Die Vampirschwestern – Bissgeschick um Mitternacht. Franziska Gehm

Die Vampirschwestern – Bissgeschick um Mitternacht - Franziska Gehm


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und ein Herzass.

      EIN HERZASS?!?

      Hastig griff Blodtørst nach seinen Karten. Da war es, sein Herzass. Wie konnte seine Mitspielerin da auch ein Herzass haben? Es gab nur eine Erklärung.

      „Zezcilia Morta Dentiba Tepes! Komm sofort zurück, du lausige, ranzige, fliegendrecklutschende Falschspielerin!“, schrie Blodtørst und schoss durch die Höhle auf den Ausgang zu.

      Doch Oma Zezci war nicht nur eine gewiefte Falschspielerin, sie war auch noch ungeheuer schnell für ihr Alter. Als Blodtørst den Höhlenausgang erreichte, schwebte sie bereits hoch oben am Himmel. In der Dunkelheit erkannte der Vampyr gerade so, dass sie den aufgespannten Schirm mit den Chips über den linken Arm gehängt hatte und den rechten Arm mit geballter Hand gen Süden ausstreckte. „Skyzati, mein lieber Blodtørst“, rief sie nach unten. „Aber ich muss dringend zu meinen Enkelinnen nach Bindburg. Sie feiern Geburtstag. Da muss ich zusehen, dass die Chips rechtzeitig zur Party dort sind. Azdio!“

      Dann legte sie den Turbogang ein und schoss wie eine Rakete in die Wolken. Eine Sekunde später war der Himmel über Stumpbjergen nur noch schwarz.

      Im ersten Moment wollte Blodtørst seiner miesen Mitspielerin nachfliegen. Sie hatte ihn betrogen. Sie hatte ihn um seine ganzen Blutwurst-Chips gebracht. Sie hatte seine Ehrlichkeit schamlos ausgenutzt. Doch dann hatte er eine bessere Idee. „Na warte, Zezcilia Morta Dentiba Tepes. Du kommst mir nicht so einfach ungeschoren davon. Nie wieder wirst du es wagen, mich, den großen Blodtørst, zu betrügen. Denn meine Rache wird erbarmungslos und stürmisch sein. Die Rache eines Vampyrs der Arktis.“

      Wie ein Beifall erklang ein Grollen aus den Tiefen der Insel Stumpbjergen.

      Krise auf dem Schulklo

      Silvania, komm endlich raus!“ Daka wummerte mit der Faust an die Klotür.

      Helene schielte zur Uhr, die über dem langen Spiegel hing. Es hatte schon zum zweiten Mal geklingelt. Seit zehn Minuten standen Daka und Helene auf dem Schulklo vor der hintersten Tür und redeten auf Silvania ein, die sich im Klo eingeschlossen und verschanzt hatte.

      „Nici doi viati!“, kam die Antwort vom Klo. Es klang, als hätte Silvania den Kopf in die Kloschüssel gesteckt.

      „Sie redet Vampwanisch. Es muss sehr ernst sein“, stellte Daka fest.

      „Silvania, der Graup macht uns zu Knäckebrot, wenn wir zu spät kommen“, sagte Helene.

      „Lieber Knäckebrot als Foliba“, kam es verheult aus der Klokabine zurück.

      „Foliba?“ Helene sah Daka Hilfe suchend an. „Wovon redet deine Schwester?“

      Daka starrte besorgt auf die Klotür. „Jetzt redet sie nicht mal mehr Vampwanisch, sondern in einer Fantasiesprache.“

      „Macht, was ihr wollt“, schnaufte Silvania. „Mich kriegen hier keine zehn Vampire raus.“

      „Ach komm schon, Silvania, so schlimm kann es gar nicht sein“, erwiderte Daka. „Ich gehe schließlich auch mit meinem Pickelkreuz in den Unterricht.“

      Helene warf einen kurzen Blick auf Dakas Stirn. Da waren sie. Zwei Linien aus dicken, roten, fiesen Pickeln, die mitten auf der Stirn ein Kreuz bildeten. Es sah wirklich total abartig und schaurig abscheulich aus, fand Helene.

      „Glaub mir, Daka, es kann viel viel viel schlimmer sein“, sagte Silvania in der Klokabine. „Ich werde es euch beweisen.“ Sie holte tief Luft.

      Daka und Helene hörten, wie Silvania an die Klotür trat und das Schloss aufmachte. Es klackte kurz. Dann ging die Türklinke langsam nach unten. Die Tür öffnete sich wie in Zeitlupe. Daka und Helene starrten gebannt auf den Spalt, der immer größer wurde. Zuerst erschien Silvanias linker Schuh, ein cremefarbener Stiefel, der an der Seite lauter kleine Röschen als Knöpfe hatte. Dann war ihr dunkelrotes, barockes Kleid zu sehen, das in der Taille mit einem Gürtel zusammengehalten wurde, der aussah, als würde er aus Haifischzähnen bestehen. Schließlich steckte Silvania den Kopf mit ihrem rotbraunen Haarschopf durch den Türspalt.

