Satan und Ischariot III. Karl May

Satan und Ischariot III - Karl May


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ohne allen Anstand, ja ohne das geringste Zögern zu beantworten.

      »Es ist eine sehr abgelegene Gegend,« fuhr ich fort. »Ich bezweifle, daß Hunter sich ohne Sie zurechtfinden wird.«

      »Das hat er auch nicht nötig; ich werde ihn führen.«

      »Sie? Befindet er sich denn noch hier?«

      »Das fällt ihm natürlich nicht ein. Wir haben eine Zusammenkunft verabredet. Und selbst wenn ich ihn verfehle, so hat er zwei erfahrene Westmänner dort zu erwarten, welche mein Schloß ganz sicher finden würden.«

      »Kennen Sie dieselben?« fragte ich in der Ueberzeugung, daß mit den Westmännern sein Vater und sein Oheim gemeint seien.

      »Ich nicht.«

      »Ist es da nicht unvorsichtig gewesen, sich ihnen anzuvertrauen?«

      »Nein. Er hat mir versichert, daß sie die besten Freunde von ihm sind. Der eine ist der Diener, welcher hier bei ihm war.«

      »Ah so! Die beiden sind mit ihm fort?«

      »Nein. Jeder ist einzeln abgereist, weil die ganze Angelegenheit als Geheimnis behandelt werden muß, und weil drei Reisende weit mehr auffallen als einer. Sie treffen an unserm Rendezvous in Albuquerque zusammen.«

      »Also droben in New-Mexico?«

      »Ja, bei einem gewissen Plener, welcher einen großen, sogenannten Salon mit Kosthaus besitzt.«

      »Da werden sie den Verhältnissen angemessen vortrefflich aufgehoben sein. Aber Sie – warum befinden Sie sich noch hier? Warum sind Sie nicht gleich mit?«

      Sie machte eine komisch-wichtige Miene und antwortete:

      »Ich habe noch einige Zeit als Sicherheitsposten hier sitzen zu bleiben.«

      »Sicherheitsposten? Die Sache wird immer interessanter!«

      »O, sie ist auch interessant, hochinteressant! Man wird nämlich nachforschen, ob Sennor Hunter, mein Verlobter, den Bedingungen etwa nicht nachkommt und, statt nach Indien zu gehen, sich hier im Lande versteckt.«

      »Wirklich? Wer könnte ein Interesse haben, sich darum zu bekümmern?«

      »Ein Verwandter, dem in diesem Falle die Erbschaft zufallen würde.«

      »Wetter! So eine Person könnte freilich höchst störend werden. Wer ist denn der Mann?«

      »Ein deutscher Prairiejäger, der sich mit einem englischen Westmanne und einem Indianer verbunden hat, die Nachforschungen anzustellen.«

      »Wie heißen die drei?«

      »Das weiß ich nicht; ich habe nicht nach ihren Namen gefragt.«

      »Und doch sitzen Sie als Wächterin hier? Sie müssen doch die Leute kennen, auf welche Sie aufzupassen haben!«

      »Ist nicht nötig. Zum Aufpassen ist ein anderer angestellt, welcher mir Nachricht geben wird. Ist dies bis jetzt und einer Woche nicht geschehen, so reise ich nach Albuquerque ab.«

      »Aber Sie kennen doch wenigstens den Mann, welcher Ihnen die Nachricht bringen soll?«

      »Gesehen habe ich auch ihn noch nicht. Er ist ein Handelsmann, welcher unweit von hier in einem Hinterhause wohnt. Der andere Freund Hunters hat bei ihm logiert und ihm den betreffenden Auftrag erteilt – entschuldigen Sie, Sennor, es hat geklingelt!«

      Ich hatte das Klingeln auch gehört; sie stand vom Diwan auf und trat unter die Portiere, welche das Zimmer, in dem wir uns befanden, von dem vorderen trennte, durch welches ich gekommen war. Die Indianerin öffnete vorn und sagte einen Namen, den ich nicht verstand.

      »Mag hereinkommen!« sagte Judith, indem sie vorwärts ging und die Portiere hinter sich fallen ließ. Ich war allein und hörte nun folgendes Gespräch, obgleich ich derjenige war, der es am wenigsten hören sollte:

      »Sind wir allein?« fragte nach der kurzen Begrüßung eine männliche Stimme englisch.

      »Redet!« forderte sie den Sprecher auf.

