Bissula. Felix Dahn

Bissula - Felix  Dahn


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Gärten voll springender Wasser, voll fremdländischer Hirsche und Rehe und singender oder farbenschillernder Vögel: und als ich sprach von dem tiefen Blau des Himmels und dem goldenen Glanz der Sonne in Aquitaniens herrlichen, fast winterlosen Gefilden, — da konnte sie gar nicht genug hören in Versen und Prosa von der Schönheit unsres Landes und von der Pracht und Kunst unsres Lebens. Und einmal patschte sie die kleinen Händchen zusammen vor Staunen und vor Vergnügen und rief: ›O Väterlein, das möchte ich auch einmal sehen. Nur einen Tag.‹ Ich aber hatte das heitere, holde Kind so lieb gewonnen, daß ich, von dem Gedanken freudig durchzuckt, sprach: ›Ei, so komm, mein Töchterchen! Aber nicht für einen Tag: — für immer. Willigt dein Vormund ein, nehm‘ ich dich an Kindesstatt an und führe dich mit nach Burdigala. Wie wird sich meine treffliche Frau deiner freuen! Als liebe Schwester nehmen dich meine Töchter auf: — eine Römerin sollst du mir werden!‹«

      »Aber da sprang sie, erschrocken wie ein aufgescheuchtes Reh, von meinem Schos auf, lief weg, hüpfte in ihr Boot, fuhr eilfertig über den See, und kam nicht wieder — viele Tage lang. Mich verzehrte die Sehnsucht, ja die Sorge, sie für immer verscheucht zu haben. Endlich ließ ich mich — es war ja damals tiefer Friede — an das Nordufer fahren und an ihre Waldhütte führen. Kaum ward sie meiner ansichtig, als sie mit lautem Aufschrei, rasch wie ein Baumspecht, eine riesige Eiche hinaufkletterte, und sich im dichtesten Geäst verbarg. Sie kam erst wieder herunter, als ich ihr feierlich, vor Oheim und Großmutter, gelobt hatte, sie nicht mitnehmen und nie wieder ein solches Wort auch nur sprechen zu wollen: ›denn,‹ klagte sie, Thränen in den Augen, ›in jenem heißen Lande müßt‘ ich elend verschmachten vor Heimweh nach den Meinen, nach den Nachbarn, ja nach Berg und Hag und See, der Waldblume gleich, welche man aus ihrem Moorgrund in trocknen Sand verpflanzte.‹« »Ein sinnig Kind,« sprach, nachdenklich geworden, der Tribun, seinen schönen braunen Vollbart streichend. »Sie ist also hübsch?« »Das will ich meinen!« fiel Herculanus ein: — laut, fast grimmig klang dies Lob. — »Ei, Neffe, du hast sie ja nie gesehen.« — »Du hast sie uns aber oft genug beschrieben! Ich könnte sie malen: — mit ihrem hellroten Haar.« »Und Bissula heißt sie?« fragte Saturninus weiter. »Ja, ›die Kleine‹,« erklärte Ausonius, »denn sie ist gar zierlich und zartgliedrig. Ich sah sie nun wieder regelmäßig, hielt aber streng mein Wort, sie nicht mehr einzuladen. Als ich Abschied nahm, weinte sie so kindliche, herzliche Thränen! ›Mit dir scheidet,‹ sagte sie, ›eine warme, goldighelle, schönere Welt, in die ich wie auf den Zehen stehend über einen Vorhang hineingeguckt.‹« —

      »Neulich nun, in Bindonissa angelangt — auf dem Wege durch das Land hatte ich viel der Anmutreichen gedacht — sah ich sie in der ersten Nacht im Traum vor mir, umringelt von einer giftigen Schlange: — die Kinderaugen waren hilfesuchend aufgeschlagen zu mir. Ich erwachte mit einem Aufschrei, und schwer fiel mir auf das Herz: was kann nicht widerfahren dem holden Mädchen — denn schön mag sie seither erblüht sein! — wenn unsre Kohorten nun bald alle Schrecken des Krieges tragen in jene Ufergehölze! Und ich gesteh‘ es: ganz besonders um jenes Kind wiederzusehen — vielleicht es zu schützen, bis der Krieg sich verzogen — bat ich den Kaiser, mich diesem Streifzug anschließen zu dürfen.«

      Zwölftes Kapitel

      »Du aber, Herculanus,« forschte der Tribun, »glaubtest wohl des Oheims Leben nicht sicher genug unter meinem Schutz, daß du dich so eifrig herzu drängtest?« Bevor der Neffe erwidern konnte, fiel Ausonius ein: »Aber — Dank den Göttern! unser Feldzug bleibt unblutig. Die Barbaren haben das Land geräumt. Wohin mögen sie gewichen sein? Was hast du durch deine Kundschafter erfahren von dem Treiben der Feinde?« — »Nichts! Das ist das Unheimliche. Es ist, als hätte die Erde sie eingeschluckt! — Sie sollen auch wirklich viel unterirdische Gänge und Keller haben, in welchen sie ihre Vorräte und sich selbst bergen in Zeiten der Gefahr. — Nur sehr schwer sind unsere Colonen auf dem Südufer als Späher zu gewinnen. Sie wissen recht gut: wir Römer kommen und gehen, die Alamannen bleiben im Land: und sie fürchten deren Rache. Und Überläufer giebt es nicht mehr! Ja, in früheren Kriegen wird oft davon erzählt. Aber daß die Überläufer ausbleiben, zeigt, daß drüben das Selbstvertrauen steigt und die Furcht vor Rom oder auch die Hoffnung auf Rom sinkt. Nur ein Paar Freiwillige gewann ich, — für schweres Geld! — auf Kundschaft sich weit voraus zu wagen: der nach Ost gewanderte kam wieder, ohne eine Spur vom Feinde gesehen zu haben: der nach Norden gesandte kam — bisher — gar nicht wieder. Und leider auch nicht einen Gefangenen haben wir gemacht! Nicht die Spur eines Menschentrittes haben wir gesehen auf dem ganzen Marsch entlang dem See. Einmal meinte ich freilich, ich sähe aus dem dichten Schilf, das stundenweit in den See hineinreicht, eine kleine Rauchsäule aufsteigen: — ich befahl, zu halten mit dem ganzen Heer: aber gleich war das einsame Wölklein wieder verschwunden.«

