Klausurenkurs im Familien- und Erbrecht. Susanne Benner
I Nr. 5 eingreifen.
Nach § 1315 I Nr. 5 ist die Aufhebung der Ehe ausgeschlossen, wenn die Ehegatten im Fall des § 1314 II Nr. 5 nach der Eheschließung als Ehegatten miteinander gelebt haben[51].
Vorliegend haben sich D und R ineinander verliebt, sind im Jahr 2010 zusammen gezogen und haben darüber hinaus eine Familie gegründet. Mithin haben D und R, trotz ihres anfänglich entgegenstehenden Willens, nach ihrer Heirat als Ehegatten zusammen gelebt. Folglich ist der Ausschlussgrund des § 1315 I Nr. 5 erfüllt.
b) Ausschlussgrund i.S.v. Art. 226 I EGBGB
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Darüber hinaus könnte die Aufhebung der zwischen D und R geschlossenen Ehe auch aufgrund von Art. 226 I EGBGB ausgeschlossen sein. In Art. 226 I EGBGB heißt es, dass die Aufhebung einer vor dem 1. Juli 1998 geschlossenen Ehe ausgeschlossen ist, wenn sie nach dem bis dahin geltenden Recht nicht hätte aufgehoben oder für nichtig erklärt werden können.
Da das bis zu diesem Zeitpunkt geltende EheG von 1946 keine Regelung zur Scheinehe enthielt, kann die zwischen D und R im März 1998 geschlossene Ehe auch wegen Art. 226 I EGBGB nicht aufgehoben werden.
5. Ergebnis
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Eine Aufhebung i.S.d. §§ 1313 ff. kommt somit vorliegend nicht in Betracht.
II. Ergebnis
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Da eine Aufhebung der zwischen D und R im März 1998 wirksam geschlossenen Ehe nicht möglich ist, kann sich R nicht – ohne Scheidung einzureichen – von der Ehe lösen.
Exkurs/Vertiefung:
Neben der Normierung von Übergangsvorschriften zur Beantwortung der Frage, welches Recht auf „Altfälle“ angewendet werden muss, sofern es zu einer Änderung des geltenden Rechts gekommen ist, finden sich im EGBGB insbesondere auch Regelungen zum internationalen Privatrecht (IPR)[52].
Im Anwendungsbereich des EU-Rechts ist insbesondere Art. 3 Nr. 1 EGBGB zu beachten.
C. Bezifferung des Unterhaltsanspruches nach der Düsseldorfer Tabelle
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Fraglich ist, in welcher Höhe die Kinder P, A und V im Januar 2021 gegenüber ihrem Vater R unterhaltsberechtigt sind. Zugrunde zu legen ist insoweit die Düsseldorfer Tabelle, Stand: 1. Januar 2021, die zwar keine Gesetzeskraft hat, jedoch Unterhaltsrichtsätze ausweist. Die jeweils aufgeführten Beträge sind nach der Höhe des bereinigten Nettoeinkommens des Barunterhaltspflichtigen und nach dem Kindesalter gestaffelt.
Wie sich aus Nr. 1 der Anmerkungen der Düsseldorfer Tabelle ergibt, weist die derzeit geltende Tabelle (anders als früher, also vor dem Jahr 2010) den monatlichen Unterhaltsbedarf bezogen auf zwei Unterhaltsberechtigte aus. Sofern eine geringere oder größere Anzahl Unterhaltsberechtigter vorhanden ist, sind Ab- oder Zuschläge durch Einstufung in eine niedrigere oder höhere Gruppe vorzunehmen, wobei noch die Nr. 6 der Anmerkungen zu beachten ist.
Vorliegend verfügt D über eigene Einkünfte in ausreichender Höhe, so dass hier keine Ehegattenunterhaltsverpflichtung besteht. Da R jedoch drei unterhaltsberechtigte Kinder hat und nicht nur zwei, ist eine Einstufung des R in eine niedrigere Gruppe angemessen.
R, dessen bereinigtes Nettoeinkommen 3950,– € beträgt, ist somit nicht in Einkommensgruppe 7, sondern in 6 einzustufen, so dass er gegenüber P und A zu monatlichen Unterhaltszahlungen in Höhe von je 504,– € und gegenüber V in Höhe von 578,– € verpflichtet ist.