      »Ich habe Mrs. Silverhill mitzuteilen, daß sich die drei Personen, auf welche Ihr wartet, hier befinden. Mein Sohn hat es mir sofort gemeldet. Er ist da angestellt, wo sie vernommen worden sind.«

      »Vernommen? Haben sie sich an die Behörde gewendet?«

      »Allerdings.«

      »Um zu erfahren, ob Mr. Hunter wirklich nach Indien gereist ist?«

      Er zögerte mit der Antwort und meinte dann zweideutig-

      »Von der Reise ist auch mit die Rede gewesen. Ich habe Euch nur zu sagen, daß die drei da sind; weiter erstreckt sich mein Auftrag nicht. Höchstens könnte ich Euch die Namen sagen, die Euch aber schon bekannt sein werden.«

      »Ich kenne sie noch nicht.«

      »Nun, der Indianer ist der Apatschenhäuptling Winnetou.«

      »Winnetou?« fragte sie im Tone des Erstaunens. »Den kenne ich freilich. Ich habe ihn früher gesehen.«

      »Sodann ein Engländer, welcher Bothwell heißt – —«

      »Ist mir fremd.«

      »Und der deutsche Prairiejäger ist der Westmann, welcher Old Shatterhand genannt zu werden pflegt.«

      »Old Shat-ter-hand!« rief sie, nach jeder Silbe innehaltend. »Das – das – das ist ja – — kommt, kommt schnell heraus!«

      Ich hörte eine Thür gehen, und es wurde still. Die Jüdin hatte den Boten in ein anderes Zimmer geführt, damit ich das Weitere nicht verstehen sollte. Meine Rolle als Old Firefoot war ausgespielt. Der Mann, mit welchem sie jetzt sprach, war jedenfalls der Händler, bei welchem Melton, der Onkel, gewohnt hatte. Als er den Namen Old Shatterhand nannte, war ihr eingefallen, daß dies der meinige sei und daß ich nicht Old Firefoot heiße. Sie hatte mich damals in der Sonora mit Winnetou beisammen gesehen und wußte nun, daß ich der Deutsche sei, dem, ihrer Meinung nach, das Erbe Hunters zufallen mußte, falls er nicht nach Indien ging. Und sie hatte mir so vertrauensvoll erzählt, daß er wirklich die Absicht hatte, hier im Lande zu bleiben! Ich war neugierig, was sie nun thun werde.

      Es dauerte fast eine Viertelstunde, ehe sie wiederkam. Ihre Wangen waren bleich; in ihren Augen glänzte ein drohendes Licht; sie befand sich in großer Aufregung, gab sich aber Mühe, dies nicht merken zu lassen.

      »Sennor, Sie haben den Teil des Gespräches gehört, welcher da im Nebenzimmer stattfand?« fragte sie mich.

      Ihre Stimme zitterte. Sie mußte sich sehr anstrengen, ihren Zorn zurückzuhalten.

      »Ja«, antwortete ich ruhig.

      »So haben Sie also gelauscht!«

      »Fällt mir nicht ein. Sie waren so gütig, mit dem Manne nebenan zu sprechen, und nur ein vollständig Tauber hätte da nichts hören können.«

      »Gut, ich war unvorsichtig. Aber Sie haben mich belogen! Sie nannten sich Old Firefoot!«

      »Steht es mir nicht frei, mir einen Kriegsnamen zu geben, der mir gefällt und beliebt?«

      »Aber Sie sind Old Shatterhand!«

      »Man nennt mich allerdings auch bei diesem Namen.«

      »Warum haben Sie ihn mir nicht genannt?«

      »Weil ich keinen triftigen Grund dazu hatte.«

      »Sie haben mich getäuscht. Wissen Sie, wie ich das nenne? Eine Dame in dieser Weise zu hintergehen, das ist —«

      »Bitte, schweigen Sie!« unterbrach ich sie schnell. »Ich dulde von Ihnen kein beleidigendes Wort. Sie sind die Braut eines Schwindlers. Was hindert mich, Sie der Polizei zu übergeben?«

      »Wer oder was Sie hindert? Das werde ich Ihnen gleich zeigen. Warten Sie nur einen Augenblick. Ich habe vorher dem Boten nur ein Trinkgeld zu geben, und meine Börse liegt im Schlafzimmer. Dann sollen Sie hören, was ich Ihnen zu sagen habe!«

      Sie verließ das Boudoir durch eine mir und dem Diwan gegenüberliegende Thür. Ich hörte ein leises Geräusch, als ob ein Riegel vorgeschoben werde. Schnell huschte ich nach der Thür


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