Tausend Und Eine Nacht. Gustav Weil
bei dir bringt mir Segen, Du erinnerst mich, daß ich gestern eine Gesellschaft zum Essen eingeladen, die ich ganz vergessen: soeben erinnere ich mich, daß ich gar keine Anstalten getroffen und zuschanden werde.« Ich sagte ihm: »Mache dir keinen Kummer deshalb! da ich heute eingeladen bin, so kannst du alle Speisen und Getränke nehmen, die ich im Hause habe. Mach‘ nur schnell und rasiere mich!« Er antwortete: »Gott belohne dich dafür. Doch sage mir, was du mir geben willst, daß ich wisse, was ich meinen Gästen anbieten kann.« Ich sagte ihm: »Ich habe fünferlei Gerichte und zehn gebackene Hühner und ein gebratenes Lamm.« Er sagte: »Laß es herbringen, damit ich‘s sehe!« Ich befahl einem meiner Jungen, alles herbeizuschaffen oder zu kaufen und schnell herzubringen. Als er die Speisen brachte und der Barbier sie sah, sagte er: »Nun wären die Speisen da, wo sind aber die Getränke?« Ich sagte ihm: »Ich habe einen oder zwei Krüge Wein.« Er sagte: »Laß sie herbringen!« Ich hieß den Jungen den Wein zu bringen. Als er ihn brachte, sagte der Barbier: »Gott segne dich! wie freigebig bist du! wie edel deine Abstammung! Nun wären Speisen und Getränke da, es fehlen nur noch Früchte und Süßigkeiten.« Ich befahl dem Diener, eine Büchse zu bringen, worin für fünf Dinare Moschus, Ambra und Aloe war, und da mich die Zeit drängte, sagte ich dem Barbier: »Nimm alles und fertige mich nur endlich ab!« Er sagte: »Bei Gott! ich nehme es nicht, bis ich eins nach dem anderen durchsehe.« Ich sagte dem Diener: er solle die Büchse aufdecken; als er dies tat, warf der Barbier das Astrolabium aus der Hand, noch waren die meisten Haare ungeschoren; er setzte sich hin und wühlte die Spezereien und Parfümerien durcheinander, bis mir fast der Atem ausging; er nahm dann das Schermesser wieder, rasierte einige Härchen ab und sprach folgenden Vers:
»So wie die Bäume nach ihrem Stamme wachsen, so ist auch der Sohn dem Vater ähnlich.«
Er sagte dann: »Bei Gott, mein Herr! ich weiß nicht, ob ich dich oder deinen Vater loben soll; meine ganze Mahlzeit werde ich deiner Güte verdanken, möge dich Gott lang erhalten! Ich habe, bei Gott, keinen einzigen Gast, der so etwas verdient; doch besuchen mich nur ehrwürdige Leute, wie Santut, der Badwirt (der ein Bad hält); Sali, der Küchenerbsen verkauft; Salut, der Bohnenhändler; Akrascha, der Kräuterhändler; Suweid, der Kameltreiber; Hamid, der Gassenkehrer; Abu Makurisch, der Milchhändler; Subad, der Lohnbediente; Kasim, der Nachtwächter; Kerim, der Stallknecht. Es sind lauter Leute, die weder roh, noch boshaft sind; jeder von ihnen tanzt einen eigenen Tanz und singt eigene Verse dazu. Ihre schönste Eigenschaft ist, daß sie alle, wie dein Diener, nicht gern viel reden. Der Badwirt, der spielt etwas Bezauberndes auf dem Tamburin, tanzt dabei und singt: O Mutter! mein Kopf! fülle meinen Krug!«
»Der Küchenerbsenhändler aber bringt noch mehr Kenntnisse mit, als die andern, der tanzt und singt: O Herrin! o Seufzende! was säumst du so lange? Da muß jedermann lachen. Der Gassenkehrer dann, wenn der singt, so bleiben die Vögel stehen; er sagt: weiß mein Weib eine Neuigkeit, so bleibt sie in keiner Kiste verschlossen. Der ist ein kluger, gebildeter, starker, erhabener Mann von hohem Range; ich habe über seine Schönheit folgenden Vers gedichtet:
»Ich möchte mein Leben hingeben für den geliebten Gassenkehrer: er besitzt süße Tugenden und ist so schweigsam, wie der Zweig eines Baumes; das Schicksal war mir eine Nacht günstig, und ich sagte ihm, während ich die immer wachsende Liebe an ihm stillte: du hast in meinem Herzen ein großes Feuer angezündet; und er antwortete: Es schadet nichts, wenn ein Gassenkehrer auch Feueranzünder wird.«
»Es besitzt jeder von ihnen so viele Eigenschaften, daß man vor vielem Lachen über ihre Späße fast toll wird. Mein Herr kann nun wählen, ob ich sie heute zu mir kommen lasse, oder ob du zu deinen Freunden gehen willst, zu denen du bestellt bist. Du könntest, kaum erst genesen, zu Schwätzern kommen, die von vielen Dingen reden, die sie nichts angehen, und da du noch schwach von deiner Krankheit bist, so könnte es dir schaden.« Ich sagte ihm, und mußte trotz meines Zornes lachen: »Du hast mir nun genug getan; doch dies kann vielleicht an einem anderen Tage stattfinden, so Gott will; mache nun, daß du fertig wirst, und gehe unter Gottes Schutz; laß dir wohl sein mit deinen Freunden, die dich erwarten!« Er sagte: »O mein Herr, ich möchte dich gar gerne mit diesen klugen Leuten bekannt machen, unter denen kein Schwätzer ist: denn seitdem ich groß bin, kann ich die Gesellschaft keines Menschen ertragen, der nach Dingen fragt, die ihn nichts angehen, oder der nicht, wie ich, wenig spricht. Hättest du einmal in Gesellschaft dieser Leute gelebt, du würdest dich von allen deinen übrigen Bekannten lossagen.