Da der Bedarfskontrollbetrag (vgl. Anmerkung 6), der eine gerechte Verteilung zwischen dem Einkommen des Unterhaltspflichtigen und den Unterhaltsberechtigten garantieren soll, bei Zahlung der bezifferten Unterhaltsbeträge nicht unterschritten wird, muss eine weitere Herabstufung des R in Gruppe 5 nicht erfolgen.
Repetitorium und Vertiefung
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I. Das Verlöbnis ist das ernsthafte wechselseitige Versprechen zweier Personen verschiedenen oder gleichen Geschlechts, künftig die Ehe miteinander eingehen zu wollen, wodurch ein familienrechtliches Gemeinschaftsverhältnis begründet wird[53]. Zum Verlöbnis, vgl. insbes.: §§ 1297, 1298 bis 1302.
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II. Zur Rechtsnatur eines Verlöbnisses werden unterschiedliche Auffassungen vertreten. Die insoweit vertretenen Theorien[54] können für die Frage relevant werden, ob ein wirksames Verlöbnis trotz beschränkter Geschäftsfähigkeit eingegangen werden kann.
1. Familienrechtliche Theorie (MM)
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Nach der familienrechtlichen Theorie ist das Verlöbnis ein Vertrag eigener Art (sui generis). Gefordert wird danach keine Geschäftsfähigkeit i.S.d. §§ 104 ff., sondern eine besondere Verlöbnisfähigkeit in Form einer individuellen geistigen Reife bzw. Ehemündigkeit[55].
2. Tatsächlichkeitstheorie (MM)
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Nach der ebenfalls früher vertretenen Tatsächlichkeitstheorie ist im Verlöbnis kein Rechtsgeschäft, sondern nur ein rein soziales Verhältnis zu sehen mit der Folge der Unanwendbarkeit der rechtsgeschäftlichen Vorschriften[56].
3. Lehre von der Vertrauenshaftung (MM)
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Die Lehre von der Vertrauenshaftung sieht im Verlöbnis ein gesetzliches Rechtsverhältnis, das keine Rechtspflicht zur Eheschließung, sondern einen gesetzlichen Vertrauensschutz der Partner zueinander begründet[57]. Infolgedessen wird lediglich eine konkrete Einsichtsfähigkeit gefordert.
4. Vertragstheorie (h.M.)
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Nach der von der herrschenden Meinung vertretenen Vertragstheorie[58] ist das Verlöbnis ein Vertrag i.S.d. §§ 145 ff. mit der Folge, dass die Vorschriften des allgemeinen Teils des BGB daher grundsätzlich anwendbar sind, so dass auch Geschäftsfähigkeit i.S.d. §§ 104 ff. erforderlich ist. Aufgrund der Höchstpersönlichkeit des Verlöbnisses sollen die Stellvertreterregelungen der §§ 164 ff. nicht gelten (zu den Höchstpersönlichkeitsvoraussetzungen bei der Eheschließung vgl. § 1311). Z.T. wird auch vertreten, dass die §§ 119 ff. wegen der spezielleren Rücktrittsvorschriften der §§ 1298 ff. verdrängt werden[59].
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III. Die wichtigsten Wirkungen des Verlöbnisses bestehen darin, dass
1. | die Verlobten berechtigt sind, Eheverträge i.S.v. § 1408 abzuschließen, die ihre Rechtswirkungen allerdings erst mit der Eheschließung entfalten[60], |
2. | die Verlobten berechtigt sind, Erbverträge und Erbverzichtsverträge, vgl.: §§ 2275 III, 2276 II, 2279 II, 2347 I 1 abzuschließen und |
3. | den Verlobten im Prozess ein Zeugnis- und Eidesverweigerungsrecht zusteht, vgl.: §§ 383 I Nr. 1 ZPO, 52 I Nr. 1, 61 StPO. |
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IV. Es bestehen Unterhaltsansprüche zwischen Verwandten i.S.d. §§ 1601 ff., wozu insbesondere