Tausend Und Eine Nacht. Gustav Weil
Bedruddin, auch er hieß sie freundlich willkommen und unterhielt sich mit ihr; als ich ihre Stimme hörte, ward meine Liebe zu ihr immer heftiger, ich war ganz entzückt und fühlte schon meine Liebe unvertilgbar. Sie fragte Bedruddin: »Hast du wohl einen Stoff mit wilden Jagdzeichnungen?« Bedruddin zeigte ihr ein solches Stück, das er von mir für 1200 Dinare in Kommission hatte. Sie sagte dem Kaufmann: »Mit deiner Erlaubnis will ich dieses Stück mit mir nehmen; ich gehe nur in den nächsten Bazar und schicke dir sogleich das Geld dafür.« Der Kaufmann sagte ihr aber: »Das kann nicht sein, meine Gebieterin, denn hier ist der Eigentümer dieser Waren, dem ich heute noch eine bedeutende Summe Geld bezahlen muß.« — »Pfui!« antwortete sie; »Komm ich nicht gewöhnlich zu dir und nehme ein ganzes Stück Ware mit mir, zahle dir dafür, was du verlangst, und schicke dir das Geld, sobald ich die Ware genommen?« — »Es ist wahr«, sagte Bedruddin, »aber ich muß eben heute noch das Geld für diesen Stoff haben.« Wie sie dies hörte, warf sie das Stück Ware mitten in den Laden, geriet in heftigen Zorn und sagte: »Gott züchtige eure Sippschaft: Ihr wißt niemanden zu schätzen.« Sie stand dann auf und wollte gehen.
Als die Frau fortgehen wollte, erzählte der junge Mann weiter, war mir, als wenn ein Teil meines Herzens ihr nachfolgen müßte; ich sagte ihr also: »Bei Gott, meine Gebieterin, tu mir die Freundschaft und komme mit mir.« Sie drehte sich um, lächelte und erwiderte: »Deinetwegen kehre ich zurück.« Sie setze sich mir gegenüber in den Laden; ich aber sprach zu Bedruddin: Wie teuer habe ich dir dieses Stück gelassen?« — »Um 1200 Dinare«, antwortete er. »Nun«, sagte ich ihm, »ich zahle dir 100 Dinare Profit; gib Papier her, ich gebe dir‘s sogleich schriftlich.« Er gab mir Papier und ich schrieb den Handel darauf, nahm dann das Stück Ware, überreichte es der Dame und sagte ihr: »Hier, meine Gebieterin; wenn du willst, so bringst du mir das Geld auf den nächsten Markt, wo nicht, so nimm es als Geschenk von mir an.« Sie antwortete: »Gott belohne dich dafür, beschere dir alles, was ich habe, und laß dich meinen Gatten werden!« Die Tore des Himmels waren gerade geöffnet und ihre Worte fanden Eingang. Ich sagte ihr hierauf: »O, meine Gebieterin, nimm doch dieses Stück Ware, und so Gott will, sollst du noch viele andere erhalten; aber laß mich dein Gesicht sehen!« Sie wandte mir ihr Gesicht zu, nahm ihren Schleier herunter und warf mir einen Blick zu, der böse Folgen hatte: denn ich verlor meinen Verstand. Sie umhüllte sich dann wieder mit ihrem Tuche, nahm die Waren und sprach. »Mein Herr! es wird mir unheimlich werden, wenn ich weg von dir bin;« hierauf verschwand sie. Ich blieb bis nach dem Nachmittagsgebet auf dem Markte, war aber schon in einer ganz anderen Welt. Ich fragte den Kaufmann nach der Dame, und er sagte mir: »Sie besitzt ein großes Vermögen und ist die Tochter eines Fürsten, von dem sie viel geerbt hat.« Ich verließ dann den Kaufmann und ging in den Chan zurück. Man brachte mir das Abendessen, ich dachte aber nur an sie und konnte nichts essen; ich wollte schlafen, konnte aber nicht, ich wachte bis zum Morgen; dann kleidete ich mich an, frühstückte etwas und ging wieder in den Laden Bedruddins.
