Unternehmenskaufvertrag. Christoph Louven
dürften solche Fälle in der Praxis selten sein: Der Verkäufer und seine Berater haben im weiteren Verfahrensverlauf wiederholt die Möglichkeit, etwa durch Offenlegung im Datenraum oder im vorvertraglichen Auskunftsprozess (Q&A-Process) (bei für den Käufer für dessen Kaufentscheidung wesentlichen Informationen wird sich der Käufer oft nicht auf das Informationsmemorandum verlassen, sondern vertieft prüfen wollen und Nachfragen stellen) unerkannt unzutreffende Informationen zu korrigieren. Für einen aufgrund unzutreffender Informationen vorzeitig ausscheidenden Bieter dürfte es oft schwierig sein, nachzuweisen, dass er ausschließlich wegen der unzutreffenden Informationen aus dem Verfahren ausgeschieden ist. Die praktische Bedeutung einer solchen Haftung ist daher eher gering.
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Eine Haftung für unzutreffende Informationen im Informationsmemorandum nach den Grundsätzen der Produkthaftung scheidet nach vorherrschender Meinung197 schon deshalb aus, weil kein Bieter erwarten kann, schon im Informationsmemorandum vollständig die für eine Kaufentscheidung relevanten Informationen zu bekommen. Dafür sind vielmehr die Due Diligence (mit Q&A-Process, Site Visit und Management Presentation) und die Verhandlungen gedacht.
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Nicht nur die ausdrücklich unzutreffende Information eines Interessenten über angebliche weitere Bieter (bloß ausweichende Antworten sind zulässig198), sondern auch die konkludente Fehlinformation darüber kann Schadensersatzansprüche nach §§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 2, 241 Abs. 2 BGB (Verschulden bei Vertragsverhandlungen) auslösen oder dem erfolgreichen, aber zuvor entsprechend getäuschten Bieter die Anfechtung des Unternehmenskaufvertrags wegen arglistiger Täuschung ermöglichen (wenn der Bieter nachweisen kann, dass er den Unternehmenskaufvertrag ohne die Täuschung über weitere Bieter nicht oder nicht mit diesem Inhalt abgeschlossen hätte199). Eine konkludente Fehlinformation über andere Bieter kann z.B. darin liegen, dass der Verkäufer eine Zahl von Verhandlungsteams benennt, die die Zahl der vorhandenen Bieter übersteigt.200 Fehlinformationen durch einen beauftragten Berater (einschließlich einer beauftragten Investmentbank) muss sich der Verkäufer zurechnen lassen.201
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„Zieht“ der Verkäufer einen chancenlosen Bieter „mit“, obwohl er mit ihm nicht mehr abschließen will, kann er ebenfalls aus §§ 311 Abs. 2, 241 Abs. 2 BGB haften (Täuschung über die Bereitschaft zum Vertragsabschluss).202 Der Schaden des „mitgezogenen“ Bieters dürfte insbesondere in seinen frustrierten Aufwendungen im weiteren Verlauf des Auktionsverfahrens liegen. Der Ausschluss eines Bieters oder die ungleiche Zur-Verfügung-Stellung von Informationen dürfte dann keine Haftung nach §§ 311 Abs. 2, 241 Abs. 2 BGB begründen, wenn sich der Verkäufer dies – wie üblich – im Process Letter203 vorbehalten hat.204
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Der Verkäufer ist zwar (auch außerhalb eines Bieterverfahrens) verpflichtet, einem Bieter (wie jedem Kaufinteressenten) wesentliche unternehmensbezogene Informationen offenzulegen,205 eine darüber hinausgehende Pflicht des Verkäufers, die Bieter informationell gleich zu behandeln, besteht aber nicht. Der Verkäufer ist daher nicht verpflichtet, allen Bietern Antworten zu gezielten Fragen einzelner Bieter etwa im vorvertraglichen Auskunftsprozess (Q&A-Process)206 zur Verfügung zu stellen.207
