Reisen in die Felsengebirge Nordamerikas. Balduin Mollhausen

Reisen in die Felsengebirge Nordamerikas - Balduin  Mollhausen


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wiederum wurden nur die Reit- und Packtiere getränkt. Die Herde litt augenscheinlich sehr, und unter diesen Umständen konnte uns allein die größte Eile vor Verlusten schützen, denn vor unserer Ankunft am Colorado, von dem uns noch zwei Tagereisen trennten, durften wir nach Aussage der Soldaten nicht auf das Ende dieser Not rechnen.

      Nachdem wir also bei Alamo Mucho wieder zur Ebene hinaufgestiegen waren, gebrauchten wir Sporen und Peitschen; der Wind belästigte uns nicht so sehr wie am vorhergehenden Tag, und in raschem Schritt ging es abwechselnd über glattgefegten Lehmboden und über tiefe Sandschichten. Der Eindruck, den diese tote, einfarbige Wüste auf den Reisenden macht, läßt sich kaum beschreiben; fast ohne es zu gewahren, wird man durch den gänzlichen Mangel an organischem und animalischem Leben traurig und düster gestimmt, man erblickt wohl einzelne abgestorbene Mesquitebüsche, irgendein glänzender Laufkäfer eilt mitunter über den sandigen Weg, und einige wohlgenährte Krähen ruhen sich träge auf einem gefallenen Stück Vieh aus; doch der Charakter der Wüste bleibt unveränderlich derselbe, sie liegt vor dem Menschen da in ihrer ganzen schreckenerregenden Öde wie das Bild eines grausigen Todes, das vorsichtig von einer belebenden Natur umgangen wurde, und voll Sehnsucht haftet der Blick auf den Kuppen blauer Gebirgszüge, die in der Ferne auftauchen. An manchen Stellen bildeten die Mesquitegebüsche kleine Waldungen, die aber größtenteils nur ein gewisses Alter erreicht hatten und durch irgendeinen mir unerklärlichen Einfluß plötzlich getötet und verdorrt waren.

      Gegen Abend, nach Zurücklegung von zweiundzwanzig Meilen, erreichten wir Cook’s Well, die letzte Station vor dem Colorado. Der Brunnen an dieser Stelle, der ebenfalls von den Soldaten gereinigt worden war, unterschied sich von Alamo Mucho nur durch die in geringem Maße veränderte Umgebung, und hier wie dort litten wir unter dem schrecklichsten Wassermangel. Seit achtundvierzig Stunden hatte die Mehrzahl unserer Tiere sich nicht einmal die Zunge benetzen können, der fürchterlichste Durst peinigte sie daher in so hohem Grade, daß sie nicht mehr nach gewohnter Weise unter den dornigen Gebüschen nach vereinzelten Grashalmen umhersuchten, sondern sich von uns zu trennen und den Rückweg einzuschlagen trachteten. Unsere Mexikaner blieben die ganze Nacht hindurch in Bewegung, und trotz ihrer Wachsamkeit war es einigen Tieren gelungen, sich in der Dunkelheit davonzuschleichen, und zwar in entgegengesetzter Richtung von der, die uns an den Colorado führte. Als wir am 19. Dezember aufbrachen, ritten zwei Mexikaner zurück, den Flüchtlingen nach, während wir mit dem übrigen Train der alten Straße folgten.

      Vor uns lag der Pilot Knob,Das Äußere der Felsen dieses abgesonderten Berges zeigt eine schwarze Farbe und eine Glätte, als wenn sie mit Firnis überzogen wären, weshalb die Sonne, zwischen dem nackten Gestein sich spiegelnd, auf merkwürdige Weise blitzt und schimmert. Der Berg besteht aus Granit, der von dunklem, vulkanischem Gestein (Basalt) mauer- und pfeilerähnlich durchzogen zu sein scheint. ein abgesonderter Berg, an dessen östlicher Basis der Colorado vorbeifließt und an dessen südlicher Seite die Straße den Fluß berührt. Der Berg ist weithin in der Wüste sichtbar, und weil sich Reisende desselben bequem als einer Landmarke bedienen können, so ist ihm der Name »Pilotenknauf« beigelegt worden. Der Weg führte auf der südlichen Seite einer hohen Uferbank hin, die sich bis an den Pilot Knob erstreckte, deren eigentlichen Charakter ich indessen nicht zu erkennen vermochte, weil Hügel von Flugsand sich an dieselbe anlehnten und auch teilweise über sie hinausragten. Nur an einer Stelle nahm ich wahr, daß sie aus horizontalen Schichten von Lehm, Sand und grobem Kies bestand.

      Als wir uns dem Colorado näherten und vielleicht noch acht Meilen von demselben entfernt waren, verschwanden die Gruppen der Mesquitebüsche mehr und mehr, wurden aber durch Weiden und Cottonwood-Bäume ersetzt, die sich allmählich verdichteten und eine Waldung bildeten. Zwei Meilen vom Fluß ritten wir an dem ersten Indianerdorf vorbei; es bestand aus wenigen Hütten, die von Yuma-Indianern bewohnt waren; auch erblickte ich hier kleine Felder, die mit Bohnen, Mais und Kürbissen bestellt waren. Wir hielten uns indessen nicht auf; unsere Tiere, die, geleitet vom Instinkt, die Nähe des Wassers ebensogut kannten wie wir selbst, drängten unaufhaltsam vorwärts, ihre Lasten schienen sich zu erleichtern, ihre Augen gewannen wieder etwas Feuer, der schleppende Schritt war verschwunden, und in der ganzen langen Reihe hörte man ein ununterbrochenes Schnauben — das Zeichen der Maultiere, wenn sie sich am Ende ihrer Arbeit wähnen.

