Tausend Und Eine Nacht. Gustav Weil

Tausend Und Eine Nacht - Gustav  Weil


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ist dann der Tote noch bei uns, so ist‘s um uns geschehen? du bist ein unbeholfener Mensch und weißt dir nicht zu raten.« Sie sprach dann folgende Verse:

      »Du hast eine gute Meinung von der Zeit, wenn du einen schönen Tag siehest, und fürchtest sogleich kein Unglück mehr vom Schicksale. Du läßt dich durch einige ruhige Tage leicht täuschen, doch trifft das Unglück auf einmal in den heitersten Nächten ein.«

      Dann sagte die Frau zu ihrem Manne: »Besinne dich nicht lange; komm, wir wollen sogleich den Toten auf das Dach tragen und ihn in das Haus unseres Nachbarn, des ledigen Muselmanns, werfen.« Der Nachbar des Juden war Aufseher über die Küche des Sultans; er brachte oft viele Fettigkeiten nach Hause, weshalb er sehr von Katzen und Mäusen geplagt wurde, die fressen kamen, was er nach Hause gebracht und manches fortschleppten. Der Jude und seine Frau trugen also den Buckligen aufs Dach, gingen langsam damit bis ans Zimmer des Aufsehers und ließen ihn ganz gerade hinunter, bis er mit den Füßen auf den Boden kam; sie lehnten ihn dann an die Wand und gingen davon. Aber kaum waren sie wieder in ihrem Hause zurück, als der Aufseher von einer Mahlzeit,Eigentlich eine Schlußmahlzeit, d. h. ein Essen, das bei Gelegenheit der Vollendung des Korans oder auch irgend eines anderen heiligen Buchs gegeben wird. der er mit einigen Freunden beigewohnt, zurückkehrte; es war Mitternacht und er hatte eine brennende Kerze in der Hand. Als er in sein Zimmer kam und einen Menschen in der Ecke an der Mauer unter dem Luftloche stehen sah, sagte er: »Bei Gott« das ist gut; nun sehe ich, daß ein Mensch und nicht Katzen und Mäuse mir mein Schmalz, mein Fleisch und mein Schwanzfett stehlen, nun habe ich ungerechterweise Katzen und Hunde gemordet, während du durch das Luftloch und das Dach herunter zu mir ins Zimmer kommst, um mich zu bestehlen. Aber bei Gott! ich will mit meiner eigenen Hand mich an dir rächen.« Er nahm dann einen Hammer, sprang auf den Buckligen zu, schlug ihn auf die Brust, so daß er umfiel, und dann schlug er ihn noch auf den Rücken. Als er ihm aber hierauf ins Gesicht sah und ihn tot fand, da schrie er laut und sagte: »Wehe mir! ich habe ihn erschlagen, nur beim erhabenen Gott gibt es nun Schutz und Kraft.« Er ward ganz blaß vor Furcht und sagte: »Gott verdamme das Fett und das Schwanzstück! Ich vertraue nur noch auf Gott und überlasse mich seiner Bestimmung.«

      Als der Aufseher dann auch bemerkte, daß der Erschlagene ein Buckliger war, sagte er: »O was fange ich an? O Beschützer, hilf mir!« Er nahm dann den Buckligen auf die Schultern und ging aus seinem Hause fort — es war gegen Ende der Nacht — als er an den Anfang des Bazars mit ihm kam, stellte er ihn an die Seite eines Ladens hin, welcher in einer dunklen Straße war, und ging davon. Nach einigen Augenblicken kam ein großer christlicher Schreiber,Muallem heißt zwar gewöhnlich Lehrer, wird aber in Ägypten auf koptische Schreiber angewendet. er war ein verständiger Mann und der erste Makler des Sultans; er hatte sich zu Hause betrunken und wollte nun ins Bad gehen, weil er im Rausch doch wußte, daß die Zeit des Morgengebets nahe sei; so ging er denn, hin und her schwankend, bis zum Buckligen hin, wo er stehen blieb, um ein Bedürfnis zu verrichten. Als er nun einen Blick auf den Mann warf, glaubte er, es sei ein Dieb, der ihm seinen Turban stehlen wolle, wie es schon einer beim Heranbrechen der Nacht getan hatte. Er schlug daher mit der Faust den Buckligen auf den Rücken, warf ihn zu Boden, rief die Wache zu Hilfe und schlug indessen immer auf den Buckligen los und würgte ihn. Als die Wache mit einer Laterne kam und einen Christen sah, der auf einem Muselmann kniete und ihn schlug, fragte sie: »Was hat er getan?« Der Christ antwortete: »Er hat meinen Turban rauben wollen.« Die Wache sagte: »Steh von ihm auf.« Als er aufstand und die Wache sich dem Buckligen näherte und ihn tot fand, sagte sie:»Bei Gott! das ist schön; ein Christ bringt einen Muselmann um.« Sie ergriff sogleich den Christen, den Makler, legte ihn in Fesseln und brachte ihn noch in der Nacht in das Haus des Verwalters der Polizei. Der Christ war sehr erschreckt, doch konnte er nicht begreifen, wie er durch einige Schläge diesen Mann so schnell umgebracht habe; sein Rausch verließ ihn und er fing an, ernstlich über die Sache nachzudenken. Er blieb dann mit dem Buckligen bis morgens im Hause des Beamten. Kaum war dieser erwacht, so ging er ins Schloß und sagte dem König von China, daß sein Schreiber, der Christ, einen Muselmann umgebracht; der König befahl, man solle ihn hängen. Der Beamte verließ das Schloß und befahl dem Scharfrichter, dies bekannt zu machen und dann für den Christen einen Galgen zu errichten, um ihn daran zu hängen. Der Scharfrichter warf dem Christen einen Strick um den Hals und wollte ihn schon in die Höhe heben, da trennte der Küchenaufseher auf einmal die Volksmasse und sagte zu dem Scharfrichter: »Tu dies nicht! dieser hat ihn nicht umgebracht, sondern ich habe ihn erschlagen!« Und er erzählte hierauf seine ganze Geschichte, wie er ihn mit dem Hammer geschlagen und ihn dann weggetragen und an den Bazar hingestellt. »Es ist genug, daß ich einen Muselmann ums Leben gebracht, es soll nicht auch ein Christ für meine Schuld an dem Galgen sterben.«

      Als der Beamte die Rede des Aufsehers hörte, sagte er zu dem Henker: »Laß den Christen los und hänge diesen nach seinem eigenen Geständnis.« Der Henker nahm den Aufseher, stellte ihn unter den Galgen, warf ihm den Strick um den Hals und wollte ihn aufhängen, da kam der jüdische Arzt, drängte sich durch die Menschenmasse, und sagte: »Hängt ihn nicht, er hat niemanden getötet, sondern ich habe diesen Buckligen ums Leben gebracht. Nachdem nämlich diese Nacht schon alle Bazare geschlossen waren und ich zu Hause saß, kam ein Mann mit seiner Frau und klopften an die Türe; meine Sklavin ging hinunter und öffnete ihnen; die Leute hatten diesen kranken Mann gebracht und der Sklavin einen halben Dinar gegeben. Die Sklavin kam wieder herauf und sagte mir dies. Während sie nun zu mir heraufgegangen war, hatten aber die Leute, ohne mich zu erwarten, den Kranken oben an die Treppe hingelegt; als ich daher hinunter wollte, stolperte ich an ihn hin und rollte mit ihm die Treppe herab und er starb sogleich; folglich bin ich die Ursache seines Todes. Ich und meine Frau, wir nahmen ihn dann und trugen ihn aufs Dach; die Wohnung des Aufsehers stößt an die meinige, wir ließen also den Buckligen durch das Luftloch in sein Haus, und obschon er tot war, stand er doch aufrecht in einer Ecke gelehnt; daher glaubte der Aufseher, als er nach Hause kam, es sei ein Dieb, und schlug ihn mit einem Hammer, so daß er auf den Boden fiel: und darum behauptet er auch, er habe ihn erschlagen, während doch ich ihn getötet habe. Es ist genug, daß ich unschuldigerweise einen Muselmann umgebracht, es soll aber nicht mit meinem Wissen noch ein anderer für meine Schuld sterben: hängt ihn also nicht, denn ich bin der Mörder dieses Buckligen.«

      Als der Beamte die Worte des Juden hörte, sagte er zu dem Henker: »Laß den Aufseher los und hänge den Juden!« Der Henker warf das Seil um den Hals des Juden; da drang der Schneider durch die Leute und sprach zu dem Henker: »Tue dies nicht, denn nicht der Jude, sondern ich habe den Buckligen getötet.« Er wandte sich dann zu dem Polizeiobersten und sprach: »Kein anderer als ich hat diesen Buckligen umgebracht. Ich ging nämlich gestern spazieren,Der Widerspruch mit dem Anfang der Erzählung lastet nicht auf dem Übersetzer. und als ich zum Nachtessen nach Hause wollte, traf ich diesen Buckligen betrunken, mit einer Trommel in der Hand und laut singend; ich ging auf ihn zu, nahm ihn mit nach Hause und ging dann, gebackene Fische zu kaufen. Als ich sie nach Hause brachte, aßen wir; ich nahm davon ein Stück und stopfte es ihm in den Mund, es blieb ihm im Halse stecken und er starb davon. Da ich mich nun fürchtete, gingen ich und meine Frau mit ihm zum jüdischen Arzte; wir klopften an die Türe, die Sklavin kam herunter und öffnete uns. Ich sagte ihr: gehe zu deinem Herrn und sage ihm, daß ein Mann und eine Frau einen kranken Menschen hergebracht, den er ansehen soll; ich gab auch der Sklavin einen halben Dinar für ihren Herrn. Während sie nun hinaufging, trug ich den Buckligen die Treppe hinauf, lehnte ihn an und ging hierauf mit meiner Frau wieder fort. Der Jude stolperte über ihn beim Heruntergehen und glaubte, er habe ihn so umgebracht.« Der Schneider fragte den Juden: »Ist es nicht so wahr?« — »Es ist wahr«, antwortete der Jude. Der Schneider wandte sich dann zum Polizeiobersten und sagte zu ihm: »Laß den Juden frei und hänge mich, denn ich habe den Buckligen getötet.« Als der Beamte die Rede des Schneiders hörte, wunderte er sich über diese Begebenheiten und sprach: »Dies alles muß einen wunderbaren Grund haben und verdient wohl, daß man es mit goldener Tinte aufschreibe.« Er sagte dann zu dem Henker: »Laß den Juden los und hänge den Schneider.« Der Henker ließ den Juden los, stellte den Schneider unter den Galgen, warf ihm einen Strick um den Hals und sprach: »Ich bin nun bald müde vom auf— und zubinden.« Er wollte schon das Ende des Seils durch den Ring ziehen, um den Schneider zu hängen. Nun war aber der Bucklige der Spaßvogel und Hausfreund des Sultans von China, von dem er sich keinen Augenblick trennen konnte. Da aber der Bucklige in jener Nacht betrunken gewesen war, so hatte er


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