Satan und Ischariot I. Karl May

Satan und Ischariot I - Karl May


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Felisa eingegangen wäre, ich mit ihr und sämtlichen Hochzeitsgästen darunter Platz gefunden hätte. Auch kaufte ich ein Stück billigen Stoffes, um mir mit Hilfe von Nadel und Zwirn, welch beides ich stets bei mir führte, ein Futteral für meine Gewehre anzufertigen. Das hatte einen guten Grund: Der Mormone sollte mich noch für einige Zeit für den Menschen halten, für den er mich bisher gehalten hatte. Da er viel von Old Shatterhand gehört zu haben schien, war es leicht möglich, daß er auch wußte, was für Gewehre derselbe bei sich führte, und darum sollte er sie wenigstens nicht genau zu sehen bekommen. Auch ein Paar derbe Lederschuhe kaufte ich mir. Als ich dann, mit solcher Eleganz ausgestattet, in das Hotel zurückkehrte, schlug Don Geronimo vor Verwunderung die Hände zusammen und rief aus:

      »Was erblicke ich! Sind Sie plötzlich reich geworden? Sie können sich ruhig an der Seite jedes altkastilianischen Edelmannes sehen lassen, Sennor. Leider sind Sie fest entschlossen, abzureisen; aber hätte ich Sie eher in dieser Kleidung gesehen, so hätte ich Ihnen eine Stelle als Majordomo meines Hauses angeboten und vielleicht wären Sie sogar Kompagnon geworden!«

      Mein Anblick schien wirklich bezaubernd zu sein, denn Sennorita Felisa legte die Hand auf das Herz und ließ einen tiefatmigen Puster hören, und selbst Donna Elvira richtete sich ein wenig in ihrer Hängematte auf, um mir einen Blick zu schenken und dann mit einem beifälligen Seufzen wieder niederzusinken, Ich schien ein der Damenwelt höchst gefährliches Individuum geworden zu sein, und da ich dies unmöglich auf Rechnung meiner innern oder äußern Vorzüge setzen konnte, so war ich geneigt, dem Leinenanzuge, welcher nach deutschem Gelde elf Mark gekostet hatte, Zauberkraft zuzuschreiben. Leider blieb er mir nur kurze Zeit treu, da er sehr bald aus den Nähten ging und sich in den verschiedensten Fetzen und Stücken nach den verschiedensten Windrichtungen verlor. Ich hätte mir sicher etwas Besseres und Haltbareres angeschafft, wollte aber Harry Melton nicht wissen lassen, daß ich dazu die Mittel besaß.

      Es war gegen Mittag, als dieser in das Gasthaus kam, um mich abzuholen, denn das Schiff war angekommen. Es hatte ohne in den Hafen einzusegeln, draußen vor demselben beigedreht, um ihn aufzunehmen. Wir mußten uns also eines Bootes bedienen, um an Bord zu kommen.

      Der Abschied von meinen freundlichen Wirtsleuten war rührend. Don Geronimo beging die Heldenthat, mir sein Dominospiel als Andenken anzubieten, und schluchzte beinahe vor Wonne, als ich dieses Opfer nicht annahm. Die drei Buben sagten mir Ade, indem sie meine Beine umschlangen und ihre Nasen an meine neue Hose wischten. Sennorita Felisa wollte ihr Taschentuch an die Augen führen, da sie aber an Stelle eines solchen augenblicklich gerade nur den schwarzen Herdlappen in der Hand hatte, so rieb sie sich die Traurigkeit mit Ruß ins thränende Gesicht, was auf mich einen weit tiefern Eindruck machte, als wenn sie sich eines wirklichen Nastüchleins bedient hätte. Und Donna Elvira richtete sich soweit auf, daß ich beinahe ihr Gesicht deutlich gesehen hätte, und winkte mir mit der müden Rechten ein Lebewohl zu. Für den Hund hatte ich ein Stück Wurst mitgebracht, welches ich ihm zum Abschiede verehren wollte, da ich Gründe hatte, anzunehmen, daß er nie im Leben so etwas gekostet hatte. Geronimo und Felisa gingen mit in den Hof. Als ich die Wurst aus der Tasche zog und sie dem Hunde hinhielt, schnappte aber die Sennorita noch eher zu als er. Sie riß mir die Liebesgabe aus der Hand und sagte:

      »Was thun Sie da, Sennor! Ich glaube gar, Sie wollen diese Delikatesse an das Tier verschwenden! Sie gehört mir, und ich werde sie in der Erinnerung an Sie verspeisen.«

      Sie gab der Erinnerung aber keine Zeit, in ihr Recht zu treten, sondern biß sofort höchst tapfer ein, was ihren Vater veranlaßte, einen schnellen Griff nach ihrer

      Hand zu thun, um ihr die Wurst zu entreißen und an der Erinnerung teilzunehmen. Sie entfloh mit einem Schreckensrufe, und er rannte hinter ihr her, was mir Gelegenheit gab, das gastliche Haus nun ohne weitere Angriffe auf meine Wurst und auf mein Herz zu verlassen. Der Hund mußte sich freilich nun mit einem Streicheln begnügen, was wahrscheinlich weniger nahrhaft war, als das ihm so räuberisch entzogene Abschiedsgeschenk. Dann eilte ich zu Melton, der vor dem Hause auf mich wartete, und schritt mit ihm dem Hafen zu, wo wir ein Boot bestiegen, um uns nach dem Schiffe rudern zu lassen.

