Tausend Und Eine Nacht. Gustav Weil
Sirbadj gegessen zu haben.«
Wir sagten ihm: »Erzähle uns doch, warum du kein Sirbadj essen willst?« Der Hauswirt aber sagte ihm: »Ich schwöre bei diesem und jenem, du mußt Sirbadj essen.« Er erwiderte dann: »Es gibt keinen Schutz und keine Macht, außer bei Gott dem Erhabenen; wenn es sein muß, so will ich meine Hand vierzigmal mit Wasser, vierzigmal mit Seife und vierzigmal mit Salzen, im ganzen hundertundzwanzigmal waschen.«
Der Hauswirt, erzählte der Aufseher dem König von China weiter, befahl seinen Jungen, Wasser zu bringen und was er sonst verlangte, um seine Hände zu waschen; er wusch sich nach oben erwähnter Weise, kam dann ganz unwillig zu uns, setzte sich, streckte seine Hand furchtsam aus, tunkte einen Bissen in den Sirbadj ein und aß wider Willen, er zitterte dabei mit der Hand und am ganzen Leibe; wir erstaunten sehr über hin. Auch sahen wir, daß der Daumen seiner Hand abgeschnitten war, so daß er sehr mühselig mit vier Fingern essen mußte und ihm die Speisen zwischen den Fingern herunterfielen. Wir fragten ihn, ob ihn Gott so ohne Daumen geschaffen, oder ob er durch irgend einen Unfall ihn verloren? »Bei Gott!« sagte er, »nicht der Daumen dieser Hand allein fehlt mir, sondern auch an der anderen Hand und an beiden Füßen habe ich weder Daumen noch große Zehen; ihr könnt es gleich sehen.« Er zeigte uns dann seine andere Hand und beide Füße, und sie waren, wie er gesagt, ohne Daumen und große Zehen. Wir fragten ihn dann, wie das gekommen und warum er seine Hände hundertundzwanzigmal gewaschen? Er sprach hierauf: Wisset, daß mein Vater einer der größten Kaufleute in Bagdad war zu den Zeiten des Kalifen Harun Arraschid, er trank aber so gern Wein und hörte so gern Musik, daß er mir nichts bei seinem Tode hinterließ; ich veranstaltete eine Trauermahlzeit, ließ für ihn den Koran und andere heilige Bücher lesen und trauerte lange um ihn. Nach einiger Zeit öffnete ich den Laden, in dem ich noch wenige Waren fand, auf welchen sogar Schulden lasteten. Ich bat die Gläubiger, Geduld zu haben; ich kaufte und verkaufte von einer Woche zur andern, und bezahlte nach und nach alle Schulden, zuletzt nahm auch mein eigenes Vermögen täglich zu. Als ich einst des Morgens früh zu Hause saß, kam ein hübsches Mädchen, wie ich nie ein ähnliches gesehen, sie war mit vielem Schmuck beladen und ritt auf einem Maultier; vor ihr her ging ein Sklave und hinter ihr ein anderer; am Tore des Marktes hielt sie und stieg ab. Als sie eben in den Bazar gehen wollte, kam ein ehrwürdiger Diener hinter ihr her und sprach: »Geh voran, doch gib dich niemanden zu erkennen, sonst sammelst du feurige Kohlen auf mein Haupt.« Er umhüllte sie dann sorgfältig und sie sah sich um, fand aber noch alle Läden, außer dem meinigen, geschlossen; sie trat daher mit dem Diener in meinen Laden, setzte sich und grüßte mich.
Als sie ihr Gesicht enthüllte, fuhr der Jüngling fort, warf ich einen Blick auf sie, der für mich böse Folgen hatte. Sie fragte mich: »Hast du Zeug zu Kleidern?« Ich antwortete: »Dein Sklave ist arm, warte bis andere Kaufleute ihren Laden öffnen, ich will dir dann holen, was du nur wünschest.« Wir unterhielten uns hierauf eine Weile, und ich vertiefte mich immer mehr in ihrem Anblick. Als die Kaufleute öffneten, ging ich und holte ihr, was sie verlangte; es betrug 5000 Drachmen. Ich überreichte es ihr, der Diener nahm alles und ging nun mit der Frau zu den Sklaven hinaus, die ihr das Maultier vorführten, und sie ritt fort, ohne mir zu sagen, woher sie sei. Sie war so schön, daß ich mich schämte, ihr etwas darüber zu sagen, obschon ich bei den Kaufleuten für den Wert verantwortlich war, und mir daher eine Schuld von 5000 Drachmen aufgeladen hatte. Ich ging nach Hause und war so liebestrunken, daß ich eine ganze Woche lang weder essen, noch trinken, noch schlafen konnte.