« Ich sagte ihm: »Gott lasse deine Freude an ihnen vollkommen sein; ich werde gewiß einmal mit ihnen zusammenkommen, und mich bei dir in Gesellschaft dieser Leute unterhalten.« Er sagte hierauf: »Es wäre mir lieb, wenn du heute mit mir zu meinen Freunden gingest; ich würde dann mit dem, was du mir schenkst, vorangehen. Kannst du aber heute durchaus deine Freunde nicht verlassen, so bringe ich nur meinen Freunden zu essen und zu trinken, komme dann wieder hierher und gehe mit dir zu deinen Freunden: denn zwischen mir und meinen Freunden herrscht gar keine Ziererei, die mich abhielte, wieder zu dir zu kommen.« Ich sagte: »Es gibt keinen Schutz und keine Macht, außer bei Gott, dem Erhabenen! Geh‘ du zu deinen Freunden und laß dir bei ihnen wohl sein, und laß mich heute zu meinen Freunden geben, die mich erwarten.« Der Barbier aber antwortete: »Bewahre Gott, daß ich mich von dir trenne und dich allein gehen lasse!« Ich sagte: »Der Ort, wohin ich gehe, ist eng und hat keinen Raum für dich.« Er versetzte: »Ich glaube, du hast eine Zusammenkunft mit einer Dame: denn gingest du zu einer Mahlzeit, du würdest mich mitnehmen; denn ein Mann, wie ich, ist bei Mahlzeiten, Festlichkeiten und Belustigungen ganz an seinem Platz. Kommst du aber mit jemanden zusammen, wo du gern allein bist, so kann ich dir dazu behilflich sein. Ich werde dafür sorgen, daß dich niemand ins Haus (des Mädchens) gehen sehe, was dir Verderben bringen würde; denn in dieser Stadt, und besonders an einem solchen (Feier-) Tage, kann niemand etwas derartiges tun, weil der Polizeioberste von Bagdad streng, von harter Natur und unerbittlich in seiner Macht ist.« Ich sagte ihm: »Wehe dir! du schlimmer Alter, belohnst du mich so?« Er sagte mir: »O Einfältiger: schämst du dich nicht! gestehe mir alles; ich weiß es ja doch und möchte dir gerne behilflich sein.« Da ich nun fürchtete, daß dieser Barbier mir durch sein Geschwätz bei meinen Leuten und Nachbarn einen bösen Namen mache, schwieg ich. Als nun aber die Mittagsstunde herannahte und schon zweimal zum Gebet gerufen worden,Am Freitag wird immer dreimal auf dem Minarett zum Gebet gerufen; um halb zwölf, dreiviertel und zwölf Uhr. Zu den übrigen Gebeten nur einmal. und nun auch mein Haupt rasiert war, sagte ich ihm: »Geh‘ jetzt, bringe diese Speisen und Getränke in dein Haus für deine Freunde; ich will hier warten, bis du wiederkehrst und dich alsdann mit mir nehmen.« Ich sagte ihm dann noch manches Süße und Schmeichelhafte, in der Hoffnung, ihn los zu werden. Er sagte aber: »Mir ist, als wolltest du mich hintergehen und ohne mich weggehen, und dich in eine Gefahr stürzen, aus der es keine Rettung gibt. Bei Gott! bei Gott! geh‘ nicht weg, bis ich wiederkehre und dich begleite, daß ich weiß, was aus dir wird, und daß man keine List gegen dich gebrauche.« Ich sagte: »Gut! säume nur nicht!« Nun nahm der Verdammte alle Speisen und Getränke, den Braten und die Aromen, die ich ihm geschenkt, ging fort, um sie mit einem Träger nach Hause zu bringen; und als ihn eine Straße vor mir verbarg (d. h. von mir trennte), machte ich mich alsbald auf, denn schon war das Gebet zum drittenmal ausgerufen, kleidete mich an und ging schnell in die Straße (wo das Mädchen wohnte). Ich blieb vor dem Hause stehen und schon erwartete mich die Alte; ich ging mit dieser in den obern Stock, wo das Mädchen war. Ich war nicht lange im Hause, so kehrte der Hausherr schon wieder vom Gebete zurück und ging ins Haus und riegelte die Türe zu, und als ich zum Fenster hinaus sah, stand der Barbier, den Gott verdamme, vor der Türe. Ich dachte: woher weiß der Teufel das? Nun traf sich gerade nach Gottes Beschluß, um mich zu beschämen, daß der Hausherr eine Sklavin, die etwas Unrechtes getan, schlug; sie schrie, und ein Sklave kam ihr zu Hilfe. Da aber der Hausherr auch diesen schlug, schrie auch er. Da glaubte der verdammte Barbier, ich sei geschlagen worden. Er fing an zu schreien, zerriß seine Kleider, streute Erde auf seinen Kopf und rief um Hilfe; eine Menge Volk sammelte sich um ihn, während er immer schrie: Mein Herr wird im Hause des Kadhi totgeschlagen. Er ging dann in mein Haus, schrie immerfort und benachrichtigte meine Familie und meine Diener von dem Vorfall. Auf einmal kamen sie alle mit zerrissenen Kleidern, die Haare in Unordnung herabhängend, und schrieen: O unser Herr! Der Barbier ging ihnen im häßlichsten Aufzuge voran, zerriß immer seine Kleider und schrie unaufhörlich.
Durch das Geschrei meiner Leute versammelte sich vieles Volk um sie, und alle schrieen: