bereits Jahre vor einer Insolvenz in Jahresabschlüssen typisch sind. Tatsächlich ist die Forschung diesbezüglich fündig geworden und kann somit nicht nur für die externe Krisenfrüherkennung, sondern auch für Überprüfung der Ergebnisse des internen Risikomanagementsystems genutzt werden.

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      In der Folge werden zunächst die klassischen Verfahren der Jahresabschlussanalyse dargestellt. Es wird sich aber zeigen, dass bei der klassischen Jahresabschlussanalyse die in Rn. 102 ff. erläuterten Anforderungen nicht hinreichend beachtet werden (können). Daher werden nach den klassischen Verfahren moderne, objektivierende Verfahren der Jahresabschlussanalyse vorgestellt, die diese Anforderungen zumindest besser als die klassische Jahresabschlussanalyse erfüllen.

5.2 Klassische Verfahren der Jahresabschlussanalyse

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      Zu Beginn der klassischen Jahresabschlussanalyse sollte sich der Analyst einen Überblick über die das Unternehmen bestimmenden Kontextfaktoren (z.B. Branche, Wettbewerbssituation und Größe des Unternehmens) und die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen (z.B. allgemeine Konjunktur- und Branchenentwicklung) verschaffen, um spätere bilanzanalytische Ergebnisse vor diesem Hintergrund würdigen zu können. Neben Bilanz und Gewinn- und Verlustrechnung enthalten Anhang und Lagebericht für die Jahresabschlussanalyse Informationen, ohne die der Bilanzanalytiker sich nur ein eingeschränktes Bild von der Lage des Unternehmens machen kann. Eine umfassende Analyse dieser Informationen ist für die Jahresabschlussanalyse unverzichtbar.[103]

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      Vor der Kennzahlenberechnung sind erkennbare Informationsmängel des Jahresabschlusses zu beheben und die Daten sind in ein einheitliches Erfassungsschema zu überführen, um deren Auswertung vorzubereiten.[104] Abb. 12 zeigt die Schritte der Jahresabschlussanalyse.

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      Nach der Aufbereitung des Zahlenmaterials werden die Daten zu Kennzahlen verdichtet. Erst diese Verdichtung der Daten ermöglicht die Analyse der Unternehmenssituation. Betriebswirtschaftliche Kennzahlen charakterisieren einen betriebswirtschaftlichen Sachverhalt in verdichteter Form. Kennzahlen sind entweder absolute Zahlen, z.B. die Bilanzsumme, oder relative Zahlen (Verhältniszahlen), die das Verhältnis von absoluten Zahlen ausdrücken. Für die Jahresabschlussanalyse werden zumeist Verhältniszahlen verwendet, um relevante Sachverhalte auch zwischen verschieden großen Unternehmen vergleichen zu können. Voraussetzung für eine Analyse mittels Kennzahlen ist, dass für jede Kennzahl eine Arbeitshypothese gebildet wird, die angibt, ob deren hoher bzw. niedriger Wert zu einem positiven oder negativen Urteil über die wirtschaftliche Lage beiträgt.[106]

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      Im Rahmen der Kennzahlenauswahl müssen aus diesem Katalog die „richtigen“ Kennzahlen – also die im Hinblick auf das Analyseziel geeignetsten Kennzahlen – ausgewählt werden.[107] Für eine umfassende Analyse sollten Kennzahlen aus möglichst allen Informationsbereichen des Jahresabschlusses betrachtet werden. D.h. für die finanzwirtschaftliche Analyse sollten Kennzahlen gewählt werden, die die Vermögensstruktur, die Kapitalstruktur und die horizontale Bilanzstruktur (also die Liquiditätslage) analysieren. Die erfolgswirtschaftliche Analyse sollte mit Hilfe von Rentabilitätskennzahlen und der Erfolgsquellenanalyse erfolgen.[108] Bei der klassischen Jahresabschlussanalyse wählt der Analytiker die Kennzahlen selbst, beispielsweise aufgrund seiner persönlichen Erfahrung, oder er wählt einen in der Literatur vorgeschlagenen Kennzahlenkatalog, in dem ein Kennzahlensystem festgelegt wurde (z.B. das sog. Dupont-System mit Eigenkapitalrentabilität und Eigenkapitalquote sowie Return-On-Investment und Umsatzrentabilität und Kapitalumschlaghäufigkeit mit Return-On-Investment). Kennzahlensysteme unterstützen den Bilanzanalytiker dabei, sich systematisch ein möglichst umfassendes


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