Das WIE der Pflegeversicherung 2016 für pflegebedürftige Babys, Kinder und Erwachsene. Dr. André Wieprecht
zudem leider häufig den Eindruck, dass selbst die, die Ahnung von dem Thema Pflegeversicherung haben müssten, meist wenig darüber wissen. Für Pflegebedürftige, Eltern von pflegebedürftigen Babys, Kindern und Jugendlichen sowie Angehörige von Pflegebedürftigen kann fehlendes praktisches Wissen vor allem aber finanzielle Folgen für die Pflege und die Pflegeplanung haben. Denn Pflege kostet nicht nur Zeit, sondern auch Geld.
Dieser Ratgeber will Ihnen das nötige Know-how zur Pflegeversicherung geben, damit Sie selber handeln und bestimmen können. Er ist wie ein Nachschlagewerk aufgebaut, so dass man die für sich relevanten Themen unabhängig voneinander lesen kann. Wir haben ein Kapitel über den Hintergrund der Pflegeversicherung vorangestellt. Vielen ist nicht bewusst, dass es rechtliche Formalien gibt, die bereits über eine Leistung mitentscheiden. Deshalb erweist es sich auch für den Laien als günstig, sich ein fundiertes Hintergrundwissen anzueignen. Im nächsten Kapitel werden die Voraussetzungen der Pflegebedürftigkeit und der erheblich eingeschränkten Alltagskompetenz näher beleuchtet. Es schließt sich ein Kapitel zur Begutachtung durch den Medizinischen Dienst der Krankenkassen (MDK) an. Dieser führt unter anderem die Prüfung der Pflegebedürftigkeit und die Einordung in eine Pflegestufe sowie die Feststellung der erheblich eingeschränkten Alltagskompetenz durch. Viele Pflegebedürftige und Angehörige haben ein mulmiges Gefühl, wenn sie auch nur an die Begutachtung durch den MDK denken. Diese Angst ist meist unbegründet und kann mit einer guten Vorbereitung überwunden werden. Im darauf folgenden Kapitel geht es allein um die Leistungen der Pflegeversicherung, wie zum Beispiel die Pflegesachleistungen, das Pflegegeld, die Verhinderungspflege und die zusätzliche Betreuungs- und Entlastungsleistungen. Diese Leistungen kommen nicht nur den Pflegebedürftigen zu Gute, sondern insbesondere auch den pflegenden Angehörigen. Sie werden durch die Leistungen der Pflegeversicherung von der meist anstrengenden und zeitintensiven Pflege etwas entlastet oder bekommen eine Anerkennung für ihre Tätigkeit, wie etwa beim Pflegegeld. In einem extra Kapitel schließen sich Ausführungen zu den Leistungen für die Pflegepersonen an. Ferner werden ihre Möglichkeiten zur Auszeit von der Arbeit durch das Pflegezeitgesetz und das Familienpflegezeitgesetz dargestellt. Diese Gesetze ermöglichen den Angehörigen zeitweise ihre Anstellung ruhen zu lassen beziehungsweise in Teilzeit zu arbeiten, um die Pflege zu übernehmen oder zu organisieren.
Außerdem kommt es oft vor, dass die Pflegekasse die beantragten Leistungen der Pflegeversicherung ablehnt. Man fragt sich dann häufig, was man tun kann, wenn der Antrag abgelehnt wurde. Wir haben daher diesem Thema ein eigenes Kapitel gewidmet. Schließlich wurde das Zweite Pflegestärkungsgesetz durch dem Deutschen Bundestag beschlossen. Die Änderungen, die zum 01.01.2016 in Kraft getreten sind, wurden bereits in dieses Buch eingearbeitet. Die wesentlichen Neuerungen, die Einführung eines neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs und von fünf Pflegegraden statt drei Pflegestufen sowie eines angepassten neuen Begutachtungsverfahrens, treten erst am 01.01.2017 in Kraft. Diese Änderungen führen bei vielen Pflegebedürftigen zur Verunsicherung. Dies hängt meist damit zusammen, dass noch zu wenig über die Reformen informiert wurde. Fragen, wie zum Beispiel, was passiert mit der alten Pflegestufe und den Leistungen und ob noch ein weiteres Gutachten durch den MDK durchgeführt werden muss, stehen im Vordergrund und werden in einem Ausblick auf das Zweite Pflegestärkungsgesetz und seinen Änderungen zum 01.01.2017 beantwortet.
Wir haben bei unseren Ausführungen wert darauf gelegt, diese übersichtlich und verständlich zu gestalten. Dafür haben wir Beispiele, Erfahrungen aus der Praxis, Schreibtipps und Tabellen eingefügt. Außerdem fanden wir es wichtig, die Ausführungen mit den entsprechenden Paragraphen zu unterlegen. Die Paragraphen können bei Bedarf im Internet oder in einem Gesetzestext zum Sozialgesetzbuch nachgelesen werden. Es ist leider häufig festzustellen, dass einem nicht geglaubt wird, wenn man nicht weiß, wo es steht. Zudem ist die eigene Position durch den gesetzlichen Beweis gegenüber den Mitarbeitern der Pflegekasse und teilweise der Krankenkasse besser und man lässt sich nicht so leicht verunsichern. Handeln Sie also selbst und nehmen Sie Ihre oder die Pflege des Pflegebedürftigen in die Hand.
