Satan und Ischariot III. Karl May

Satan und Ischariot III - Karl May


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war, mußte die Indianerin, ihre Dienerin, den Schlüssel im Schlosse umgedreht haben.

      »Ah, sie hat dich gefangen, um auszureißen!« lachte ich mir selbst zu. »Sehr gut! Sie mag gehen!«

      Ich öffnete ein Fenster und sah hinaus, doch so, daß ich von unten nicht gesehen werden konnte. Kaum waren fünf Minuten vergangen, so kam sie unten aus der Thür. Sie hatte in größter Eile Toilette gemacht, und jedenfalls all ihr Geld und ihre Wertsachen zu sich gesteckt. Ihre Gestalt war in einen grauen Regenmantel gehüllt; ein einfacher Hut saß auf ihrem Kopfe. Hinter ihr kam eine Indianerin, welche eine Tasche in der Hand hatte, und dann folgte ein schwarzbärtiger Mann, der einen kleinen Koffer trug. Das war jedenfalls der Bote, mit dem sie gesprochen hatte. Die drei hoben die Köpfe, um zu den Fenstern emporzublicken; ich zog den meinigen schnell zurück. Als ich dann wieder hinaussah, waren sie schon weit fort; ich sah sie eiligen Schrittes unter den Passanten verschwinden.

      Ein anderer als ich hätte vielleicht die Thüren ausgesprengt, um ihnen augenblicklich zu folgen; mir aber fiel dies nicht ein; sie, nämlich die Jüdin, war mir sicher, obwohl ich mir sagte, daß sie New-Orleans augenblicklich verlassen werde.

      Ich probierte zunächst noch einmal die Thüren; sie waren wirklich verschlossen. Dann sah ich mich genauer, als es bis jetzt geschehen war, in den beiden Zimmern um, die für mich offen waren. Auf einem kleinen Tischchen im Boudoir lag ein Photographiealbum. Ich öffnete es und schlug die einzelnen Bilder um. Wahrhaftig, da steckte Jonathan Meltons Lichtbild im Visitenformat. Und dabei lag ein zusammengefalteter Zettel. Ich war keineswegs so diskret, ihn liegen zu lassen, sondern ich las ihn. Da stand in kalligraphisch schönen Buchstaben geschrieben:

      »Ich erkläre hiermit durch die Unterschrift meines Namens, daß ich Mrs. Silverhill die Ehe versprochen habe. Small Hunter.«

      Wer die in Beziehung auf Eheversprechungen so strengen Gesetze der Vereinigten Staaten kennt, der weiß, was zwei oder drei solche Zeilen zu bedeuten haben. Ja, der sonst so kalt und gefühllos berechnende Mann befand sich vollständig in ihren Fesseln, und ich war überzeugt, daß ich ihn, wenn nicht in Albuquerque, so doch in ihrem »Schlosse« treffen würde.

      Ich durchsuchte die beiden Zimmer weiter, fand aber nichts, was mir dienlich sein konnte. Die Photographie und den Zettel steckte ich zu mir und untersuchte dann die Schlösser der beiden Thüren. Man brauchte kein Einbrecher zu sein, um das eine öffnen zu können. Nachdem ich einen kleinen Stift aus dem Drücker gezogen hatte, konnte ich den letzteren entfernen. Ich hatte in dem Necessaire ein kleines Messer gesehen, dessen Spitze ich abbrach, worauf es mir als Schraubenzieher diente, mit dessen Hilfe ich die vier kleinen Schrauben entfernte, welche das Schloß festhielten; dann konnte ich dieses abnehmen; die Thür war offen, und ich trat in den Korridor, mit dessen Thür ich ganz ebenso verfahren konnte.

      Nun ging ich hinab ins Parterre zu der Witwe und teilte derselben soviel mit, wie ich für nötig hielt. Sie war zunächst ganz betroffen über die fluchtmäßige Entfernung der Jüdin, setzte aber meiner Verabschiedung keine Schwierigkeiten in den Weg. Ich ging, aber nicht etwa schon zu Emery und Winnetou, sondern die Straße abwärts nach dem Hinterhause, welches der Advokat mir als die Wohnung seines »Bureauvorstandes« bezeichnet hatte. Der Wirt sollte mich bei seiner Rückkehr von seinem mehr als zweideutigen Ausgange in seiner Stube finden. Ich war der Jüdin nicht gefolgt, weil ich sicher gewesen war, von ihm mehr zu erfahren, als was ich hätte sehen und beobachten können.

      Eine Inschrift über den Fenstern des Parterres verriet mir, daß er Jeffers hieß und alte Goldsachen und Uhren zu verkaufen hatte. Die Thür war von innen verriegelt; auf mein Klopfen öffnete eine Frau.

