Tausend Und Eine Nacht. Gustav Weil
auf; die Welt war ganz schwarz in meinen Augen, ich suchte meine Freundin, fand sie aber nicht; so dachte ich wohl, daß sie aus Eifersucht dem Mädchen den Hals abgeschnitten; ich sagte: »Es gibt keinen Schutz und keine Macht, außer bei Gott, dem Erhabenen! Was ist nun zu tun? Ich dachte eine Weile nach, denn zog ich meine Kleider aus, denn ich dachte: gewiß wird die Freundin die Verwandten der Erschlagenen gegen mich aufhetzen; denn wer ist gegen Frauenlist sicher? und grub dann mitten im Saal ein Loch, nahm das Mädchen mit ihrem Schmuck und legte es hinein, bedeckte es dann wieder mit Erde und Marmorplatten, wie es war. Ich zog reine Kleider an, legte alles, was ich hatte, in die Kiste, ging aus meiner Wohnung, schloß sie und suchte mir Mut einzureden. Ich gab dem Eigentümer die Miete für ein Jahr und sagte ihm, ich werde zu meinen Oheimen nach Ägypten reisen. Ich mietete Kamele aus dem Chan Sultan und ging fort.
Da mir Gott eine glückliche Reise bestimmt hatte, fuhr der junge Mann fort, kam ich zu meinen Verwandten nach Kahirah und sah, daß sie ihre Waren auf bestimmte Termine verkauft hatten; sie waren erstaunt mich zu sehen, und freuten sich mit mir; ich sagte ihnen, daß ich Verlangen nach ihnen hatte, weil so lange keine Nachricht kam, sagte ihnen aber nicht, daß ich mein Vermögen mitgenommen. Ich blieb bei ihnen, vergnügte mich in Kahirah, aß und trank und verschleuderte mein übriges Geld. Als meine Oheime abreisen wollten, verbarg ich mich; sie suchten mich, fanden mich aber nicht. Da dachten sie, er wird wieder nach Damaskus zurückgekehrt sein, und reisten ab. Ich blieb nach ihnen noch drei Jahre in Kahirah, bis ich gar nichts mehr übrig hatte. Ich hatte jedes Jahr mein Mietgeld nach Damaskus geschickt, nun aber konnte ich dies nicht, denn es blieb mir nur noch das Nötige zur Reise. Ich mietete Kamele, reiste ab, und Gott ließ mich glücklich nach Damaskus kommen; ich ging in meine Wohnung; der Hausherr, ein Juwelenhändler, freute sich mit mir; als ich das Zimmer öffnete und die Siegel aufriß, auskehrte und abstaubte, da fand ich unter den Gegenständen, auf welchen ich mit dem Mädchen geschlafen, eine goldene Kette mit einem Schlosse aus zehn Edelsteinen von solcher Pracht, um den Verstand zu verlieren; als ich es sah, nahm ich es, und bewahrte es auf und weinte eine Weile. Ich reinigte dann das Zimmer und richtete es wieder so her, wie es früher war. Nach zwei oder drei Tagen ging ich ins Bad und ruhte aus, wechselte meine Kleider, aber es blieb mir gar nichts mehr zu leben übrig. Als ich dann auf den Bazar kam, reizte mich der Teufel und das Schicksal und die Bestimmung, bis ich den Halsschmuck mit den Edelsteinen nachher in ein Tuch wickelte, wieder auf den Bazar ging und ihn dem Makler gab. Als er ihn sah, küßte er mir die Hand und sagte: »Guten Morgen! Der ist, bei Gott, schön! Das ist ein guter, gesegneter Anfang!« Er ließ mich dann in dem Laden des Eigentümers meiner Wohnung sitzen und hieß mich Geduld haben, bis die Versteigerung begonnen. Dann nahm der Makler den Schmuck und rief ihn ganz heimlich im Verborgenen aus; ich wußte nicht, was er machte. Der Schmuck war sehr kostbar, und es ward 2000 Dinare darauf geboten. Aber der Makler kam zu mir und sagte: »Mein Herr, wollt ihr ihn für fünfzig Dinare geben? Wir glaubten, es sei gutes Gold, nun ist es aber falsch.