Praxiswissen für Kommunalpolitiker. Franz Dirnberger

Praxiswissen für Kommunalpolitiker - Franz Dirnberger


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      Motive für interkommunale Allianzen sind vor allem Effizienz und Wirtschaftlichkeit. Zusammen geht manches besser als alleine. Aber, auch wenn das nahe liegt, in vielen Fällen begrenzt der Kirchturm den Mut zur Kooperation. Denn Zusammenarbeit bedeutet Vertrauen und das gemeinsame Bestreben der Teilnehmer allen im wechselseitigen Respekt Win-win-Situationen einzuräumen und die Arbeitsgeschwindigkeit des neuen Konsortiums nicht am Langsamsten auszurichten.

      Gerade für kleinere Kommunen oder solchen mit finanziellen Engpässen, bieten sich partnerschaftliche Aufgabenbewältigungsformen an. Die Möglichkeiten sind vielseitig. Gemeinsame Sportanlagen, gemeinsame Wassergewinnung oder Abwasserbeseitigung, gemeinsame Nahverkehrslösungen, gemeinsame Schulen, gemeinsame Müllverwertung usw. – all das ist möglich.

      Gemeinsame Bürgermeister sind allerdings tabu! Auch hier ziehen Selbstverwaltungsrecht und Gesetze Grenzen.

      Wichtig!

      Kann eine Kommune eine Pflichtaufgabe nicht aus eigenen Mitteln sicherstellen, so hat sie sich der Formen der kommunalen Zusammenarbeit zu bedienen (Art. 57 Abs. 3 GO).

      Man sollte wissen, dass sich ehemals rein örtlichen Aufgaben zu überörtlichen entwickelt haben und damit ein Zuständigkeitswechsel zur größeren Gebietseinheit eingetreten ist. Das gilt zum Beispiel im Bereich der Müllentsorgung. Vgl. auch Art. 4 Abs. 1 LKrO, Art. 4 Abs. 1 BezO.

      Bund und Länder haben in den vergangenen Jahren ständig neue Aufgaben geschaffen, die von der kommunalen Ebene wahrzunehmen sind. Zu nennen sind unter vielen das Recht auf verpflichtende Betreuung der 0- bis 10-Jährigen, die permanente Erweiterung sozialer Leistungsrechte, die vielschichtige Aufgabe der Inklusion und Integration. All das lässt finanzielle Belastung explosionsartig wachsen und führt zu überproportionalen Steigerungen der Umlagen. Aufgabenmehrung und Umlagebelastung schmälern die freien Finanzspannen der kleineren Gemeinden, denn die Einnahmen stiegen in den vergangenen Jahren weit geringer als die Ausgaben.

      Die Bürger sind heute sehr anspruchsvoll und immer mehr auf ihre eigenen subjektiven Belange fokussiert, die sie auch verstehen laut und nachhaltig zu artikulieren. Erwartet wird vor allem eine nachfrageorientierte, sich den wechselnden Bedürfnissen ständig anpassende Betreuungsinfrastruktur, angemessene Vorsorge und Betreuung der Senioren, bezahlbares Wohnen, ein modernes und leistungsfägiges Datennetz und moderne Online-Angebote. Dabei stehen die Kommunen auch aufgrund der vernetzten und jederzeit abrufbaren Daten unabhängig von ihrer individuellen Leistungsfähigkeit ständig im interkommunalen „Wettbewerb“, der eher ein Vergleichskampf ist.

      Der Druck auf die Kommunen wächst. Wer in einer digitalen Gesellschaft im demokratischen Strukturwandels bestehen will, muss der vielfältigen Konkurrenz der anderen Standorte trotzen können. Dazu braucht es ausreichend Kapital, das in vielen Fällen aufgrund der wirtschaftlichen Standortstrukturen nicht zur Verfügung steht und auch künftig nicht zur Verfügung stehen wird.

      Die Bundes- und Landes-Politik wird sich in diesem Kontext rechtzeitig die Frage stellen müssen, ob die Möglichkeiten der kommunalen Zusammenarbeit ausreichen um gerade in den kleinteilig strukturierten Ländern all das zur Verfügung zu stellen, was die Bürger erwarten. Das Bekenntnis zu gleichwertigen Lebensbedingungen allein wird jedenfalls nicht reichen, um diese Gleichwertigkeit auch tatsächlich herzustellen.

      Es wundert nicht, dass Stimmen laut werden, die eine funktionale Reform für wahrscheinlich halten. Deutlich artikuliert wird das aufgrund der politisch sehr negativen Auswirkungen der Gebietsreform der 70er-Jahre allerdings nur unter vorgehaltener Hand.

      Objektiv ist die Frage völlig berechtigt, ob kleinteilige Kommunalstrukturen und der damit verbundene organisatorische Aufwand zeitgemäß sind, und das abbilden können, was eine moderne Bürgergesellschaft verlangt.