      Letzteres war ein kleiner Schuner, wie ihn, wenigstens damals, nur die Yankees zu bauen verstanden, ein schneller Segler und mit soviel Leinwand an den Masten, daß er selbst bei der flauesten Luft nicht festzuliegen brauchte. Als wir an der Seite des Schuners anlegten und man uns von oben die Fallreepen zuwarf, sahen viele Köpfe über Bord, um uns in Augenschein zu nehmen. Wir stiegen empor. Als ich das Deck betrat, war die erste Person, welche ich erblickte, ein vielleicht achtzehnjähriges, äußerst schmuck gekleidetes Mädchen mit orientalischen Zügen von ungewöhnlicher Schönheit. Der Anzug, welchen es trug, bestand aus Schnürstiefeln, weißen Strümpfen, rotem, mit dunklem Sammet umsäumtem Rocke und einem blauen Mieder, welches mit silbernen Hefteln und einer ebensolchen Kette geschmückt war. Ein kleines, mit einer Feder verziertes Hütchen saß auf dem vollen, in zwei Zöpfen hinten weit herabhängenden Haare. Diese Kleidung paßte wohl mehr auf einen Maskenball als hierher auf das Deck eines amerikanischen Transportschiffes für Auswanderer. Neben dem Mädchen stand ein hagerer, ältlicher Mann, dessen Gesicht den ausgesprochensten jüdischen Typus zeigte. Sein Anzug ließ keinen Zweifel darüber aufkommen, daß er ein polnischer Hebräer sei. Als sein Blick auf den Mormonen fiel, entfuhr ihm der halblaute, unwillkürliche Ausruf »Djabel!« Obgleich ich der polnischen Sprache nicht mächtig bin und nur wenige Worte derselben kenne, wußte ich, daß dieser Ausruf »der Teufel!« bedeutete. Der Mormone brachte also auf diesen Juden ganz denselben Eindruck hervor, den er auf mich gemacht hatte, obgleich sein Gesicht keine Spur von dem besaß, was der gewöhnliche, ungebildete Mann sich unter »teuflisch« denkt.

      Die andern Passagiere waren arme Leute, wie man gleich auf den ersten Blick bemerken konnte. Sie wußten, daß ihr nunmehriger Führer an Bord kam, und betrachteten Melton mit neugierigen Augen, denn es fiel ihnen nicht etwa ein, mich für den Erwarteten zu halten; mein Aeußeres war viel zu anspruchslos dazu. Der Kapitän kannte ihn jedenfalls, denn er kam ihm entgegen und begrüßte ihn mit einem Händeschütteln, welches man nicht für Unbekannte hat. Das sah ich, weil ich scharf aufpaßte, denn ich hielt es für erforderlich, selbst auf die geringste Kleinigkeit achtzugeben. Sie begaben sich beide nach dem Hinterdeck, um sich die für den ersten Augenblick nötigen Mitteilungen zu machen. Ich schlenderte zur Seite, lehnte meine im leinenen Ueberzuge steckenden Gewehre an den Mast und setzte mich auf eine Taurolle, welche in der Nähe lag. Als ich die Passagiere zählte, fand ich, daß es achtunddreißig Männer und Burschen, vierzehn Frauen und erwachsene Mädchen und elf Kinder, also in Summa dreiundsechzig Menschen waren.

      Nachdem sich ihre Augen genugsam mit dem Mormonen beschäftigt hatten, richteten sie ihre Aufmerksamkeit nun auch auf mich. Ich sah, daß sie sich ihre ver- verschiedenen Meinungen über meine Person mitteilten; sie wußten nicht, für wen oder was sie mich nehmen sollten, und beauftragten, um ins reine zu kommen, den Juden, mich zu fragen. Er kam zu mir, lüftete die schwarzseidene Kappe, welche sein spärliches Haar bedeckte, und redete mich mit einem Gemisch von jedenfalls während der Reise aufgelesenen, spanischen und englischen Worten an, welche ich in dieser Zusammenstellung nicht zu verstehen vermochte, darum unterbrach ich seine Bemühung, sich mir begreiflich zu machen, durch die Frage:

      »Kommen Sie vielleicht aus der Gegend von Kobylin in Posen?«

      »Ja, ja!« antwortete er rasch, indem sein Gesicht den Ausdruck der Ueberraschung annahm.

      »So werden Sie wahrscheinlich der deutschen Sprache mächtig sein und haben es nicht nötig, sich in fremden Zungen abzuquälen.«

      »Gott meiner Väter!« rief er aus, indem er die Hände zusammenschlug. »So werde ich also haben die Freude neben der Ehre, in Ihnen kennen gelernt zu werden einen Herrn von der Abstammung germanischer Hergekommenheit?«

      »Ja, ich bin ein Deutscher,« nickte ich, ein wenig verwundert über die Art und Weise, in welcher er sich meiner Muttersprache bediente.

      »Das freut mich in der Tiefe meiner Seele! Darf ich nehmen mir zu ergreifen die Erlaubnis der Frage, in welchem Lande und Regierungsbezirk Sie haben erlebt das Vergnügen der Geburt Ihrer werten Persönlichkeit?«

      »Ich bin jetzt Sachse.«

      »Sehr gut, sehr schön! Ich kenne und habe lieb Ihr Vaterland, da ich bin gewesen zu reisen oft nach

      Leipzig


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