      Endlich öffnete sich der gewundene Pfad, die Aussicht wurde frei, und vor mir erblickte ich den breiten Spiegel des Colorado, mit dem ich in den nächsten Monaten eine genauere Bekanntschaft schließen sollte. Ich begrüßte den stolzen Strom aus vollem Herzen, kniete nieder, um seit beinahe vier Jahren zum erstenmal wieder aus seinen Fluten zu trinken.

      Siebentes Kapitel

      Der Rio Colorado — Pasqual, der Häuptling der Yuma-Indianer — Fort Yuma — Die Umgebung von Fort Yuma — Dome Mountains — Colorado City — Die Erdbeben — Die Schlammvulkane — Die Yuma-Indianer — Die Offiziere des Militärpostens — Das Leben im Lager auf dem Ufer des Colorado — Der Chimney Peak in den Rocky Mountains — Erzählung eines Abenteuers des Herzogs Paul Wilhelm von Württemberg am Nebraska

      In meinem ersten Reisewerk»Tagebuch einer Reise vom Mississippi nach den Küsten der Südsee«, S. 405-408. habe ich mich schon über die ältesten Nachrichten, die den Rio Colorado des Westens betreffen, ausgesprochen; ebenso erwähnte ich die Namen von Reisenden, die es zuerst wagten, bis in die nördlichste Spitze des Golfs von Kalifornien und demnächst in den Colorado selbst vorzudringen. Im Begriff, die neuesten, an Ort und Stelle gewonnenen Nachrichten niederzuschreiben, ist es vielleicht angemessen, wenn ich noch einmal auf die ersteren zurückkomme.

      Nachdem Fernando Cortez sich im Jahre 1521 vom Vorhandensein und von der Nähe der Südsee überzeugt hatte, gab er sich der Hoffnung hin, auch eine Durchfahrt oder vielmehr eine Verbindung der beiden Weltmeere zu entdecken. Welche Wichtigkeit er auf die Verwirklichung seiner kühnen Hoffnung legte, geht aus einem Brief hervor, den er an Kaiser Karl V. schrieb, in dem es heißt: »Ew. Majestät werden selbst einsehen, daß diese Unternehmungen Ihnen mehr Ehre machen und unendlich mehr nutzen werden als alle bisherigen Forschungen in Indien.« Die Forschungen nach der gehofften Durchfahrt, die in beiden Meeren auf Befehl des Kaisers unternommen wurden, waren also gewissermaßen die erste Ursache, daß man so bald genauere Kenntnisse von den Küsten von Sonora und der kalifornischen Halbinsel erhielt. Die immer aufs neue ausgesandten Schiffe, die bald an der Westküste, bald an der Ostküste der Halbinsel, häufig aber auch an der Küste von Sonora hinaufsegelten, gelangten erst im Jahre 1540Fernando Alarchon erforschte im Jahre 1540 auf Befehl des Vizekönigs von Neu-Spanien, Antonio de Mendoza, den Golf von Kalifornien. wirklich bis an die Mündung des Colorado, ohne indessen den Fluß für etwas anderes als eine Verlängerung des Meerbusens zu halten. Die ersten Entdecker hatten dem Golf den Namen »Rotes Meer« beigelegt, wozu vielleicht die Ähnlichkeit mit dem arabischen Meerbusen, vielleicht aber auch die gelbliche Farbe desselben Veranlassung gegeben hat; später war er auch unter dem Namen »Cortezisches Meer« bekannt, bis er endlich allgemein als Golf von Kalifornien bezeichnet wurde.

      Erst durch die Jesuiten, die im Jahre 1697 anfingen, zahlreiche Missionen in Kalifornien zu gründen, erhielten diese fast zweihundert Jahre alten Entdeckungen einigen Wert und verbreiteten sich auch glaubwürdigere Nachrichten über Länderstrecken, die man bis dahin fast unbeachtet, oder auch für unzugänglich gehalten hatte. Zu den letzteren gehört das Gebiet des Rio Colorado. Schiffer hatten es mehrfach versucht, in den Fluß hineinzusegeln, doch war ihr Vorhaben stets an der heftigen Brandung gescheitert, die an der Mündung durch Ebbe und Flut verursacht wird. Pater Kino (Kühn) war der erste, der es unternahm, von Sonora aus an den Gila und den Colorado zu gelangen, und von ihm stammen die ältesten wichtigen Nachrichten über den Colorado.»Tagebuch einer Reise vom Mississippi nach den Küsten der Südsee«, S. 407. Seinem Beispiel folgten später Pater Sedelmeyer und Pater Gonsago. Nachdem man sich endlich davon überzeugt hatte, daß der Colorado von unwirtlichen Wüsten eingefaßt sei, schien der Strom, dem man soviel Aufmerksamkeit zugewendet hatte, plötzlich seine Bedeutung verloren zu haben; man stand von ferneren Unternehmungen, den Colorado weiter nördlich kennenzulernen, vollständig ab, und die bis dahin gewonnenen Nachrichten wurden in den nächsten hundert Jahren nur durch einige astronomische Bestimmungen von Punkten nahe der Mündung bereichert.

      Die Mormonen, die in einem kurzen Zeitraum die kulturfähigen Ländereien am Großen


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