      Helene japste.

      „Schlotz zoppo!“, rief Daka.

      Silvania zeigte mit dem Finger auf ihre Oberlippe, die von einem Mundwinkel bis zum anderen mit dichten, rotbraunen Haaren bedeckt war, und sagte: „Foliba. Frauenoberlippenbart.“

      Helene verzog das Gesicht. „Mann, ist das widerlich.“

      „Du siehst echt bescheuert aus“, stellte Daka fest.

      „Datiboi auch!“, presste Silvania hervor, bevor sich ihre Augen mit Tränen füllten.

      Daka und Helene waren mit zwei schnellen Schritten bei ihr, bevor sie sich wieder ins Klo einschließen konnte. Helene legte den Arm um ihre halbvampirische Freundin.

      Daka spuckte dreimal vorsichtig auf den Foliba ihrer Schwester. In ihrem transsilvanischen Heimatort war das ein bewährter Brauch gegen Schmerzen. Vielleicht half dreimal spucken auch gegen Bartwuchs.

      Silvania tupfte sich mit einem Taschentuch Dakas gut gemeinte Spucke vom Foliba.

      „Jetzt, so aus der Nähe betrachtet, finde ich es gar nicht mehr so schlimm“, sagte Helene.

      Daka runzelte die Stirn und wollte widersprechen. Als ihr Helene einen beschwörenden Blick zuwarf, sagte sie jedoch: „Wenn man sich erst mal daran gewöhnt hat, geht es. Eigentlich steht dir ein Schnauzbart ganz gut. Er passt gut zu deinen … deinen Wangenknochen.“

      Silvania sah ihre Schwester zweifelnd an.

      „Und sieh doch mal die praktische Seite“, fuhr Daka fort, die jetzt richtig warmlief. „Ein Schnauzer hält warm und spart bei Schnupfen so manches Taschentuch.“

      Silvania verzog angewidert den Mund.

      „Der Schnauzbart hebt dich auf jeden Fall von der grauen Masse ab“, sagte Helene.

      Silvania schielte niedergeschlagen zu ihrer besten und einzigen Freundin. Obwohl Silvania genau wie ihre Schwester ein Halbvampir war, hob sie nicht gerne ab. Sie wollte sich auch nicht gerne von der grauen Masse abheben. Im Gegenteil, sie wollte in ihr untertauchen wie ein Wassertropfen im Meer.

      „Weißt du, wie du jetzt aussiehst?“, fragte Daka.

      Silvania machte ein Gesicht, als ob sie das lieber gar nicht wissen wollte. Was Daka allerdings nicht störte.

      „Wie einer der drei Musketiere“, fuhr Daka fort. „Und das waren alles zensatoi futzi Helden.“ Daka zupfte spaßhaft an einem Barthaar ihrer Schwester.

      Silvania schlug Dakas Hand weg, „Ja, aber das waren alles Männer!“

      Daka wiegte den Kopf. „Bist du dir sicher?“

      „Ich kann so unmöglich den Klassenraum betreten“, sagte Silvania.

      „Wir könnten dir aus der Drogerie Rasierzeug holen“, schlug Helene vor.

      „Onkel Vlad hat mal erzählt, sein Bart sei erst richtig kräftig gewachsen, nachdem er ihn rasiert hatte“, warf Daka ein.

      „Dann stülpen wir dir eben eine Papiertüte über den Kopf und machen zwei Löcher für die Augen rein“, sagte Helene.

      „Und du meinst, das fällt weniger auf als mein Foliba?“ Silvania sah Helene zweifelnd an.

      „Ich hab’s. Wir holen uns von der Schulkrankenschwester einen Verband, wickeln den über den Foliba und sagen, du … hast dir beim Pfeifen die Lippe verstaucht“, sagte Daka.

      „Wenn schon, dann beim Knutschen“, meinte Helene.

      Silvania schüttelte den Kopf. „Ich bleibe einfach auf dem Klo, bis der Foliba wieder weg ist. Die Achselhaare waren schließlich gestern auch nach ein paar Stunden verschwunden.“

      „Und mein Mega-Eckzahn auch“, stimmte Daka zu.

      Seit ein paar Tagen gingen seltsame Verwandlungen mit den Vampirschwestern vor sich. Als Halbvampire waren sie schon einiges gewohnt. Ihr Vater, Mihai Tepes, war ein Vollblut-Vampir. Ihre Mutter, Elvira Tepes,


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