Grundlagen des Internationalen Steuerrechts. Sebastian Korts
betreffend das Country-by-Country Reporting; er enthält weiterhin Anpassungen im Bereich der Unternehmensstrukturierungen sowie eine Überarbeitung der „safe habours“-Regelungen in Kapitel IV. Weiterer Bestandteil ist eine überarbeitete Empfehlung des OECD-Rates zur Ermittlung von Verrechnungspreisen zwischen verbundenen Unternehmen, die auf die Bekämpfung von Gewinnverkürzung und Gewinnverlagerung von multinationalen Unternehmen abzielt.
Im Juni 2018 wurden mit den „Überarbeiteten Leitlinien zur Anwendung der geschäftsvorfallbezogenen Gewinnaufteilungsmethode“ die bisherigen Ausführungen von Kapitel II, Teil III, Abschnitt C der OECD-Verrechnungspreisrichtlinien ersetzt.46
b) Einkünftekorrektur nach § 1 AStG
Eine entsprechende Anwendung der Verrechnungspreisgrundsätze zwischen Betriebsstätte und Unternehmen aufgrund anzunehmender schuldrechtlicher Beziehungen (dealings) kann zur Folge haben, dass eine Betriebsstätte Gewinne erzielt, obwohl das Unternehmen insgesamt Verluste hinnehmen muss (sogar dann, wenn das Unternehmen insgesamt nie einen Gewinn erzielt), dass eine Betriebsstätte Verluste hinnehmen muss, auch wenn das Unternehmen insgesamt Gewinne erzielt und/oder dass es zu Abweichungen der Summe der Einzelergebnisse verschiedener Betriebsstätten vom Gesamtergebnis des Unternehmens kommt (z.B. dadurch, dass steuerlich aufgrund der angesetzten Preise stille Reserven aufgedeckt werden, die das Unternehmen insgesamt bilanziell noch nicht realisiert hat).47
Die Vorgehensweise bei der Einkunftsabgrenzung nach § 1 AStG ähnelt der Vorgehensweise nach dem AOA (Authorised OECD Approach) des Art. 7 OECD-MA 2010:
In einem ersten Schritt werden im Rahmen einer Funktionsanalyse auf Basis der Selbstständigkeitsfiktion der Betriebsstätte Personalfunktionen, Vermögenswerte, Chancen und Risiken sowie ein angemessenes Dotationskapital der Betriebsstätte zugeordnet. Diese Vorgehensweise soll es ermöglichen, für die Betriebsstätte eine steuerliche Nebenrechnung zu erstellen, die für die Gewinnaufteilung bzw. Gewinnermittlung in Betriebsstätten-Fällen inhaltlich der Bilanz eines eigenständigen Unternehmens entspricht. In einem zweiten Schritt werden auf der Grundlage dieser Zuordnung die Art der Geschäftsbeziehungen zwischen dem Unternehmen und der Betriebsstätte sowie die Verrechnungspreise für diese Geschäftsbeziehungen unter Beachtung der OECD-Verrechnungspreislinien bestimmt. Dies gilt auch im Verhältnis zwischen Stammhaus und ständigem Vertreter.
Ziel dieser Funktionsanalyse ist es, die von unabhängigen und verbundenen Unternehmen ausgeübten oder auszuübenden wirtschaftlich erheblichen Tätigkeiten und Verantwortungen, verwendeten Vermögenswerte und übernommenen Risiken festzustellen und zu vergleichen. Dargestellt wird auch die wirtschaftliche Bedeutung der Funktionen, d.h. die Häufigkeit und die Art der gegebenenfalls eingesetzten oder einzusetzenden Wirtschaftsgüter sind zu berücksichtigen. Die Übernahme eines höheren Risikos führt unter fremden Dritten regelmäßig zu einem höheren erwarteten Ertrag. Folglich muss auch bei konzerninternen Geschäften eine positive Korrelation zwischen Risiko und Ertrag bestehen.48
c) Methoden zur Verrechnungspreisbestimmung
Bei den Methoden zur Bestimmung von Verrechnungspreisen wird unterschieden zwischen den Standardmethoden und den gewinnorientierten Methoden.
Zu den Standardmethoden gehören:49
– Preisvergleichsmethode (Comparable uncontrolled price method),
– Wiederverkaufspreismethode (Resale price method),
– Kostenaufschlagsmethode (Cost plus method).
Zu den gewinnorientierten Methoden gehören
– Gewinnaufteilungsmethode (Profit split method),
– Transaktionsbezogene Netto-Margen-Methode (Transactional net margin method).
