Das WIE der Pflegeversicherung 2016 für pflegebedürftige Babys, Kinder und Erwachsene. Dr. André Wieprecht

Das WIE der Pflegeversicherung 2016 für pflegebedürftige Babys, Kinder und Erwachsene - Dr. André Wieprecht


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      Mit der Mitgliedschaft in der Pflegekasse wird zwischen dem Pflegebedürftigen und der Versicherung ein gegenwärtiges oder zukünftiges öffentlich-rechtliches Schuldverhältnis begründet. Aus diesem Rechtsverhältnis resultieren für beide Seiten Rechte und Pflichten. Der Pflegebedürftige hat neben den klassischen Leistungsansprüchen auch Informations- und Beratungsansprüche gegenüber der Pflegekasse. Es handelt sich dabei um ein umfassendes Betreuungsverhältnis der Pflegekasse gegenüber dem Pflegebedürftigen. Ihm obliegen aber auch Mitwirkungspflichten gegenüber der Pflegekasse, die unter anderem in §§ 60 ff. SGB I aufgeführt sind.

      Der Pflegebedürftige, der Leistungen der Pflegeversicherung beantragt hat oder erhält, muss zum Beispiel folgende allgemeine Mitwirkungspflichten beachten:

       alle leistungserheblichen Tatsachen, wie zum Beispiel den Namen, das Alter, die Pflegestufe, und andere Leistungen von Sozialträgern sind anzugeben (vgl. § 60 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB I),

       Änderungen in den Verhältnissen, die für den Bezug der Leistung erheblich sind wie zum Beispiel, dass weniger oder kein Hilfebedarf mehr aufgrund der Besserung der Krankheit besteht, sind unverzüglich mitzuteilen (vgl. § 60 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGB I, § 50 SGB XI),

       Beweismittel, wie zum Beispiel ein Gutachten sind zu benennen und bei Verlangen der Pflegekasse vorzulegen (vgl. § 60 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 SGB I),

       auf Verlangen sind Vordrucke zu verwenden (vgl. § 60 Abs. 2 SGB I [Allerdings kann der Antrag selbst formlos erfolgen, so die obigen Ausführungen zum Antragserfordernis]),

       persönliches Erscheinen auf Verlangen der Pflegekasse (vgl. § 61 SGB I),

       sich Untersuchen lassen (vgl. § 62 SGB I),

       eine Heilbehandlung durchführen lassen (vgl. § 63 SGB I).

      Der Pflegebedürftige hat beim angeordneten persönlichen Erscheinen (vgl. § 61 SGB I) und bei durchzuführenden Untersuchungen (vgl. § 62 SGB I) die Möglichkeit einen Antrag auf Ersatz seiner Aufwendungen bei der Pflegekasse zu stellen. Der Aufwendungsersatz umfasst die notwendigen Auslagen, wie zum Beispiel das Busticket oder das verbrauchte Benzin, und den Verdienstausfall. Dabei ist jedoch der enge Rahmen des § 65a SGB I zu beachten. Die Aufwendungen sollen durch die Pflegekasse nur in einem angemessenen Umfang ersetzt werden. Somit darf der Pflegebedürftige keine übertriebenen finanziellen Forderungen stellen. Außerdem bekommt er nur die nachgewiesenen und dringend erforderlichen Aufwendungen erstattet.

      Die Pflegekasse kann den Pflegebedürftigen nicht zwingen, seinen Mitwirkungspflichten nachzukommen. Sie hat weder einen durchsetzbaren Anspruch noch die Möglichkeit, einen Schadensersatzanspruch bei Nichtbeachtung der Mitwirkungspflicht gegenüber dem Pflegebedürftigen geltend zu machen. Kommt der Pflegebedürftige, der eine Leistung der Pflegeversicherung beantragt oder erhält, den Mitwirkungspflichten nicht oder nicht vollständig nach, kann die Pflegekasse nur die Leistung bis zur Nachholung ganz oder teilweise versagen oder entziehen (vgl. § 66 SGB I). Die Pflegekasse hat den Pflegebedürftigen aber über diese Folgen schriftlich zu informieren und ihm für die Nachholung seiner Mitwirkungspflicht eine angemessene Frist zu setzen (vgl. § 60 Abs. 3 SGB I). Vergisst die Pflegekasse das, kann sie die Leistungen des Pflegebedürftigen nicht kürzen.

