Schuldrecht nach Anspruchsgrundlagen. Kurt Schellhammer
mangelhaften Kaufsache[177].
4.5 Der Schadensersatz statt der anfänglich unmöglichen Leistung
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Eine selbständige Anspruchsgrundlage für Schadensersatz statt der Leistung ist § 311a II 1 für den Fall, dass eine mangelfreie Lieferung der Kaufsache schon bei Abschluss des Kaufvertrags nach § 275 I-III objektiv oder subjektiv unmöglich ist. Der Kaufvertrag ist nach § 311a I gleichwohl wirksam (RN 1656).
Anspruchsvoraussetzungen sind: ein Sachkauf, ein Sachmangel bei Gefahrübergang, die anfängliche objektive oder subjektive Unmöglichkeit der Nacherfüllung und ein Schaden des Käufers durch den Sachmangel[178]. Von § 281 I unterscheidet sich § 311a II darin, dass er, von einer – ohnehin sinnlosen – Nachfrist absieht und der Verkäufer sich nach
§ 311a II 2 schon durch den Nachweis entlasten kann, dass er den Sachmangel bei Kaufabschluss schuldlos nicht gekannt habe[179].
Beispiel
Der Käufer erwirbt für 5 000,– € ein unechtes Gemälde als echt, das, wenn es echt wäre, einen Wert von 150 000,– € hätte. Er verklagt den Verkäufer auf 145 000,– € Schadensersatz.
Die Klage ist aus § 437 Nr. 3 mit §§ 311a II 1, 275 I in voller Höhe begründet (BGH NJW 93, 2103: zu § 463a.F.), es sei denn, der Verkäufer beweise nach § 311a II 2, dass er die Fälschung bei Kaufabschluss schuldlos nicht gekannt habe. Dies hilft ihm freilich nicht, wenn er die Echtheit, vielleicht mit einer professoralen Expertise, garantiert hat, denn dafür muss er nach § 276 I bedingungslos einstehen.
Sobald der Käufer Schadensersatz statt der Leistung fordert, erlischt nach §§ 311a II 3, 281 IV sein Anspruch auf Vertragserfüllung.[180]
4.6 Der unerhebliche Sachmangel als Ausnahme
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Sowohl § 281 I 3 als auch § 311a II 3 schließen einen Schadensersatz statt der Leistung aus, wenn die Pflichtverletzung des Schuldners unerheblich ist. Ins Kaufrecht übersetzt heißt dies: Unerhebliche Sachmängel berechtigen den Käufer nicht dazu, den Kaufvertrag vollständig nach § 281 I oder § 311a II 1 abzuwickeln[181].
Beispiele
- | Der als 6-Liter-Auto angepriesene Neuwagen verbraucht durchschnittlich 6,4 l. Das ist ein unerheblicher Sachmangel, da die Abweichung weniger als 10 % beträgt (BGH 132, 55; 136, 94; NJW 2007, 2111). |
- | Der Mangel eines Neuwagens ist geringfügig, wenn die Kosten einer Mängelbeseitigung im Verhältnis zum Kaufpreis geringfügig sind (BGH NJW 2013, 1365; 2014, 3229); er ist nicht geringfügig, wenn die Mängelbeseitigung mehr als 5 % des Kaufpreises kostet (BGH NJW 2014, 3229). |
- | Stets erheblich ist der Mangel, den der Verkäufer arglistig verschwiegen oder verleugnet hat (BGH NJW 2006, 1960). |
5. Der Anspruch des Käufers auf Ersatz des Verzögerungsschadens
5.1 Die Anspruchsgrundlage
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Nach § 437 Nr. 3 mit §§ 280 I, II, 286 hat der Käufer gegen den Verkäufer Anspruch auf Ersatz des Schadens, der ihm durch Verzögerung der mangelfreien Nacherfüllung entsteht.
5.2 Die Rechtsfolge: Der Ersatz des Verzögerungsschadens
Der Anspruch auf Ersatz des Verzögerungsschadens ersetzt den Anspruch auf mangelfreie Lieferung nicht, sondern ergänzt ihn nur. Will der Käufer aus Anlass der Verzögerung von der mangelhaften Sache nichts mehr wissen, sondern mittels Schadensersatzes den ganzen Kaufvertrag abwickeln, ist nicht § 280 I, II mit § 286, sondern § 280 I, III mit § 281 oder § 311a II die richtige Anspruchsgrundlage. § 280 I 1, II deckt nur den reinen Verzögerungsschaden.
Beispiele
- | Die käuflich erworbene Druckmaschine läuft nicht. Die Reparatur dauert Wochen. Dadurch erleidet der Käufer einen Produktions- und Gewinnausfall. |
- | Das gekaufte Wohnhaus ist asbestverseucht. Die Sanierung zieht sich hin. Der Käufer mietet für die Zeit bis zur erfolgreichen Sanierung eine Ersatzwohnung oder zieht mit seiner Familie ins Hotel. Außerdem fällt die Miete für eine weitere Wohnung aus, die der Käufer vermieten wollte oder vermietet hat. Es sind dies typische Verzögerungsschäden, die der Käufer auch dann erleidet, wenn der Verkäufer den Mangel schlussendlich beseitigt. Sie sind nicht schon nach § 280 I 1, aber auch nicht erst nach §§ 280 III, 281, sondern nach §§ 280 II, 286 zu ersetzen. |
- | Die Mehrkosten eines Deckungskaufs sind kein Verzögerungsschaden, sondern nur nach §§ 280 I, 281 zu ersetzen (BGH NJW 2013, 2959). |
5.3 Die Anspruchsvoraussetzungen
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Der Schadensersatzanspruch aus § 280 I, II mit § 286 setzt voraus: einen Sachkauf, einen Sachmangel bei Gefahrübergang (RN 81 ff.), Verzug des Verkäufers mit mangelfreier Nacherfüllung und einen Schaden, den der Käufer durch den Verzug des Verkäufers erlitten hat (RN 1627 ff.).
Nach § 286 I erfordert der Verzug zweierlei: Fälligkeit des Nacherfüllungsanspruchs und Mahnung des Käufers oder Zustellung der Klage auf Nacherfüllung. Das dringende Verlangen nach Mängelbeseitigung oder Ersatzlieferung ist eine Mahnung (RN 1646 ff.).
Nach § 286 II ist die Mahnung ausnahmsweise entbehrlich (RN 1649):
- | wenn die Leistungszeit nach dem Kalender bestimmt ist; |
- | wenn sie sich durch ein vorbestimmtes Ereignis nach dem Kalender berechnen lässt; |
- | wenn der Verkäufer die Nacherfüllung kategorisch verweigert; |
- | wenn besondere Gründe nach Abwägung der beiderseitigen Interessen einen sofortigen Verzugseintritt rechtfertigen. |
Auch der Verzug erfordert kein Verschulden, auch hier muss sich der Verkäufer nach §§ 280 I 2, 286 IV durch den Nachweis entlasten, dass er die Verzögerung nicht zu vertreten habe (RN 1653).
6. Der Anspruch des Käufers auf Ersatz seiner vergeblichen Aufwendungen
6.1 Die Anspruchsgrundlage
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Nach § 437 Nr. 3 mit § 284 darf der Käufer vom Verkäufer wegen eines Sachmangels „anstelle des Schadensersatzes