Annett Wieprecht-Kotzsch und
Dr. André Wieprecht
Dresden, im Januar 2016
Wichtiger Hinweis zum Buch und Haftungsausschluss
Wir haben das Buch nach bestem Wissen und mit größter Sorgfalt geschrieben. Es enthält Gedanken, Beurteilungen und Anregungen, die die Meinung beziehungsweise die Erfahrungen der Verfasser wiederspiegeln. Sie bieten jedoch keinen Ersatz für eine individuelle Beratung, zum Beispiel durch einen Rechtsanwalt. Die Leser sind daher für ihr eigenes Tun oder Lassen weiterhin verantwortlich. Eine Haftung der Autoren für eventuelle Nachteile oder Schäden, die aus dem Inhalt des Buches resultieren, kann nicht übernommen werden.
Außerdem haben wir aus Gründen der besseren Lesbarkeit die männliche Form gewählt. Es sollen sich jedoch immer beide Geschlechter angesprochen fühlen.
Annett Wieprecht-Kotzsch
Dr. André Wieprecht
Dresden, im Januar 2016
A. Wie funktioniert die Pflegeversicherung?
Die Pflegeversicherung als 5. Säule der Sozialversicherungen
Die Pflegebedürftigkeit von Menschen allen Alters, ob Babys, Kinder oder Erwachsene wird immer mehr zur Herausforderung in Deutschland. Die Kosten für eine stationäre Pflege können zum Beispiel häufig nicht mehr allein von dem Ersparten oder der Rente getragen werden. Auch sonst kann eine Pflegebedürftigkeit zu erheblichen Einbußen des Pflegebedürftigen und dessen Familie führen. Deshalb trat Anfang 1995 die gesetzliche Pflegeversicherung in Kraft. Sie wird als fünfte Säule der Sozialversicherungen bezeichnet. Ihr Ziel ist es, dem Pflegebedürftigen die Führung eines selbstbestimmten menschenwürdigen Lebens vorrangig in seinem häuslichen Umfeld zu ermöglichen. Dabei hat er ein Wunsch- und Wahlrecht hinsichtlich der einzelnen Leistungen der Pflegeversicherung, sofern sie in einem angemessenen Verhältnis zu den Bedürfnissen der anderen Versicherten als Solidargemeinschaft stehen.
Scheinbare Überschneidung von Kranken- und Pflegeversicherung
Vor allem mit der Krankenversicherung gibt es scheinbare Überschneidungen. Diese sind meist das Ergebnis daraus, dass die Unterscheidung zwischen dem Begriff der Krankheit, wie ihn die gesetzliche Krankenversicherung verwendet, und dem Begriff der Pflegebedürftigkeit nach der sozialen Pflegeversicherung (dazu später) schwierig ist. Außerdem ist der Träger der Pflegeversicherung die Pflegekasse, die bei allen Krankenkassen errichtet ist. Dies ist dadurch begründet, dass nach § 1 Abs. 2 S. 1 SGB XI alle in den Schutz der sozialen Pflegeversicherung kraft Gesetz einbezogen werden, die in der gesetzlichen Krankenversicherung versichert sind. Somit sind grundsätzlich alle pflichtweise oder freiwillig in der gesetzlichen Krankenversicherung Versicherten von der Pflegeversicherung erfasst. Sie sind automatisch Pflichtversicherte in der sozialen Pflegeversicherung. Ein Vertragsschluss ist nicht notwendig. Die Pflegeversicherung folgt damit sinnbildlich der Krankenversicherung. Das führt meist zu dem Gedanken, dass die beiden Versicherungszweige vollständig zusammen gehören. Man sollte sie jedoch aus der Sicht des Pflegebedürftigen eher als sinnvolle Ergänzung sehen, um das volle Spektrum an notwendigen Leistungen zu erhalten.
Beispiele von Pflichtversicherten
Zu den Pflichtversicherten in der Pflegeversicherung gehören unter anderem nach §§ 20 Abs. 1, 25 SGB XI:
Arbeiter, Angestellte und zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigte (vgl. § 2 Abs. 2 Nr. 1 SGB IV),
Personen in der Zeit, für die sie Arbeitslosengeld nach SGB III erhalten,
grundsätzlich Personen, die Arbeitslosengeld 2 nach SGB II erhalten (Ausnahme Familienversicherung besteht, beachte § 25 SGB XI),
behinderte Menschen in anerkannten Werkstätten oder Blindenwerkstätten,
behinderte Menschen, die in