184 Voß, in: Knott, Unternehmenskauf, XI Rn. 751. 185 Vgl. Rosengarten, in: Meyer-Sparenberg/Jäckle, Beck’sches M&A-Handbuch, § 3 Rn. 2. 186 Dazu Weißhaupt, ZHR 185 (2021), 91, 117f.: Durch Bieterverfahren lässt sich der Marktpreis simulieren. 187 Vgl. Rosengarten, in: Meyer-Sparenberg/Jäckle, Beck’sches M&A-Handbuch, § 3 Rn. 3. 188 Haberstock, in: Holzapfel/Pöllath, Unternehmenskauf in Recht und Praxis, Rn. 1299. 189 Rosengarten, in: Meyer-Sparenberg/Jäckle, Beck’sches M&A-Handbuch, § 3 Rn. 3. 190 Wohl ganz herrschende Meinung, vgl. nur Fleischer, in: FS Vetter, S. 137, 146ff. 191 Dazu unten Rn. 112. 192 Zuerst Louven/Böckmann, ZIP 2004, 445ff.; ferner Habersack/Schürnbrand, in: FS Canaris, S. 359. 193 Einen sehr guten Überblick geben Schöne/Uhlendorf, in: Mehrbrey, Handbuch Streitigkeiten beim Unternehmenskauf, § 7. 194 Vgl. allerdings den Bericht von Pörnbacher und Melzer zur Auswertung von Post-M&A-Streitigkeiten vor DIS-Schiedsgerichten in Drygala/Wächter, Verschuldenshaftung, Aufklärungspflichten, Wissens- und Verhaltenszurechnung bei M&A-Transaktionen, S. 215ff. 195 Henssler, in: FS Hopt, S. 113, 132f.; Louven/Böckmann, ZIP 2004, 445, 449; Haberstock, in: Holzapfel/Pöllath, Unternehmenskauf in Recht und Praxis, Rn. 1317. 196 So auch Schöne/Uhlendorf, in: Mehrbrey, Handbuch Streitigkeiten beim Unternehmenskauf, § 7 Rn. 7. 197 Louven/Böckmann, ZIP 2004, 445, 446; Schöne/Uhlendorf, in: Mehrbrey, Handbuch Streitigkeiten beim Unternehmenskauf, § 7 Rn. 9 m.w.N. 198 Louven/Böckmann, ZIP 2004, 445, 450. 199 Dazu Schöne/Uhlendorf, in: Mehrbrey, Handbuch Streitigkeiten beim Unternehmenskauf, § 7 Rn. 16 a.E. 200 Louven/Böckmann, ZIP 2004, 445, 448. 201 Schöne/Uhlendorf, in: Mehrbrey, Handbuch Streitigkeiten beim Unternehmenskauf, § 7 Rn. 16; anders: Louven/Böckmann, ZIP 2004, 445, 448: nur bei Kenntnis oder grob fahrlässiger Unkenntnis des Verkäufers. 202 Louven/Böckmann, ZIP 2004, 445, 449f. 203 Dazu unten Rn. 136. 204 Louven/Böckmann, ZIP 2004, 445, 451. 205 Dazu unten Rn. 228. 206 Dazu unten Rn. 220. 207 Louven/Böckmann, ZIP 2004, 445, 451.
3.4 Abschluss Vertraulichkeitsvereinbarungen/NDAs
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Gerade bei Bieterverfahren wird der Verkäufer angesichts der Vielzahl der Beteiligten sowie der Dauer des Verfahrens besonderen Wert auf Vertraulichkeit des Verkaufsprozesses und Schutz vor der Offenlegung der Geschäftsgeheimnisse der Zielgesellschaft legen.208 Vertraulichkeitsvereinbarungen haben deshalb hier eine im Vergleich zu bilateralen Verhandlungen, bei denen sie ebenfalls regelmäßig abgeschlossen werden, besondere Bedeutung und verdienen besondere Aufmerksamkeit (die ihnen nicht immer zuteil wird209).
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Oft ist die Vertraulichkeitsvereinbarung die erste Vereinbarung, die die Parteien im Rahmen einer Transaktion treffen.210 Ihre Bedeutung dürfte durch das Inkrafttreten des Gesetzes zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen (GeschGehG) vom 26.4.2019211 und das Erfordernis „angemessener Geheimhaltungsmaßnahmen“ sogar noch zunehmen.212
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Auch als Instrument zur Verhinderung kartellrechtswidrigen Informationsaustauschs hat sie große