Im Reiche des silbernen Löwen I. Karl May

Im Reiche des silbernen Löwen I - Karl May


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von den Roten eingeholt und überfallen werden würde, das war ein Unglück für ihn; ein Glück war es dagegen zu nennen, daß die Indianer den feigen Scout nicht gesehen hatten, denn sie glaubten infolgedessen hinter sich alles in Sicherheit und ahnten nicht, daß Leute ihnen folgten, welche sich der Bedrohten annehmen wollten.

      Ich glaubte, daß Perkins zuletzt die Wahrheit gesagt hatte; Beweise hatte ich freilich nicht dafür, denn die Spuren der Weißen waren am Lagerplatze so von den Indsmen zertreten worden, daß sie gar nicht mehr unterschieden werden konnten; ich hoffte aber, unterwegs auf deutlichere Zeichen zu treffen. Diese Erwartung ging schon nach einiger Zeit in Erfüllung, als wir eine Stelle erreichten, an welcher die Roten halten geblieben waren. Wir zügelten unsere Pferde auch, und Jim Snuffle sagte:

      »Hier scheint ihnen etwas ein- oder aufgefallen zu sein, denn sie haben sich beraten. Wenn man nur wüßte, worüber!«

      »Ich weiß es,« erklärte ich.

      »Nun?«

      »Ueber die Zahl der Weißen, denen sie folgten.«

      »Meint Ihr? Warum?«

      »Sie sind bisher in der Spur der Weißen geritten; hier aber haben sie dieselbe verlassen, und zwei von ihnen sind abgestiegen, um sie zu untersuchen. Es scheint, daß sie unterwegs verschiedener Meinung geworden sind und hier haben sehen wollen, wer die richtige hat. Da sie sich an dieser Stelle in acht genommen haben, die Fährte der Bleichgesichter zu verderben, so ist dieselbe auch für uns noch deutlich zu erkennen, und ich will schauen, was wir von Perkins‘ Aussagen zu halten haben.«

      »Ja, schaut nach, Sir!« forderte mich der gefangene Scout auf. »Ihr werdet finden, daß alles genau so ist, wie ich gesagt habe.«

      Ich sprang ab und betrachtete die Eindrücke auf das sorgfältigste. Es war schwer, sehr schwer, zur Gewißheit zu kommen, denn die Stelle, an welcher die Roten die Fährte geschont hatten, war gar nicht lang, und es kam mir sehr darauf an, die verkehrte Spur eines Pferdehufes zu entdecken; aber nach längerem Messen und Vergleichen gelangte ich doch zu dem gewünschten Resultate. Um noch sicherer zu sein, trat ich zu dem Pferde, welches der Scout jetzt ritt, und untersuchte einen Hufstapfen desselben. Jim Snuffle schüttelte darüber verwundert den Kopf und fragte:

      »Warum denn das, Sir! Wir haben es doch nicht mit diesem Pferde zu thun?«

      »Sogar sehr,« antwortete ich. »Ich will doch wissen, ob Perkins die Wahrheit gesagt hat.«

      »Könnt Ihr das denn am Hufe seines Pferdes ablesen?«

      »Ja.«

      »Alle Wetter! Das brächte der Sohn meines Vaters nicht fertig. Wie fangt Ihr es nur an?«

      »Sehr einfach. Es sind wirklich sechs Weiße hier geritten, und einer von ihnen ist zurückgekehrt.«

      »Sagt Euch das die Fährte?«

      »Ja.«

      »Das ist gefährlich, Sir!«

      »Warum?«

      »Weil die Indsmen die Eindrücke hier auch untersucht haben; sie mußten da ebenso wie Ihr sehen, daß jemand zurückgeritten ist; also wissen sie, daß er sich hinter ihnen befindet und werden ihm einen Hinterhalt legen, in den wir leicht fallen können.«

      »Habt keine Sorge! Sie haben nichts bemerkt. Es ist nur der Eindruck eines einzigen Hufes da, und der ist so leicht und undeutlich, daß nur ich ihn entdecken konnte, weil ich wußte, daß Perkins behauptet, umgekehrt zu sein. Er hat die Wahrheit gesagt. Ich sah einen umgekehrten Stapfen, welcher vom linken Hinterfuße seines Pferdes stammt.«

      »Well! Aber wenn die Indsmen gerade diesen einzigen Stapfen auch bemerkt hätten?«

      »Dann würden sie nicht weit von hier eine Falle gestellt haben, die mir sicher nicht entgehen würde. Ich werde scharf achtgeben. Reiten wir weiter!«

      Wir setzten den unterbrochenen Ritt fort, und als ich selbst nach einer halben Stunde nichts davon entdeckt hatte, daß ein Hinterhalt gelegt worden sei, waren die Snuffles überzeugt, daß ich recht gehabt hatte.