      Grenzen der Mitwirkung

      Die Mitwirkungspflichten des Pflegebedürftigen haben ihre Grenzen. Die Pflegekasse muss diese beachten, da sonst die Mitwirkungspflichten für den Pflegebedürftigen nicht gelten und er zum Beispiel seine bereits bewilligten Leistungen weiter erhält. Die Mitwirkungspflichten müssen vom Pflegebedürftigen nach § 65 Abs. 1 SGB I nicht erfüllt werden, wenn

       sie in keinem angemessenen Verhältnis zu der in Anspruch genommenen Pflegeversicherungsleistung stehen, d.h. der Aufwand ist für den Pflegebedürftigen höher als der Nutzen der Leistung. Es sollen zum Beispiel mehrere Gutachten oder Urkunden von ihm beschafft werden, die Leistung der Pflegeversicherung ist dagegen nur von geringem Wert.

       ihre Erfüllung dem Betroffenen aus einem wichtigen Grund nicht zugemutet werden kann. Dies können körperliche, seelische, geistige, familiäre oder soziale Gründe sein, die nach den Besonderheiten des Einzelfalls dem Pflegebedürftigen nicht zumutbar sind.

       die Pflegekasse sich mit einem geringeren Aufwand als der Pflegebedürftige die erforderliche Kenntnis zum Beispiel durch ein altes Gutachten oder Aussagen von Ärzten beschaffen kann.

       Außerdem muss der Pflegebedürftige sich keiner Behandlung oder Untersuchung unterziehen (vgl. § 65 Abs. 2 SGB I), wenn

       ein Schaden für sein Leben oder seine Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht ausgeschlossen werden kann,

       sie mit erheblichen Schmerzen verbunden ist oder

       ein erheblicher Eingriff in seine körperliche Unversehrtheit, wie zum Beispiel die Entnahme von Rückenmarkflüssigkeit (Lumbalpunktion), zu erwarten ist.

      Zum Schluss besteht nach § 60 Abs. 3 SGB I ein Verweigerungsrecht über Angaben von entscheidungserheblichen Tatsachen (vgl. § 60 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB I) oder Änderungen der Verhältnisse (vgl. § 60 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGB I) für die der Pflegebedürftige oder ihm nahestehende Personen strafrechtlich verfolgt werden können oder die eine Ordnungswidrigkeit darstellen. Dies gilt auch für die Zustimmung zur Erteilung von Auskünften und der Bezeichnung von Beweismitteln sowie der Vorlage von Beweisurkunden. Zu den nahestehenden Personen gehören

       der Verlobte,

       der Ehegatte, auch wenn die Ehe nicht mehr besteht,

       der Lebenspartner, auch wenn die Lebenspartnerschaft nicht mehr besteht oder diejenigen, die mit dem Pflegebedürftigen in gerader Linie verwandt oder verschwägert, in der Seitenlinie bis zum dritten Grad verwandt oder bis zum zweiten Grad verschwägert sind oder waren.

      Die Grenzen der Mitwirkungspflichten sind absichtlich sehr eng formuliert worden. Der Pflegebedürftige muss sie grundsätzlich nachweisen, was einigen Begründungsaufwand mit sich bringt. Außerdem ist jede Entscheidung eine Einzelfallentscheidung der Pflegekasse, was Platz lässt für Beurteilungsspielräume. Im Ergebnis kann sich kaum der Mitwirkungspflicht entzogen werden.

      Aus der Praxis

      Denken Sie immer daran, der Pflegebedürftige will etwas von der Pflegekasse. Natürlich handelt es sich um eine Versicherungsleistung. Die Pflegekasse bewilligt aber die beantragte Leistung. Behalten Sie deshalb die Grenzen der Mitwirkung im Kopf, wenn zum Beispiel zu den entscheidungserheblichen Tatsachen gerade ein Gutachten gemacht wurde. Dies gilt besonders deshalb, weil sich Gutachten widersprechen können. Sie haben keine Gewähr dafür, dass der nächste Gutachter die Sache ähnlich sieht. In diesem Fall müssen Sie auch einmal Nein sagen.

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