Satan und Ischariot I. Karl May

Satan und Ischariot I - Karl May


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eine Weile auf Deck geblieben; sie mußten sich aber natürlich fügen. Aus den verwunderten Gesichtern, welche sie zu diesem ihnen erteilten Befehle machten, ersah ich, daß die Maßregel eine neue war und sie bisher des Abends und wohl auch des Nachts ganz nach Belieben im Freien hatten bleiben dürfen. Ich erfuhr dies auch sofort, als ich als der letzte, denn ich hatte gezögert, bis keiner mehr oben war, in meine Koje kam und von dem Athleten mit den mürrischen Worten empfangen wurde:

      »Was fällt dem Master Harry Melton ein, uns herabzuschicken! Haben Sie eine Ahnung davon, weshalb er es gethan hat?«

      »Nein.«

      »Hole ihn der Teufel! Wenn man sich des Tages über von der Sonne verbrennen ließ oder hier unten in dem dumpfen Loche zubringen mußte, ist es eine Wohlthat und sogar ein Bedürfnis, des Abends in der freien, frischen Luft zu sein. Das haben wir bisher stets gedurft.«

      »Wirklich? Diese Einrichtung ist also eine neue!«

      »Ja. Und ich bin überzeugt, daß sie von Melton ausgeht.«

      »Warum glauben Sie dies?«

      »Erstens, weil man uns herabschickt, seit er sich an Bord befindet, und zweitens, nun, der zweite Grund ist ein etwas unklarer, und ich will lieber schweigen.«

      »Sie schweigen, weil Sie kein Vertrauen zu mir haben?«

      »Erwarten Sie es anders? Sie sind erst vor so kurzer Zeit zu mir hereingekrochen und können also nicht verlangen, daß ich Ihnen schon alle meine Gedanken mitteile.«

      Da mir daran lag, diese seine Gedanken zu erfahren, antwortete ich:

      »Sie fürchten sich also vor dem Mormonen und schweigen nur deshalb, weil Sie denken, daß ich ihm ihre Worte mitteile.«

      Ich hatte ihn richtig beurteilt, denn noch hatte ich kaum ausgesprochen, so fuhr er mich an:

      »Was fällt Ihnen ein! Ich mich fürchten? Ich möchte den Menschen sehen, der im stande wäre, mir Angst einzujagen. Und vor diesem Kerl, welcher zwar mit den Leuten schön thut und sogar gleich in den ersten Stunden beginnt, der Judith den Hof zu machen, dabei aber den Schalk im Nacken hat, ist mir erst recht nicht bange.«

      Diese Worte sagten mir, daß er nicht nur mißtrauisch, sondern sogar eifersüchtig gegen den Mormonen war. Ich durfte hoffen, unter Umständen an ihm einen Verbündeten gegen den letzteren zu haben. Ich konnte also gegen ihn ein wenig aufrichtiger sein, als ich sonst nach so kurzer Bekanntschaft gewesen wäre. Darum sagte ich:

      »Warum lassen Sie mich da glauben, daß Sie sich vor ihm scheuen? Warum reden Sie nicht offen zu mir, der ich Ihnen in aller Aufrichtigkeit sage, daß ich den Mormonen trotz seiner auffälligen Bemühungen, sich beliebt zu machen, ja vielleicht gerade wegen derselben, für keinen ehrlichen Menschen halte?«

      »Ist das wahr? Thun Sie das?« fragte er schnell.

      »Ich sage es Ihnen ja, und was ich sage, das pflegt wahr zu sein.«

      »Haben Sie außer seiner Schönthuerei noch andere Gründe? Sie sind mit ihm auf das Schiff gekommen und also vorher mit ihm beisammen gewesen, müssen ihn also besser kennen als ich. Uebrigens ist das, wie Sie wohl einsehen werden, für mich ein Grund, auch Ihnen zu mißtrauen.«

      »Mag sein; aber ich verdiene Ihr Mißtrauen nicht, denn ich habe Master Melton nur ganz kurz gesprochen. Wir wohnten zwei Wochen lang in demselben Hotel, ohne mit einander zu verkehren. Nur einmal sprachen wir längere Zeit miteinander, als er gesehen hatte, daß ich ein stellenloser armer Teufel bin, und mich darum fragte, ob ich Buchhalter auf der Hazienda del Arroyo werden wolle. Ich sagte in Anbetracht meiner gegenwärtigen Lage zu und wurde heute von ihm mit auf das Schiff genommen.«

      »So kennen Sie ihn also ebensowenig wie ich. Warum sagen Sie da, daß er kein ehrlicher Mensch sei?«

      »Ich behaupte das nicht infolge irgend einer Thatsache, durch die es bewiesen worden wäre, sondern weil ein gewisser Instinkt mich vor ihm warnt. Ich habe die Ahnung, daß man sich vor ihm hüten muß.«