      »Ich begreife die Strategie unseres trefflichen Feldherrn doch nur,« spottete der Führer der Panzerreiter, zu Ausonius gewendet, »wenn ich ihm ein fast beleidigendes Maß von Vorsicht zumesse. Beim Herkules! Wo sie auch stecken, — nicht einen Tagmarsch können die Barbaren von uns entfernt sein.« — »Ja,« bestätigte Ausonius. »Ich sollte doch meinen, wir wären stark genug, sie aufzusuchen und zu verscheuchen aus ihrem Versteck.« Saturninus furchte nur leise die Brauen: »Was dein Neffe von meinem Mut urteilt, ist gleichgültig. Du aber, Präfekt, hast schon wieder vergessen, daß wir die Barbaren, nach des Kaisers Befehl, gerade nicht verscheuchen, sondern umfassen und zur Unterwerfung zwingen sollen. Zu dieser Umzingelung sind wir zu schwach und müssen wir die Schiffe abwarten. Wenn unsere Flotte nicht ihnen den See versperrt, entkommen sie abermals auf ihren Kähnen, wie schon oft. — Bleibe, pierischer Freund, bei deinen Hexametern und überlasse mir die Barbaren: es ist besser für alle Beteiligten.« »Ausgenommen die — Barbaren!« lächelte Ausonius, dem Freund die Hand reichend. »Wer sind wohl die Führer der Feinde?«

      »Die Römer auf dem Südufer nennen zwei Namen. Die übrigen alamannischen Gaue haben meist Könige —« »Soweit Germanen Königsherrschaft tragen, sagt Tacitus,« nickte der gelehrte Präfekt. »Mögen sie doch immer so fortleben, in zahllose Gaue zerklüftet, unter ihren Zaunkönigen und Dorfrichterlein, denen jeder nur gehorcht, soweit es ihm beliebt.« — »Es scheint, — das hat sich geändert. — Viele Gaue schließen sich zusammen zu Bünden, die auch im Frieden beisammen bleiben, nicht nur für einen Feldzug. Die Linzgauer nun haben, scheint es, keinen König, nur einen alten Gaugrafen. Dieser aber muß ein geistgewaltiger Mann sein. Denn er, der greise Hariowald, ist zum obersten Heerführer gekoren aller gegen uns verbündeten Gaue. — Nämlich, wir haben es nicht mit den »Lentienses« allein zu thun. Sie sind, nach Jahrhunderten der Thorheit, beinahe ein wenig dahinter gekommen, diese Barbaren, daß die »Freiheit«, das heißt, das Belieben, zu thun, was man will und sich nie um den Nachbar zu kümmern, ein zwar recht schönes, aber gefährliches Vergnügen ist, und daß sie bei solcher »Freiheit« für immerdar unsere Knechte werden, alle miteinander, wenn jeder Gau schadenfroh zusieht, wie ein Nachbargau, mit dem er einmal früher Hader gehabt, von uns bezwungen wird, — bis die Reihe an den Zuschauer kommt. Früher haben sie lieber uns ihren Überschuß an jungem Volk gestellt, ehe sie sich verbündet, dem Gebot eines Volksgenossen gefügt hätten: — schon seit geraumer Zeit ist das anders geworden; auch meine Bataver, diese trefflichen Krieger, wollen mir nicht mehr bleiben, ihre Dienstverträge nicht mehr erneuern! Und man hört gar nicht mehr die zahllosen Namen kleiner Völkerschaften, wie früher: fünf oder sechs große Bundesnamen sind es, die alles Land vom Ister bis zum Suebischen Meer erfüllen. — Das gefällt mir schon lange sehr, sehr übel! — Jener Alte nun ist der Feldherr aller gegen uns verbündeten Germanen.«

      »Feldherrnschaft der Alamannen!«

      »Verlache sie nicht, Ausonius! Ja, diese Feldherrnschaft des Waldkriegs: — sie hat uns seit jenem Quinctilius Varus viel Blut gekostet und manchen Sieg sehr streitig gemacht. Wie jener Weißbart das Haupt, so soll ein junger Verwandter von ihm der Arm, das Schwert, der Feuerbrand des Krieges sein.«

      »Wie heißt er?« — »Attalus!« — »Adalo! — so hieß ein Gespiele Bissulas! Sie nannt‘ ihn oft. Ich sah ihn auch manchmal: — trutzig genug blickte er auf mich. Sollte der es sein?«

      »Weiber und Männer in unseren Seestationen wissen nicht genug zu sagen von seiner Schönheit und kühnen Kraft.«

      »Nun,


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