Satan und Ischariot III. Karl May

Satan und Ischariot III - Karl May


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oben?«

      »Sehr wenig. Sie ist reich. Meine Köchin hat einigemale mit den Indianerinnen gesprochen. Die Dame spielt leidenschaftlich, und dabei stets mit Glück. Sie lud Herren zu sich ein, welche ebenso leidenschaftliche Spieler sind. Das ist alles. Uebrigens nehme ich an, daß sie Witwe ist. Eine der Indianerinnen hat einmal eine darauf bezügliche Aeußerung fallen lassen. Und ihr Mann scheint nicht von gewöhnlichem Stande gewesen zu ein.«

      »Wohl gar ein Indianerhäuptling!«

      Ich sagte das im Scherze, und sie lachte auch darüber; aber in demselben Augenblicke kam mir ein sehr ernster Gedanke, dem ich auch gleich Ausdruck gab:

      »Habt Ihr schon früher einmal ein indianisches Dienstmädchen gesehen?«

      »Nein.«

      »Eine freie Indianerin wird sich niemals erniedrigen, einer Weißen häusliche Dienste zu erweisen. Es müssen hier ganz besondere Verhältnisse vorliegen. Ich kenne da einen Fall, daß eine Weiße einen Indianerhäuptling geheiratet hat. Ist die Dame da oben blond?«

      »Nein, tiefschwarz. Ich halte sie für eine Jüdin.«

      »Jüdin? Ah! Kennt Ihr ihren Vornamen?«

      »Ja, es wurde einmal ein Brief gebracht und meiner Mulattin übergeben. Diese kann nicht lesen und brachte ihn mir. Ich sah die Adresse. Die Dame heißt Judith Silverhill.«

      »Meine Ahnung, meine Ahnung! Silverhill ist zu Deutsch Silberberg, und so hieß die Jüdin, welche den Indianerhäuptling zum Manne nahm. Ich muß hinauf zu ihr!«

      »Wie? Ihr kennt Sie?«

      »Ja, wenn ich mich nicht ganz und gar irre. Das ist ein höchst interessanter Zufall, welcher mir wahrscheinlich von großem Nutzen sein wird. Madame, Ihr seid so lieb und freundlich zu mir gewesen; ich bitte, mir noch eine große, recht große Gunst zu erweisen!«

      »Wenn es in meiner Möglichkeit liegt, wird es sehr gern geschehen.«

      »Ihr seid nie in ein Gespräch mit der Dame gekommen?«

      »Noch nie.«

      »Der Zufall könnte es fügen, daß dies doch geschehe. Bitte, erwähnt nicht, weshalb ich bei Euch gewesen bin; sprecht überhaupt nicht von mir, und verbietet auch Eurer Mulattin, den Indianerinnen da oben zu erzählen, daß der vermeintliche Small Hunter eigentlich ein anderer ist.«

      »Sie weiß es noch gar nicht, und ich werde es ihr auch nicht sagen. Ihr wollt dieser Dame also wirklich einen Besuch machen?«

      »Auf alle Fälle!«

      Ich bedankte mich herzlich für die mir erwiesene Freundlichkeit und wurde aufgefordert, getrost wiederzukommen. Ich stieg die Treppe empor. Es gab da oben nur ein Entree. Als ich die Glocke gezogen hatte, wurde von einem Mädchen geöffnet, in welchem auch ich sogleich eine Indianerin vermutete. Sie trat beiseite, um mich einzulassen, und öffnete, ohne mich zu fragen oder ein Wort zu sagen, eine zweite Thür, durch welche ich in ein sehr schön ausgestattetes Zimmer kam. Im Nebenzimmer hörte ich ein Geräusch. Die Portieren wurden auseinandergeschlagen, und vor mir stand – —Judith Silberstein, die Jüdin, welche ich zuletzt als Verlobte des Yumahäuptlings gesehen hatte. Sie hatte sich seit damals noch mehr entwickelt und war schöner, höher und auch stärker geworden. Freilich zeigte der erste Blick gleich, daß sie ihre damaligen Anlagen fleißig ausgebildet hatte und eine vollständige Kokette geworden war. Sogar jetzt, daheim, wo kein Besuch zu erwarten war, hatte sie echte Diamanten am Halse und an den entblößten Armen schimmern. Sie erkannte mich auf der Stelle. In einem Tone, welchem halb Freude, halb Besorgnis anzuhören war, rief sie in spanischer Sprache aus:

      »Sie, Sennor – — Sennor – —! Welch eine frohe Ueberraschung! Wie habe ich mich gesehnt, Sie einmal zu sehen! Bitte, kommen Sie herein ins Boudoir! Setzen Sie sich zu mir! Wir haben uns viel, viel zu erzählen.«