      Es wäre sicher auch interessant zu ergründen, ob sich die sozialpolitische Einstellung der Bürger nicht zwischenzeitlich grundlegend verändert hat. Was steht aus Sicht der Bürger wirklich an erster Stelle: Ist es die die lokalpatriotische, schollengebundene Identität, die die politische Eigenständigkeit einer Kommune über alles stellt? Oder ist es eher die Pluralität des Angebotes an Leistungen, der Wunsch nach modernem Lifestyle auch außerhalb der Metropole?

      Wer nachhaltig, strategisch und zukunftsorientiert denkt und den Mut entwickelt, herkömmliche Denkprozesse zu sprengen, wer dabei die Formen der kommunalen Zusammenarbeit nutzt, der wird politisch Richtungsweisendes bewegen.

      Im Folgenden stellen wir ihnen verschiedene privatrechtliche und öffentlich-rechtliche Konstruktionen vor. Grundlage jeder Zusammenarbeit ist immer ein Vertrag zwischen den beteiligten Kommunen.

      Gebräuchlich sind alle Rechtsformen, die das Privatrecht kennt: Von der BGB-Gesellschaft über die GmbH, die AG bis zum eingetragenen Verein, der Gesellschaft der OHG und KG. Zunehmend ist auch die GmbH und Co. KG gebräuchlich. Zu beachten ist insoweit, dass bei den privatrechtlichen Konstrukten eine eigenständige, von der Kameralistik abweichende kaufmännische Buchführung notwendig ist. Die intensive kosten-/nutzenorientierte Prüfung und Abklärung mit der zuständigen Aufsichtsbehörde ist vor jeder Entscheidung, in welcher Form man Aufgaben erfüllen möchte, zu empfehlen.

      Natürlich geht die Übertragung von Aufgaben an eine Gesellschaft – wie diese auch immer konstruiert sein mag – mit der Abgabe von Kompetenzen, etwa des Gemeinderats, einher. Besonders wichtig ist deshalb gerade bei privatrechtlichen Organisationsformen, dass durch Gesellschafterversammlung und Aufsichtsrat die demokratische Legitimation erhalten bleibt. Dies kann durch Entsendung von Mandatsträgern sichergestellt werden. Vgl auch Art. 86 ff. BayGO.

      Wenn Aufgaben vorübergehend gemeinam erledigt werden sollen bietet sich die öffentlich-rechtliche Arbeitsgemeinschaft an. Sie sind die lockerste Form der kommunalen Zusammenarbeit. Nähere Regelungen finden sich in Art. 4–6 KommZG.

      Die Arbeitsgemeinschaften sind besonders zur Koordination überörtlich wirksamer Infrastruktureinrichtungen geeignet. Die Anlage von Rad- und Wanderwegen seien als Beispiel genannt.

      Durch Gründung einer „besonderen Arbeitsgemeinschaft“ kann vereinbart werden, dass die Beschlussgremien der Beteiligten an die Entscheidungen der Arbeitsgemeinschaft gebunden sind. Die Vereinbarung muss schriftlich abgefasst werden, die zuständige Aufsichtsbehörde ist hinzuzuziehen.

      Die Zweckvereinbarung zielt unmittelbar auf eine gemeinsame Aufgabenerfüllung ab, z. B. werden Ruf- und Bereitschaftsdienste der Wasserwerksmitarbeiter zwischen drei Gemeinden koordiniert (Art. 7–16 KommZG). Es besteht Schriftformzwang. Der Abschluss der Vereinbarung ist der Aufsichtsbehörde anzuzeigen. Für bestimmte Fälle bedarf es einer Genehmigung.

      Mit Bildung eines Zweckverbandes, z. B. zum Betrieb eines Kurbads oder zur Pflege von Gewässern entsteht eine neue Rechtspersönlichkeit als Körperschaft des öffentlichen Rechts. Übertragen wird dem Zweckverband eine oder mehrere Aufgaben, z. B. die Wasserversorgung oder die Wasser- und Abwasserentsorgung. Alle Befugnisse und Pflichten gehen auf den Zweckverband über. Die Instandhaltungspflicht trifft dann den Zweckverband, ebenso die Gebührenerhebung, also alle Aufgaben, die mit der übertragenen Sache zusammenhängen.

      Die Grundlage bildet die Verbandssatzung (Art. 17 f. KommZG).

      Die Hauptorgane des Zweckverbandes sind Verbandsversammlung und Verbandsvorsitzender. Wird eine Aufgabe des eigenen Wirkungskreises auf einen Zweckverband übertragen, überträgt die Gemeinde damit auch einen Teil ihres Selbstverwaltungsrechts.


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