Praxis des Bußgeldverfahrens im Kapitalmarktrecht. André-M. Szesny
Das Fachreferat hat bei einem festgestellten Verstoß zusätzlich oder alternativ die Möglichkeit, das Verfahren an das zur Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten im Bereich der Wertpapieraufsicht zuständige Referat WA 17 abzugeben.[9] Gegenüber dem Aufsichtsverfahren dient das (zumindest auch) repressive[10] Bußgeldverfahren der Ahndung von in der Vergangenheit liegenden, bußgeldbewehrten Verstößen gegen kapitalmarktrechtliche Vorschriften. Die BaFin hat bei der Verfolgung und Ahndung die Grundsätze des Bußgeldverfahrens zu beachten, wie etwa den Opportunitätsgrundsatz (§ 47 OWiG) und die Unschuldsvermutung.
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Wegen der „Doppelrolle“ der BaFin als Aufsichts- und Bußgeldbehörde muss sichergestellt sein, dass durch die Ausübung der weitreichenden Eingriffsbefugnisse im Aufsichtsverfahren die Rechte des Betroffenen im Bußgeldverfahren nicht unterlaufen werden (sog. Verbot der Rollenvertauschung).[11] Diesem potenziellen Spannungsverhältnis begegnet die BaFin mit organisatorischen Maßnahmen. So ist das für die Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten zuständige Bußgeldreferat WA 17 personell und sachlich getrennt von den im Aufsichtsverfahren tätigen Fachreferaten.[12] Die Vorgänge im Aufsichts- und Bußgeldverfahren werden in der Konsequenz gesondert veraktet. Der Gesetzgeber hat im Übrigen normative Vorkehrungen getroffen, um die Betroffenenrechte des Verpflichteten im Aufsichtsverfahren zu schützen. So bleiben gem. § 6 Abs. 3 S. 3 WpHG gesetzliche Auskunfts- und Aussageverweigerungsrechte und gesetzliche Verschwiegenheitspflichten im Aufsichtsverfahren unberührt.
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Neben die Maßnahmen im klassischen Aufsichts- und Bußgeldverfahren sind aufgrund europarechtlicher Vorgaben weitere Befugnisse getreten, deren Einordnung als (eher) präventiv oder (eher) ahndend nicht immer leichtfällt. So enthalten insbesondere die Abs. 6–10 des § 6 WpHG sanktionsrechtliche Verwaltungsmaßnahmen, die der BaFin als retrospektive Reaktionsmöglichkeiten auf vergangene Verstöße zur Verfügung stehen (siehe zu den hier sog. Verwaltungssanktionen Rn. 1006 ff.).
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Schließlich sind die allgemeinen Verwaltungsmaßnahmen, Zwangsmittel, Verwaltungssanktionen und Geldbußen bei Vorliegen der Voraussetzungen jeweils in einem eigenen Verfahren öffentlich bekanntzumachen, siehe insb. §§ 124 ff. WpHG. Dies kann dem Schutz und der Information von Anlegern und Öffentlichkeit dienen, aber auch eine Prangerwirkung für genannten Personen erzeugen (siehe hierzu Rn. 1094 ff.).
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Die Rechtsnatur von Verwaltungssanktionen[13] und öffentlichen Bekanntmachungen[14] ist insoweit nicht eindeutig: abhängig von der konkreten Maßnahme weisen sie sowohl präventive als auch repressive Elemente auf. Behördenintern ist die zentrale Zuständigkeit für die Verhängung von Geldbußen, Verwaltungssanktionen und deren öffentliche Bekanntmachung insgesamt im Bußgeldreferat der BaFin-Wertpapieraufsicht (WA 17) gebündelt.
1. Kapitel Das Bußgeldverfahren der Wertpapieraufsicht
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Die BaFin ist für die Verfolgung und Ahndung von Ordnungswidrigkeiten nach dem WpHG (§ 121 WpHG), dem WpÜG (§ 61 WpÜG), dem WpPG (§ 24 Abs. 9 WpPG) und nach dem VermAnlG (§ 29 Abs. 4 VermAnlG) sachlich zuständig. Sie ist insoweit Verwaltungsbehörde i.S.d. § 36 Abs. 1 Nr. 1 OWiG. Ist einer der genannten Ordnungswidrigkeiten Bezugstat einer Aufsichtspflichtverletzung gem. § 130 OWiG, ist die BaFin auch für die Verfolgung und Ahndung dieser Ordnungswidrigkeit zuständig (§ 131 Abs. 3 OWiG).