      Sie zog mich an der Hand in ihr Zimmer, und ich mußte neben ihr auf dem Diwan Platz nehmen. Ja, sie war ein schönes Weib; aber der Scheitel lag voller Haarschuppen; der Hals schien heute noch nicht gewaschen zu sein; die schön geformten Fingernägel hatten Trauerränder. Sie behielt meine Hand in der ihrigen und sagte mit einem neckischen Augenaufschlage:

      »Ich muß Ihnen gleich von vornherein gestehen, daß ich Ihren Namen vergessen habe. Ist das nicht unverzeihlich?«

      »Allerdings, besonders da Sie mir soeben versicherten, sich so sehr nach mir gesehnt zu haben.«

      »Sie dürfen verzeihen! Man sieht, hört und erlebt soviel, daß man das einzelne leicht vergißt. Sie hatten, wenn ich nicht irre, zwei Namen, Ihren wirklichen und einen andern, mit dem Sie von den Indianern genannt wurden. Dieser letztere hieß – hieß – wie nur gleich? Es war wohl Hand oder Fuß dabei!«

      »Old Firefoot,« fiel ich schnell ein, indem ich ihr einen falschen Namen sagte. Es war mir ungemein lieb, daß sie sich nicht mehr besinnen konnte. Sie hatte mit Jonathan Melton hier verkehrt; es war jedenfalls besser, wenn sie meine Namen nicht wußte.

      »Ja, ja, so war‘s – ein foot war dabei; das wußte ich,« nickte sie lachend. »Und Ihr Familienname? Wenn ich mich nicht irre, hießen Sie wie einer von den zwölf Monaten?«

      »März,« sagte ich.

      »Ja, März, März war es. Also, Sennor März, können Sie sich besinnen, wie wir damals auseinandergegangen sind?«

      »Nicht eben sehr freundlich.«

      »Nein, gar nicht. Wissen Sie, welche Drohung Sie sogar aussprachen?«

      »Ja, das weiß ich noch.«

      »Hätten Sie den Mut, es mir heute zu sagen?«

      »Warum nicht? Ich wollte Sie peitschen lassen, falls Sie sich noch einmal von mir erblicken ließen.«

      »Schrecklich! Hören Sie nur, wie das klingt! Eine Dame, noch dazu eine junge, hübsche, prügeln lassen! Hoffentlich war es nur eine Drohung von Ihnen!«

      »Sie waren vom Gegenteil überzeugt, denn Sie haben sich dann nicht wieder sehen lassen.«

      »Also hätten Sie die Drohung wirklich zur Wahrheit gemacht?«

      »Ganz gewiß! Ich gebe Ihnen mein Wort, daß es mir voller Ernst war.«

      »Entsetzlich! Sie sind kein Sennor, kein Mensch, sondern ein Tyrann!«

      »Nein. Ich besitze im Gegenteil ein sehr weiches Herz, tausche aber nicht gern Wachs für Eisen ein. Beides hat Berechtigung, aber jedes nur zu seiner Zeit. Wenn es sich nicht nur um die Freiheit so vieler Menschen handelt wie damals, sondern um Blutvergießen, um Leben und Tod, pflege ich keiner Laune zu folgen, selbst wenn es die Laune einer jungen und hübschen‘ Dame wäre.«

      »Warum legen Sie den Ton so auf dieses Wörtchen hübsch? Fanden Sie mich damals häßlich?«

      »Nein.«

      »Ihr Verhalten ließ es mich aber sehr vermuten.«

      »Weil das Ihrige nicht hübsch war. Sie gingen von der noch warmen Leiche Ihres Verlobten wie von einem Braten, der für den Herd geschlachtet worden ist.«

      »Ich liebte ihn nicht mehr. Also hübsch fanden Sie mich doch? Und jetzt? Haben Sie nicht bemerkt, daß ich mich verändert habe?«

      »Ja. Sie sind schöner geworden.«

      »Und das sagen Sie in einem so eisigen Tone? Sie sind wirklich ein entsetzlicher Mensch und ganz derselbe wie damals geblieben. Ich bin schöner, Sie aber sind nicht besser und gefühlvoller geworden. Aber gerade Ihre Kälte, Ihre Härte hat mir schon damals imponiert.«

      »Sprechen wir nicht von mir, sondern von Ihnen. Wie ist es Ihnen seit damals gegangen? Haben Sie sich immer wohlbefunden?«

      »Ja.«

      »Sie bereuten nicht, das Weib eines Wilden geworden zu sein?«

      »Zunächst nicht, denn er hielt Wort. Ich bekam alles, was er versprochen hatte, Gold, Edelsteine, einen Palast und sogar auch ein Schloß.«

      »Ach! Ich weiß zwar, daß es Indianer gibt, welche das Lager großer Schätze kennen, aber daß der Häuptling sein Versprechen so streng nehmen


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