« Ich sagte: »Nimm fünfzig Dinare dafür, ich wußte, daß es Kupfer war.« Als der Makler dies hörte, merkte er wohl, daß hier etwas ungerechtes vorgefallen mit dem Schmuck; er ging mit mir fort; besprach sich mit dem Obersten des Bazars, ging zum Polizeiobersten der Stadt und erzählte ihm, der Schmuck sei ihm gestohlen worden, er habe den Dieb als Kaufmann verkleidet gefunden. Als ich zu Hause saß und an nichts dachte, kamen auf einmal die Polizeidiener und führten mich zum Polizeiobersten. Dieser fragte mich nach dem Schmuck; ich sagte, was ich dem Makler gesagt; er lachte und schloß daraus, daß ich ihn gestohlen. Ich ward sogleich entkleidet und geprügelt. Ich mußte dann vor Schmerzen lügen und sagen: »Ich habe ihn gestohlen«. Da schrieb man mein Geständnis auf und hieb mir die Hand ab; ich lag einen halben Tag in Ohnmacht; man gab mir dann Wein zu trinken. Mein Hausherr trug mich fort und sagte: »Mein Sohn! du bist ein vornehmer junger Mann, hast eigenes Vermögen, was brauchst du zu stehlen und dir dadurch die Liebe aller Leute zu entfremden? Nun bist du ein verdächtiger Mensch; verlaß mich also, suche dir eine andere Wohnung und ziehe in Frieden!« Mein Herz brach, ich bat ihn, mir noch drei Tage Frist zu gönnen, und er willigte ein und ging fort; ich blieb in traurigem Nachdenken versunken und dachte: nie werde ich mit abgeschnittener Hand nach Hause zurückkehren können; ich weinte sehr heftig.
Ich war zwei Tage krank, sagte der junge Mann dem jüdischen Arzte; am dritten Tage kam auf einmal mein Hausherr mit Polizeidienern nebst dem Kaufmanne, der den Schmuck von mir gekauft und gesagt hatte, er sei ihm gestohlen worden; auch er wurde von fünf Mann Soldaten bewacht. Sie blieben an der Türe meiner Wohnung stehen. Ich fragte, was sie wollten, und sie säumten keinen Augenblick, legten mich in Ketten, fesselten mich und sagten: »Der Schmuck, den du hattest, gehört dem Statthalter von Damaskus, welcher erklärt hat, dieser Schmuck fehle ihm schon drei Jahre und seine Tochter dazu.« Als ich dies hörte, ward ich ganz betroffen; ich ging sogleich mit abgeschnittener Hand mit ihnen, bedeckte mein Gesicht und beschloß, dem Befehlshaber die Wahrheit zu erzählen; wird er verzeihen, gut; wo nicht, so mag er mich umbringen lassen. Als wir zum Befehlshaber gelangten und er mich sah, sagte er den Kaufleuten: »Laßt ihn los! ist er es, der meinen Schmuck verkaufte?« Sie sagten: »Ja!« Da versetzte der Statthalter: »Der hat ihn nicht gestohlen, warum habt ihr dem armen Manne die Hand ungerechter Weise abgeschnitten?« Dies gab mir Mut, und ich sagte dann auch: »Mein Herr, ich habe ihn nicht gestohlen; sie haben sich gegen mich verschworen; und dieser Kaufmann hier hat gesagt, ich habe ihn ihm gestohlen, er gehöre ihm; und nur weil der Polizeioberst mich so arg prügeln ließ, entschloß ich mich, um der Prügel los zu werden, gegen mich selbst zu lügen.