Satan und Ischariot I. Karl May

Satan und Ischariot I - Karl May


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kennen Sie ihn schon längere Zeit?«

      »Seit Jahren. Er wurde mir von einer Seite empfohlen, wo jedes Wort für mich von Gewicht ist, und hat bis heute mein vollstes Vertrauen besessen. Sie scheinen ihn anders zu beurteilen?«

      »Ganz anders!«

      »Wahrscheinlich hat er Sie auf irgend eine Weise beleidigt, so daß Sie nun ein Vorurteil gegen ihn hegen.«

      »Nein. Er ist im Gegenteile sehr zuvorkommend, sehr freundlich gegen mich gewesen. Lassen Sie sich erzählen!«

      Er machte es sich auf seinem Stuhle mit dem Ausdrucke der größten Spannung bequem, und ich teilte ihm mit, was ich in und seit Guaymas erlebt, beobachtet und aus diesen Erlebnissen und Beobachtungen geschlossen hatte. Er hörte mir zu, ohne ein Wort zu sagen, oder eine Miene zu verziehen; aber als ich geendet hatte, ging über sein Gesicht ein ganz fatal ironisches Lächeln, und er fragte, mich ungläubig von der Seite her fixierend:

      »Sie erzählen mir wirkliche Thatsachen?«

      »Kein einziges Wort zu viel!«

      »Ich ersah aus der Karte, welche Sie mir zeigten, daß Sie Berichte für eine Zeitung zu schreiben hatten. Haben Sie vielleicht schon einmal eine Novela geschrieben?«

      »Ja.«

      Da sprang er auf und rief lachend aus:

      »Habe es mir doch gleich gedacht! Es konnte gar nicht anders sein! So ein Autor oder Romancero erblickt überall Dinge, welche nur in seiner Phantasie existieren! Melton, der feinste, der ehrenwerteste, ja sogar der frömmste Caballero, den ich kenne, soll ein Schurke sein! Das kann allerdings nur ein Mann behaupten, welcher in Regionen lebt, von denen wir gewöhnlichen Sterblichen keine Ahnung haben. Sennor, Sie machen mir Spaß, großen und vielen Spaß!«

      Er schritt im Zimmer auf und ab, rieb sich vergnügt die Hände und lachte dabei wie einer, der sich aufs köstlichste amüsiert. Ich wartete eine Pause in seinem Gelächter ab und bemerkte gleichmütig.

      »Ich habe nichts dagegen, daß Sie sich durch meine Erzählung so vortrefflich unterhalten fühlen, und wünsche nur, daß ihr jetziges Amüsement sich nicht später in eine bittere Enttäuschung verwandelt!«

      »Keine Sorge, machen Sie sich keine Sorge um mich, Sennor! Sie sehen gefährliche Elefanten, wo es nicht die unschädlichste Mücke giebt.«

      »Aber jener Weller, der Kajütenwärter?«

      »Heißt Weller und ist Kajütenwärter, weiter nichts!«

      »Und seine Unterredung mit dem Mormonen?«

      »Haben Sie falsch gehört. Ihre Phantasie hat unbegreifliche Ohren!«

      »Und sein Vater, welchen der Mormone im Gebüsch aufsuchte?«

      »Existiert eben auch nur in Ihrer Einbildung. Daß er Weller senior sei, vermuten Sie ja nur!«

      »Und die Anwesenheit des Indianerhäuptlings?«

      »Wird sich als ein höchst einfacher und unbedenklicher Umstand oder Zufall herausstellen.«

      »Dann aber meine Begegnung mit dem Häuptlinge der Yuma und dem Weißen, dessen Gewehr mit R W gezeichnet ist?«

      »Geht mich nichts an, gar nichts. Es giebt tausend Namen, welche mit dem Buchstaben W beginnen. Warum muß es da gerade Weller sein! Was hatten Sie sich überhaupt in den Kampf zu mischen? Die Sache ging Sie gar nichts an. Danken Sie Gott, daß Sie so heiler Haut davongekommen sind! Ein Escriter ist nicht der Mann, mit Indianern zu kämpfen. Das soll er uns überlassen, die wir in wilder Gegend wohnen, die Roten kennen, und mit den Waffen umzugehen verstehen!«

      Ich nahm an, daß der Haziendero den Namen Old Shatterhand nicht kannte, und hatte denselben darum während meiner Erzählung nicht erwähnt. Jetzt, wo ich geradezu ausgelacht wurde, fiel es mir auch nicht ein, das Unterlassene nachzuholen, denn es war zehn gegen eins zu wetten, daß er mir auch da keinen Glauben schenken würde. Er war ein körperlich schöner, geistig aber sehr gewöhnlicher Mann, dem meine ganz logischen Schlüsse als Phantastereien erschienen. Ich sah ein, daß es mir nicht gelingen werde, sein Vertrauen zu Melton zu erschüttern, und daß ihm die Richtigkeit meiner Ver- Vermutungen nicht durch Worte, sondern nur durch Ereignisse zu beweisen sei. Darum gab ich es auf, ihn zu meinen Ansichten zu bekehren und wiederholte nur meine Bitte um Verschwiegenheit, welche er, wieder unter Lachen, mit der Versicherung beantwortete:

      »Was das betrifft, so brauchen Sie sich nicht bange sein zu lassen, denn ich habe keine Lust, mich zu blamieren. Sennor Melton würde mich für verrückt halten, da er unmöglich glauben könnte, daß ich eine solche Dummheit einem anderen nachsprechen würde; er müßte also annehmen, daß dieselbe in meinem eigenen Kopfe entstanden sei. Ich werde also über alles schweigen. Nur über eins muß ich noch mit Ihnen sprechen. Wie steht es mit Ihrer Anstellung als Buchhalter? Melton hat Sie Ihnen wirklich versprochen?«

      »Ja.«

      »Unglaublich, geradezu unglaublich! Er weiß ja ebensogut wie ich, daß ich keinen Buchhalter brauche.«

      »So hat er nur die Absicht gehabt, mich mit diesem Versprechen hierher zu locken.«

      »Wozu? Was sollten Sie hier?«

      »Weiß ich es?«

      »Da haben Sie es! Sie haben nur Behauptungen, aber kein Wissen. Ich nehme an, daß dieser Buchhalter eben auch nur in Ihrer Phantasie existiert.«

      »Damit erklären Sie mich für einen verrückten Menschen, Don Timoteo!«

      »Nun, für verrückt halte ich Sie nicht, aber irgend ein Rädchen geht in ihrem Kopfe schneller, als es eigentlich laufen sollte. Ich gebe Ihnen den Rat, sich in einer Heilanstalt untersuchen zu lassen, denn vielleicht ist es jetzt noch Zeit, das übrige Räderwerk zu retten.«

      »Danke, Don Timoteo! Der Kopf arbeitet bei dem einen ganz naturgemäß schneller als bei dem andern, woraus die komische Situation erfolgen kann, daß dieser andere dem einen allzu große Phantasie und dieser eine dem andern allzu große Denkfaulheit vorwirft. Auf den Buchhalter verzichte ich. Es ist überhaupt von vorn herein nicht meine Absicht gewesen, auf diese Anstellung zu reflektieren.«

      »Das ist mir lieb, Sennor, denn da Sie von Denkfaulheit reden, sehe ich ein, daß Sie möglichst schlecht zu mir gepaßt hätten. Wann reisen Sie wieder ab?«

      »Mit Ihrer Erlaubnis morgen früh.«

      »Ich gebe Ihnen diese Erlaubnis schon heute, gleich in diesem Augenblicke.«

      »Das heißt, Sie weisen mich zu Ihrem Thor hinaus?«

      »Nicht nur zum Thore hinaus, sondern über meine Grenze.«

      »Don Timoteo, das ist eine Härte, welche allen Gepflogenheiten des Landes widerspricht!«

      »Thut mir leid! Sie selbst sind schuld daran! Diese scheinbare Härte ist nichts als eine Vorsichtsmaßregel, welche Ihnen beweisen kann, daß ich denn doch nicht so denkfaul bin, wie Sie angenommen haben. Sie warnten mich vor einem Indianerüberfall, welcher nur in Ihrer Einbildung vorhanden ist; er würde nur dann, und zwar sofort, zur Wirklichkeit werden, wenn ich Sie und Ihre Begleiter bei mir behielte. Sie haben den Sohn des Häuptlings der Yuma erschossen und werden von dem Häuptling unbedingt verfolgt. Behalte ich Sie bei mir, so habe ich ihn und seinen Stamm augenblicklich auf dem Halse. Sie sehen also wohl ein, daß ich Sie fortschicken muß!«

      »Wenn Sie damit meinen, daß Sie Ihren Voraus- Voraussetzungen gemäß handeln, so widerspreche ich nicht und werde also gehen.«

      »Wem gehört das Pferd, welches Sie ritten?«

      »Melton stellte es mir in Lobos zu Verfügung.«

      »So gehört es mir, und Sie werden es hier zurücklassen. Da Sie vorhin davon sprachen, daß Ihre Begleiter nur deshalb hierher gekommen sind, um sich möglicherweise beritten zu machen, so muß ich Ihnen sagen, daß ich Ihnen kein Pferd überlassen kann. Ich würde Ihnen auch ohne Geld, welches Sie jedenfalls nicht haben, einige Tiere geben, denn die Mimbrenjos sind ehrliche Leute und würden bald einen Boten senden, um mir die Pferde wieder zu bringen oder irgend eine Bezahlung anzubieten; aber ich darf Sie nicht unterstützen, da ich mir sonst die Yuma zu


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