      »Mr. Jeffers daheim?«

      »Nein. Was wollt Ihr?«

      »Ein Armband oder so etwas als Geschenk für eine Dame.«

      »Wie hoch vielleicht im Preise?«

      »Ich gehe bis zehn oder fünfzehn Dollars.«

      »Kommt herein, Sir; mein Mann muß gleich wiederkommen.«

      Hätte ich eine niedrigere Summe genannt, so wäre ich von ihr fortgeschickt worden, um später wieder vorzusprechen. Ich trat in einen kleinen Vorsaal, in welchem es zwei Thüren gab; die eine führte in einige Hinterstuben, wo ich bedient werden sollte; die andere ging jedenfalls in die vordern Zimmer, welche Harry Melton bewohnt hatte.

      Die Frau war sauber gekleidet und machte den Eindruck von Willenlosigkeit und Niedergeschlagenheit. Ich mußte wohl drei Viertelstunden warten, ehe ihr Mann nach Hause kam. Sie öffnete ihm und sagte ihm draußen, was ich kaufen wollte. Er kam in die Stube und führte mich in einen kleinen Nebenraum, in welchem sich seine Kostbarkeiten befanden.

      »Also ein Armband wollt Ihr, Sir,« meinte er.

      »Ich möchte Euch hier die Granaten empfehlen; es giebt auch eine Broche dazu. Sie stehen wunderbar, besonders zu blond.«

      »Mrs. Silverhill ist leider nicht blond,« bemerkte ich.

      Er ließ die Hand, mit der er mir das Armband entgegenhielt, sinken und fragte rasch.

      »Mrs. Silverhill? Kennt Ihr eine Dame dieses Namens?«

      »Natürlich! Das Geschenk soll ja für sie sein! Wundert Ihr Euch darüber?«

      »Nein, gar nicht! Wo wohnt Mrs. Silverhill, Sir?«

      »Auf dieser Straße, nur einige Häuser weiter aufwärts.«

      »Ihr scheint mit ihr befreundet zu sein?«

      »Alte Bekanntschaft, weiter nichts.«

      »Well, geht mich nichts an; aber unsereiner interessiert sich natürlich für die Personen, welche die Sachen, die man verkauft, bekommen, und da ich zufällig erfahren habe, daß Mrs. Silverhill sehr reich sein soll, so möchte ich Euch raten, das Beste auszusuchen, was ich habe.«

      »Sehr richtig. Ich hätte eigentlich zu einem der großen Juweliers gehen sollen, bin aber doch zu Euch gekommen, weil ich mein Geschenk nur mit Eurer Hilfe anbringen kann.«

      »Wieso?«

      »Die Dame ist verreist und nur Ihr wißt, wohin.«

      »Ich?« fragte er, indem sein Gesicht den Ausdruck ängstlicher Spannung annahm. »Was habe ich mit Mrs. Silverhill zu thun?«

      »Das fragt die Polizei auch!«

      »Die Po – —?!«

      Er wollte das Wort aussprechen; es blieb ihm aber im Munde stecken.

      »Ja, die Polizei!« nickte ich bedeutungsvoll und ernst.

      »Was soll das heißen? Was weiß ich von Eurer Mrs. Silverhill!«

      »Wo sie hin ist, das wißt Ihr! Ihr habt ihr ja bei ihrer plötzlichen Abreise den Koffer getragen! Ihr wart bei ihr und habt ihr verraten, daß Old Shatterhand, Winnetou und Mr. Bothwell hier angekommen sind.«

      »Alle Wetter, Sir! Diese – diese – diese Namen —« stotterte er.

      »Hat Euch Euer Sohn genannt, der darüber seine Anstellung verlieren wird. Natürlich wird ihm und Euch außerdem der Prozeß gemacht. Weshalb, das wißt Ihr wohl!«

      »Ich – ich – weiß von nichts!«

      »Wirklich? Kennt Ihr den Namen Small Hunter nicht?«

      »Small – —?!«

      »Und hat nicht der Schreiber Hudson bei Euch gewohnt? Wart Ihr nicht beauftragt, Mrs. Silverhill zu benachrichtigen? Ich sage Euch, das wird Euch und Eurem Sohne stark an den Kragen gehen, denn dieser weiß genau, wessen der sogenannte Small Hunter angeklagt wird.«

      »Das ist eine armselige Geschichte! Hätte ich mich doch nicht damit abgegeben!«

      Er warf sich bei diesen Worten auf einen Stuhl und schlug sich mit der Hand vor die Stirn.

      »Armselig genug wird‘s für Euch; das ist sehr richtig,« stimmte ich bei. »Was sagt Ihr dazu, daß ich Euch gleich mit mir nehme, Master?«

      Da fuhr er augenblicklich wieder auf und fragte, mir voller Angst in das Gesicht starrend:

      »Ist es denn wirklich so – so schlimm, so


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