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Die örtliche Zuständigkeit der BaFin erstreckt sich auf das gesamte Gebiet der Bundesrepublik Deutschland und deckt sich damit mit dem Geltungsbereich des OWiG.[1]
A. Verhältnis von Aufsichts- und Bußgeldverfahren
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Die BaFin kann das Aufsichtsverfahren parallel zum Bußgeldverfahren durchführen, vgl. § 11 S. 4 WpHG (arg a maiore ad minus). Die den Verpflichteten im Aufsichtsverfahren treffenden Mitwirkungspflichten, z.B. nach einem Auskunfts- und Vorlageersuchen („AuV“) gem. § 6 Abs. 3 WpHG, können dabei mit seinen strafprozessualen Rechten als Betroffener im Bußgeldverfahren kollidieren.
I. Kollisionsgefahren im Aufsichtsverfahren
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Die zeitgleiche Durchführung von Aufsichts- und Bußgeldverfahren findet in praxi nicht statt.[2] Sobald der Vorgang wegen des Verdachts einer Ordnungswidrigkeit von den zuständigen Fachreferaten an das Bußgeldreferat abgeben wird, unternehmen die Fachreferate typischerweise keine weiteren Maßnahmen zur Sachverhaltsaufklärung im Aufsichtsverfahren.[3]
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Die Kollisionsgefahr besteht hingegen im Aufsichtsverfahren, also noch bevor das Bußgeldverfahren formell eingeleitet worden ist. Ergeben sich dort Anhaltspunkte für die Begehung einer Ordnungswidrigkeit, hat die BaFin insbesondere die verfassungsrechtlich geschützte Selbstbelastungsfreiheit (nemo tenetur se ipsum accusare) natürlicher Personen zu beachten (vgl. § 6 Abs. 3 S. 3 WpHG). Die mitwirkungspflichtige natürliche Person darf nicht gezwungen werden, sich durch ihre eigene Aussage straf- bzw. bußgeldrechtlich zu bezichtigen oder an ihrer eigenen Überführung aktiv mitzuwirken (Verbot des Selbstbezichtigungszwanges).[4] Zu diesem Schutz steht ihr ein im Aufsichtsverfahren geregeltes Auskunftsverweigerungsrecht zu, das zur Nichtbeantwortung einzelner Fragen im Aufsichtsverfahren berechtigt. Gemäß § 6 Abs. 15 S. 1 WpHG kann der Verpflichtete die Auskunft auf solche Fragen verweigern, deren Beantwortung ihn selbst oder einen der in § 383 Abs. 1 Nr. 1-3 der Zivilprozessordnung bezeichneten Angehörigen (z.B. Ehepartner) der Gefahr strafgerichtlicher Verfolgung oder eines Verfahrens nach dem Gesetz über Ordnungswidrigkeiten aussetzen würde. Hierüber muss die BaFin den Verpflichteten gem. § 6 Abs. 15 S. 2 WpHG im Aufsichtsverfahren belehren.
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Seit Januar 2018 (2. FiMaNoG) ist die BaFin gem. § 6 Abs. 15 S. 2 WpHG verpflichtet, den Verpflichteten alternativ über das dem Beschuldigten bzw. Betroffenen im Straf- und Ordnungswidrigkeitenrecht zustehende Aussageverweigerungsrecht zu belehren.[5] Im Unterschied zum Auskunftsverweigerungsrecht ist das Aussageverweigerungsrecht umfassend und berechtigt nicht nur zur Nichtbeantwortung einzelner Fragen, sondern zur vollständigen Verweigerung der Aussage.
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Die Vorschrift des § 6 Abs. 15 S. 2 WpHG („Auskunft oder Aussage“) verlangt im Aufsichtsverfahren von der BaFin somit die Prüfung, ob der Verpflichtete noch bloßer „Tatverdächtiger“ ist (dann Belehrung über das Auskunftsverweigerungsrecht nach WpHG ausreichend), oder schon Beschuldigter einer Straftat oder Betroffener einer Ordnungswidrigkeit (dann Belehrung über das Aussageverweigerungsrecht nach StPO notwendig). Die Belehrungspflicht über das Aussageverweigerungsrecht besteht, sobald der Verpflichtete den Status eines Betroffenen erlangt hat. Den Betroffenenstatus kann der Verpflichtete dabei nicht erst dann erlangen, wenn das Bußgeldreferat der BaFin gegen ihn ein förmliches Bußgeldverfahren eingeleitet hat.[6] Nach ständiger Rechtsprechung des BGH kann bereits die objektive Stärke des