Das Verhältnis der Methoden zueinander regelt § 1 Abs. 3 Sätze 1 bis 4 AStG; ab dem Veranlagungszeitraum 2022 geregelt in § 1 Abs. 3 bis 3c AStG.50
Gemäß § 1 Abs. 5 Satz 8 AStG soll die nationale Besteuerung grenzüberschreitender Betriebsstätten-Fälle nach einer einheitlichen Regelung erfolgen. Es handelt sich bei dieser Vorschrift um einen sog. Reverse Treaty override, also eine Umkehrung der Hinwegsetzung über Völkerrecht durch nationale Regelung. Nach dieser Neuregelung hat ein geltendes DBA (nur) dann Vorrang vor den Regelungen des § 1 Abs. 5 Sätze 1 bis 7 AStG, soweit der Steuerpflichtige nachweist, dass der andere DBA-Staat sein Besteuerungsrecht dem DBA entsprechend ausübt und deshalb die Anwendung der Sätze 1 bis 7 zu einer Doppelbesteuerung führen würde. Dadurch soll eine Doppelbesteuerung durch die Anwendung eines DBA vermieden werden. Es soll gleichzeitig keine Ausweitung der deutschen innerstaatlichen Besteuerungsrechte einseitig zulasten des anderen Vertragsstaats entstehen.
Die Bestimmung der Höhe von Lizenzgebühren wird nach der Preisvergleichsmethode durch die Lizenzkartei des Bundeszentralamtes für Steuern oder andere veröffentlichte Lizenzgebührensammlungen vorgenommen. Im Rahmen einer gewinnorientierten Methode wird die sogenannte Knoppe-Formel diskutiert.51 Dabei erhält der Lizenzgeber einen Anteil von 25 % bis 33 1/3 % des kalkulierten Gewinns des Lizenznehmers aus der Lizenzkalkulation ohne Berücksichtigung der Lizenzvergütung. Hinzuweisen ist auf die Überlegung, dass Schadensersatzansprüche bei Verletzungen von Lizenzvereinbarungen eine Kalkulationsgrundlage sein können.52
Für die Ermittlung fremdüblicher Darlehenszinssätze bei Gesellschafterdarlehen ist als vorrangige Verrechnungspreismethode die Preisvergleichsmethode anzuwenden und zu prüfen, ob so die Vergleichswerte ermittelt werden können. Das gilt auch für unbesichert gewährte Konzerndarlehen und unabhängig davon, ob die Darlehen von der Muttergesellschaft oder von einer als Finanzierungsgesellschaft fungierenden anderen Konzerngesellschaft gewährt worden sind.53
4. Funktionsverlagerung
a) Einleitung
Die gesetzliche Regelung zur Funktionsverlagerung findet sich in § 1 Abs. 3 Satz 9 bis 12 AStG a.F; ab Veranlagungszeitraum 2022 in § 1 Abs. 3b, c AStG n.F.54
Zur alten Fassung: Hierbei handelt es sich um die Voraussetzungen und Rechtsfolgen hinsichtlich des zu versteuernden Wertes einer Funktionsverlagerung. Besteuert wird die betriebliche Funktion, die in das Ausland verlagert wird. Während Satz 9 den Grundsatz bildet, wonach eine zusammengefasste Bewertung der übertragenen Funktion als Ganzes („Transferpaket“) zu erfolgen hat, stellt Satz 10 die Ausnahme dar und beschreibt, unter welchen Voraussetzungen die Ermittlung aufgrund der sich für die einzelnen übergehenden Wirtschaftsgüter ergebenden Verrechnungspreise („Escape-Klausel“) erfolgen kann. Die Sätze 11 und 12 bilden weitere Regelungen für den Übergang von wesentlichen immateriellen Wirtschaftsgütern.
Zur neuen Fassung: Durch Gesetzesänderung55 sind mit Wirkung ab dem Veranlagungszeitraum 2022 u.a. die Ausnahmetatbestände der Escape-Klausel zu großen Teilen entfallen. Nach der neuen Gesetzeslage ist grundsätzlich die Transferpaketbetrachtung anzustellen, ausgenommen sind lediglich sogenannte Outsourcingfälle wie z.B. die Verlagerung auf einen Auftragsfertiger, § 3 Abs. 3b, c AStG n.F.
Weitere Konkretisierung erfährt die Funktionsverlagerung durch die Funktionsverlagerungsverordnung.56 Der Begriff der „Funktionsverlagerung“ ist dort definiert. § 1 FVerlV enthält in den ersten drei Absätzen Positivabgrenzungen der Funktionsverlagerung, während die Abs. 6 und 7 Negativabgrenzungen enthalten. Eine Funktion wird beschrieben als eine Geschäftstätigkeit, die aus einer Zusammenfassung gleichartiger betrieblicher Aufgaben besteht. § 1 Abs. 3 Satz 9 AStG (ab dem Veranlagungszeitraum 2022: § 1 Abs. 3b Satz 1 AStG57) setzt voraus, dass die Funktion einschließlich der Chancen und Risiken übertragen wird. Diskutiert wird über den Umfang des Begriffs der Geschäftstätigkeit. Die Finanzverwaltung legt diesen Begriff weit aus und ergreift