      Nach einiger Zeit kamen wir an die Stelle, wo Perkins umgekehrt war; seine Gefährten hatten nicht auf ihn warten, sondern langsam weiterreiten wollen; die Entscheidung lag also nicht hier, sondern weiter vorn. Darauf sahen wir, daß zwei Indianer die Spur verlassen hatten, der eine nach der rechten und der andere nach der linken Seite.

      »Ob die etwa als Späher fortgeritten sind?« fragte Jim Snuffle.

      »Jedenfalls. Der Anführer hat aus der Spur ersehen, daß er den Weißen nahe war, und diese Kundschafter vorangeschickt, um Gewißheit zu erhalten. Es wird sich bald zeigen, wo sie wieder zu dem Trupp gestoßen sind.«

      Ungefähr eine Viertelstunde später kehrte erst die Spur des einen und dann auch diejenige des andern zu der Hauptfährte zurück, und wir konnten nun erwarten, in nicht langer Zeit den Ort des Ueberfalles zu erreichen. Da die Roten sich sehr leicht noch dort befinden konnten, war die äußerste Vorsicht nötig, wenn wir nicht riskieren wollten, ganz unerwartet auf sie zu stoßen. Darum ritt ich eine Strecke voran, jeden Augenblick bereit, von ihnen bemerkt oder gar angegriffen zu werden.

      Glücklicherweise ging diese Befürchtung nicht in Erfüllung, obgleich das Terrain für mich gefährlich war. Es gab nämlich zerstreutes Strauchwerk, und ich konnte hinter jedem Busche einen oder auch mehrere Feinde erwarten. Da hatte das Gesträuch plötzlich ein Ende, und ich sah auf dem vor mir liegenden Plane, höchstens drei Minuten von mir entfernt, die Indsmen lagern. Hätte mein Pferd nur vier oder fünf Schritte weiter gethan, so wäre ich sehr wahrscheinlich von ihnen bemerkt worden.

      Ihre Tiere, welche freigegeben worden waren, tummelten sich nach Belieben herum; sie selbst bildeten einen Kreis, in dessen Innern eine wichtige Verhandlung geführt zu werden schien. Er war aber so dicht, daß der Blick nicht zwischen den einzelnen Personen hindurchdringen konnte. Ich ritt eine kleine Strecke zurück, stieg ab, band mein Pferd an und forderte die Snuffles, welche jetzt anlangten, auf, dasselbe zu thun.

      »Absteigen?« fragte Jim. »Warum? Dürfen wir nicht weiter?«

      »Nein. Die Indianer halten da draußen.«

      »Alle Wetter! Haben wir sie endlich eingeholt! Haben sie die Weißen fest?«

      »Ja.«

      »Doch nicht ermordet?«

      »Das glaube ich nicht.«

      »Gut, laßt einmal sehen!«

      Wir hoben den treulosen Scout vom Pferde, banden ihn an einem Busche fest und gingen dann so weit nach vorn, wie es möglich war, ohne gesehen zu werden.

      »Wahrhaftig, es sind Comantschen,« sagte Jim. »Meinst du nicht auch, alter Tim?«

      »Yes,« antwortete dieser in seiner einsilbigen Weise.

      »Sie stehen eng beisammen. Die Weißen sieht man nicht. Wie könnt Ihr da wissen, daß sie sich dort befinden, Mr. Shatterhand?«

      »Ich vermute es.«

      »Vermuten? Das ist keine Gewißheit!«

      »Hier doch beinahe. Seht Ihr nicht dort rechts zwei Pack Pferde stehen?«

      »Allerdings. Alle Wetter! Die gehören ja dem Fremden. Sie haben ihn also!«

      »Natürlich! Welchen Grund hätten die Indianer, hier in der Verfolgung eine Pause zu machen, um sich über irgend etwas zu beraten? Es ist gewiß, daß sie die Weißen fest haben.«

      »Was werden sie mit ihnen thun?«

      »Das werden wir bald erfahren. Es kommt dabei viel darauf an, ob bei dem Ueberfalle Blut geflossen ist. Wurde ein Roter verwundet oder gar getötet, so wird man den Weißen keine lange Frist geben.«

      »Sondern sie gleich hier abschlachten. Ja, das ist auch meine Meinung.«

      »Die meinige aber nicht.«

      »Meint Ihr, daß sie sie weiter fortschleppen werden?«

      »Ja, wenn auch nicht allzuweit. Die Verurteilung und Hinrichtung von Gefangenen geschieht bei den Indianern, wenn es möglich ist, stets mit der gebräuchlichen Feierlichkeit,


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