      »Hm! Bei mir findet ganz dasselbe statt. Der Kerl hat mir nichts gethan, ist im Gegenteile zu mir wenigstens ebenso freundlich gewesen wie gegen die andern, und doch mag ich ihn nicht leiden. Seine Visage gefällt mir nicht. Dazu kommen die Blicke, die er mit dem Kajütenwächter heimlich wechselt.«

      »Hat er das gethan? Ich habe es nicht bemerkt.«

      »Natürlich haben sie sich heimliche Blicke zugeworfen, gerade so, als ob sie alte Bekannte seien; und doch thun sie ganz fremd miteinander.«

      Das war eine Beobachtung, die ich nicht gemacht hatte. Die Augen des Herkules waren von seiner Eifersucht geschärft worden. Freilich konnte er sich geirrt haben. Darum fragte ich:

      »Haben Sie sich da nicht getäuscht? Der Wärter befindet sich dem Mormonen gegenüber in einer so tiefen Stellung, daß eine Vertraulichkeit, wie man sie infolge solchen heimlichen Zuwinkens annehmen müßte, fast ausgeschlossen ist. Sie können einander früher einmal gesehen haben; das wird aber auch alles sein. Vielleicht haben die Blicke, welche Sie beobachteten, nur ein Gruß sein sollen.«

      »Reden Sie nicht! Ich kenne meine Augen. Was die sehen, das sehen sie richtig. Wenn die Kerls sich grüßen wollen, so können sie dies frei und offen thun. Wenn sie ihre Grüße aber nicht merken lassen wollen, so müssen sie einen Grund haben, ihr Bekanntsein nicht wissen zu lassen, und dieser Grund kann kein guter, kein ehrlicher sein.«

      »Das ist richtig. Ich werde die beiden morgen schärfer beobachten, als ich es heute gethan habe.«

      »Thun Sie das! Es steckt gewiß etwas dahinter. Ich habe zwar in Beziehung auf uns und unsere Zukunft keinerlei Sorge, denn unsere Kontrakte sind gut und stellen uns vollständig sicher; aber es ist zwischen Melton und dem Aufwärter irgend etwas vorhanden, was, wenn es sich auf uns beziehen sollte, uns wohl nicht gefallen würde. Ich möchte wissen, was es ist.«

      »Hm, ich auch!«

      »Vielleicht muß man auch dem Kapitän mißtrauen. Warum führte er den Mormonen, als dieser an Bord kam, nach hinten, um mit ihm zu reden? Konnten sie uns nicht wissen lassen, was sie zu sprechen hatten?«

      »Der Kapitän ist ein ehrlicher Mann; das behaupte ich, und ich bin überzeugt, daß ich mich da nicht irre. Warum sollte er seine Schiffs- und Geschäftsangelegenheiten gerade vor unsern Augen und Ohren verhandeln? Aber wenn es wirklich wahr ist, daß der Mormone mit dem Wärter im Einvernehmen steht, so ist mir das interessant, und ich habe große Lust, hinter das Geheimnis zu kommen.«

      »Das werden Sie nicht fertig bringen, weil man sich hüten wird, Ihnen die Sache auf die Nase zu binden.«

      »Wenn ich nun aber meine Nase, ohne daß man es bemerkt, so tief in diese Sache stecke, daß ich dieselbe kennen lerne?«

      »So wird man Ihnen einen tüchtigen Klapps darauf geben!«

      »Darüber wird sie nicht allzusehr erschrecken, denn sie hat schon manchen Klapps bekommen. Ich möchte die beiden am liebsten gleich jetzt belauschen.«

      »Verrückter Gedanke! Wissen Sie denn, wann und wo sie miteinander sprechen werden? Und sodann befinden wir uns auf einem Schiffe, nicht aber im Walde, wo man sich hinter einen Busch stecken kann, um seine Augen und Ohren im Verborgenen spielen zu lassen.«

      »Mag sein. Aber was die Zeit und den Ort betrifft, so kenne ich beide genau. Zeit: heute, und Ort: oben das Deck. Hat der Mormone heimlich mit dem Wärter zu reden, so wird er dies thun, wenn es dunkel ist und wenn er glaubt, daß man es nicht bemerken wird. Er logiert eigentlich neben dem Kapitän, der sich wohl bald in seine Kajüte zur Ruhe begeben wird. Man weiß, wie dünn die Zwischenwände sind. Ließ der Mormone den Wärter heimlich nach der Kajüte kommen, so müßte er befürchten, von dem Kapitän beobachtet zu werden. Er muß sich also einen andern Ort suchen.«

      »Wo denn?«

      »Haben Sie denn nicht gesehen, daß man vorhin oben ein kleines Zelt errichtet hat? Wozu sollte dasselbe dienen? Für wen kann es sein? Doch nur für den Mormonen. Er wird gesagt haben, daß er lieber auf dem Deck, als in der dumpfen Kajüte schlafe.«

      »Und da wollen Sie die beiden belauschen?«

      »Wenigstens


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