« Er sagte: »Es soll nicht zu deinem Schaden gereichen;« und winkte sogleich dem Kaufmann, der den Schmuck mir weggenommen, und sagte: »Du mußt ihn für die abgehauene Hand entschädigen, ober ich lasse dich prügeln, bis keine Haut mehr an dir bleibt!« Er rief den Leuten, die vor ihm standen, zu, und sie ergriffen den Kaufmann und gingen mit ihm fort. Als ich nun allein beim Befehlshaber geblieben, sagte er: »Mein Sohn! sag mir die Wahrheit! erzähle mir, wie es mit diesem Schmuck gegangen, lüge aber nicht! nur die Wahrheit kann dich retten.« Ich antwortete ihm: »Bei Gott, es war gleich meine Absicht, dir alles zu erzählen.« Hierauf erzählte ich ihm die ganze Geschichte des Mädchens; wie sie mir noch ein Mädchen mit diesem Schmuck gebracht, wie sie dann eifersüchtig geworden und sie in der Nacht getötet habe und davongegangen sei, und ich nicht wisse, wer sie war. Ich sagte ihm die reine Wahrheit. Als er dies hörte, schüttelte er den Kopf, fing an zu weinen und schlug die Hände übereinander und sagte: »Ich gehöre Gott an, und nehme zu ihm meine Zuflucht.« Dann wandte er sich zu mir und sagte: »Mein Sohn, ich will dir die ganze Sache klar machen.«
»Wisse, daß das Mädchen, das dich zuerst besucht hat, meine ältere Tochter ist: ich hatte sie sehr streng bewachen lassen. Sie heiratete dann einen Vetter in Ägypten, der aber bald starb, und sie kam zurück, nachdem sie in Ägypten ganz verdorben war. Sie ging nun drei-, viermal zu dir, und brachte dir zuletzt auch meine mittlere Tochter, ihre Schwester. Diese beiden waren von einer Mutter, und liebten einander so sehr, daß sie keinen Augenblick voneinander getrennt bleiben konnten. Als sie nun dies Abenteuer mit dir hatte, offenbarte sie es ihrer Schwester, welche sie zu begleiten wünschte, und da du es ihr erlaubtest, nahm sie sie mit; dann ward sie eifersüchtig und schlachtete sie, und kam wieder nach Hause, ohne daß ich von etwas wußte. Erst als man an jenem Tage zu Tische ging, vermißte ich meine Tochter, und als ich nach ihr fragte, fand ich meine ältere Tochter weinend und voll Verzweiflung; sie sagte mir: »Mein Vater, ich weiß nur, daß, als man zum Gebete rief, sie ganz angekleidet mit Mantel und Kette und sonstigem Schmuck ausging.« Ich verließ sie, wartete geduldig, sagte niemandem etwas, um kein Aufsehen zu erregen; und so vergingen Tage und Nächte; der älteren Schwester trockneten die Tränen nicht mehr von jenem Tage an, sie aß und trank nicht mehr, so daß auch sie uns das Leben betrübte und verleidete. Sie sagte: »Bei Gott! ich werde immer weinen, bis ich den Todeskelch leere.« Sie peinigte sich lange und ward immer trauriger. Dies ist nun vorüber. Du siehst, was Menschen, wie mir und dir widerfahren kann; ich sehe, wie diese Welt nur eine Täuschung ist und wie der Mensch in ihr nur ein Bild ist. Nun, mein Sohn! möchte ich, daß du mir sogleich gehorchst: da doch das Schicksal dich deiner Hand beraubte. So nimm mein Haus an und heirate meine jüngste Tochter, die von einer anderen Mutter ist; ich will dir viele Güter und Waren als Mitgift geben und auch ein gutes Einkommen bestimmen! Du sollst die Stelle eines Sohnes bei mir einnehmen.« Ich sagte: »Mein Herr; wodurch verdiene ich dies? ich willige gerne ein.« Er ging dann sogleich mit mir in sein Haus, ließ Zeugen rufen und den Ehe-Kontrakt mit seiner