Nach einer Woche, erzählte der Kaufmann weiter, forderten die Kaufleute das Geld für ihre Waren von mir; ich hieß sie Geduld haben. Während der folgenden Woche kam das Mädchen plötzlich wieder auf einem Maultier reitend, wie früher von einem Diener und zwei Sklaven begleitet; sie grüßte mich, setzte sich in den Laden und sagte: »Wir haben mit dem Gelde für die Waren etwas gesäumt; bringe den Geldwechsler und nimm dein Geld.« Ich holte einen Geldwechsler und der Verschnittene gab ihm das Geld; er nahm es und ich unterhielt mich mit ihr, bis der Bazar geöffnet wurde, dann bezahlte ich jedem, was ihm gebührte. Hierauf sagte sie mir: »Mein Herr! kaufe mir dieses und jenes.« Ich ging wieder zu den Kaufleuten und holte, was sie begehrte. Sie ging dann wieder fort, ohne etwas von dem Preise zu sprechen! Ich bereute es nachher, denn sie hatte für 1000 Dinare Waren genommen und ich dachte: Wie geht‘s mit dieser Bekanntschaft, sie gibt mir 5000 Drachmen und nimmt gleich wieder für 1000 Dinare Waren; die Kaufleute kennen nur mich; es gibt keinen Schutz und keine Macht, außer bei Gott, dem Erhabenen; gewiß ist diese Frau eine listige Betrügerin, die mich betrügen will, und ich habe nicht einmal nach ihrer Wohnung mich erkundigt. Sie blieb hierauf länger als einen Monat aus; die Kaufleute forderten ihr Geld von mir, und da ich keine Hoffnung mehr hatte, das Mädchen wiederzusehen, wollte ich meine Güter versteigern lassen. Als ich in der größten Verzweiflung war, kam sie wieder ganz unerwartet, stieg bei mir ab und sprach: »Bringe eine Waage und nimm dein Geld!« Als ich das Geld genommen, unterhielt ich mich wieder mit ihr und sie hatte an meinen Reden Wohlgefallen; ich hätte, als ich dies bemerkte, vor Freuden fliegen mögen. Sie fragte mich dann: »Bist du verheiratet?« Ich sagte: »Ich bin es nicht und war es nie«, und fing an zu weinen. Sie fragte: »Warum weinst du?« Ich sagte: »Es hat nichts zu bedeuten«, nahm einige Goldstücke und gab sie ihrem Bedienten, indem ich ihn bat, den Vermittler zwischen mir und seiner Gebieterin zu machen. Der Diener lachte und sagte: »Bei Gott! sie liebt dich noch mehr, als du sie liebst; auch braucht sie die Waren gar nicht, die sie bei dir geholt, und nur aus Liebe zu dir hat sie dies getan; rede sie nur selbst an von allem, was du willst.« Da sie gesehen hatte, daß ich dem Diener Geld gegeben, sagte ich ihr: »Erlaubst du deinem Sklaven, daß er dir mitteile, was er im Herzen trägt?« Dann fügte ich hinzu, was ich für sie fühlte, und sie erwiderte meine Worte, indem sie sagte: »Ich werde dir meinen Diener schicken, tue, was er dir sagt.« Sie ging hierauf fort, ich bezahlte den Kaufleuten ihr Geld und konnte die ganze Nacht nicht schlafen.
Nach wenigen Tagen kam endlich der Diener zu mir, ich erzeigte ihm viele Ehre und fragte ihn nach seiner Herrin. »Sie ist krank aus Liebe zu dir«, antwortete er mir. Ich fragte ihn, wer sie sei? Er antwortete: »Es ist ein Mädchen, das die Herrscherin Zubeida, Gemahlin des Kalifen, erzogen; sie ist ihr Liebling, sie geht für sie aus und besorgt ihr alle Geschäfte; und bei Gott! sie hat schon Zubeida das Abenteuer mit dir erzählt und um Erlaubnis gebeten, dich zu heiraten. Zubeida hat ihr geantwortet: sie wolle dich selbst sehen; wenn du ihr gefällst und sie dir, so werde sie dich mit ihr verheiraten. Ich werde dich in das Schloß bringen; kommst du glücklich hinein, so wirst du deine Geliebte heiraten, wirst du aber entdeckt, so verlierst du den Hals. Was sagst du dazu?« Ich antwortete: ich wolle es auf diese Weise wagen. Der Diener sagte mir dann: »Geh heute Nacht in die Moschee, die Zubeida am Ufer des Tigris hat bauen lassen!« Ich sagte: Gut! und ging abends in die Moschee, wie er mir gesagt; ich betete das Nachtgebet und blieb daselbst. Als der Morgen kaum anbrach, kamen Diener in einem Nachen, die leere Kisten bei sich hatten, sie ließen diese in der Moschee und gingen fort. Einer von ihnen blieb aber zurück; als ich ihn näher betrachtete, war es der bekannte Diener. Eine Weile nachher kam auch meine Freundin, das Mädchen, zu uns herein; ich stand vor ihr auf, dann setzten wir uns zusammen und plauderten; sie weinte, hieß mich in eine dieser Kisten sitzen und schloß sie zu. Die Diener kamen dann mit vielen Gegenständen, die sie in die anderen Kisten einpackten; als alles vollendet war, schlossen sie die Deckel, trugen die Kisten wieder in den Nachen und fuhren mit uns nach dem Hause Zubeidas. Ich bereute meine Tat und dachte: Bei Gott! ich bin verloren. Ich fing hierauf an zu weinen, Gott anzurufen und um Rettung zu flehen. Die Diener fuhren immer fort, bis sie mit den Kisten vor der Pforte des Kalifen vorübergingen, sie trugen meine Kiste mit den übrigen; schon waren sie vor den Dienern, denen der Harem anvertraut war, als sie endlich zu einem kamen, der aussah, als wäre er das Oberhaupt der übrigen; er erwachte vom Schlaf und schrie den Leuten zu: »Geht nicht weiter, diese Kisten müssen geöffnet werden.« Nun war die Kiste, in der ich mich befand, gerade die erste; als man mich zu ihm hintrug, verlor ich die Besinnung; aber das Mädchen trat hervor und sprach: »O Wächter! du verdirbst mich, die Kaufleute und Zubeidas Waren: denn in dieser Kiste sind gefärbte Kleider und eine Flasche Semsemwasser, wenn sie umstürzt und über die Kleider, die in der Kiste sind, ausläuft, so verwischt ihre Farbe.« Er antwortete: »Nun so nimm die Kiste und gehe.« Man trug mich schnell fort und die übrigen Kisten kamen nach. Da hörte ich auf einmal rufen: »Wehe, wehe! der Kalif!« Als ich dies hörte, starb ich fast in meiner Haut. Ich hörte dann, wie der