Als ich eine Weile im Laden Bedruddins gesessen, kam die Dame wieder, in einem noch schöneren Aufzuge, als der gestrige, von einer Sklavin begleitet; sie grüßte mich freundlicher, als ich es verdiente, und sagte dann: »Mein Herr! schicke jemanden, um dein Geld zu holen.« Ich erwiderte ihr: »Was hat es denn für eine Eile?« Sie antwortete: »O mein Geliebter, möchtest du uns doch nie entzogen werden!« Sie überreichte mir dann mein Geld, setzte sich, und ich unterhielt mich mit ihr in doppelsinnigen Reden, aus denen sie entnehmen konnte, wie sehr ich sie zu besitzen wünschte. Sie stand dann plötzlich auf und ging fort, mein Herz hing fest an dem ihrigen. Ich ging auf die Straße, als plötzlich eine schwarze Sklavin zu mir trat und mir sagte: »Mein Herr! meine Gebieterin will dich sprechen.« Ich war sehr erstaunt und entgegnete: »Es kennt mich ja niemand.« — »O mein Herr!« antwortete sie, »wie schnell habt ihr meine Gebieterin vergessen, die heute bei euch im Laden des Kaufmanns saß.« Ich ging mit ihr bis zu dem Hause eines Bankiers. Als ihre Herrin mich sah, winkte sie mir, an ihre Seite zu kommen, und sprach: »0, mein Teurer! du hast mein Herz so sehr eingenommen, daß von dem Tage an, wo ich dich gesehen, mich kein Essen und kein Trinken mehr erlabte.« — »Mir geht es ebenso«, erwiderte ich; »und der Zustand, in dem ich mich befinde, überhebt mich weiterer Liebesklagen.« Sie fragte dann: »Mein Geliebter, sollen wir bei dir oder bei mir zusammenkommen?« Ich antwortete ihr: »Ich bin hier fremd, habe keinen anderen Wohnort, als einen Chan, glaube mir also, es ist besser, wenn wir bei dir zusammenkommen.«
»Gut«, sagte die Frau; »doch heute ist die Nacht des Donnerstags, da kann nichts geschehen, aber morgen nach dem Gebet besteige einen Esel und frage nach der Straße Habbanijeh, dann nach der Wohnung Berkuts, des Fürsten Abu Schama; laß dich aber nicht lange erwarten!« Ich sprach: »In Gottes Namen!« schied von ihr und konnte kaum den Anbruch des folgenden Morgens erwarten. Ich stand dann auf, nahm ein Bad und rieb mich mit wohlriechenden Ölen, auch legte ich fünfzig Dinare in ein Tuch und ging dann vom Chan Masrur nach dem Tore Suweila; hier bestieg ich einen Esel und sagte dem Treiber, er solle mich in das Quartier Habbanijeh führen. Als wir da ankamen und er vor der Straße Takwa stehenblieb, sagte ich ihm, er möchte sich nach der Wohnung des Fürsten Abu Schama erkundigen; er blieb eine Weile aus, kam dann wieder und sagte: »In Gottes Namen!« Ich stieg vom Esel und hieß den Treiber mir bis zur Wohnung vorangehen; er tat dies; ich gab ihm einen Viertel Dinar und sagte ihm, er solle morgen früh wiederkommen, mich nach dem Chan Masrur abzuholen, worauf er mich verließ. Ich klopfte an die Türe, es kamen zwei weiße junge Sklavinnen heraus; sie sagten: »Komm in Gottes Namen! Unsere Gebieterin hat vor Sehnsucht nach dir die ganze Nacht nicht geschlafen.« Ich trat in den Vorhof und sah eine sieben Stufen hoch von der Erde gebaute Wohnung, rings herum von vergitterten Fenstern umgeben, welche auf einen Garten gingen, in dem köstliche Früchte und eine Menge von Vögeln waren, auch durchströmten ihn viele Bäche; es war eine Lust ihn anzusehen. Mitten im Garten war ein Springbrunnen, an dessen vier Ecken vier aus Gold gegossene Schlangen waren, welche aus dem Rachen so klares Wasser spien, als wären es Perlen oder Edelsteine.
Ich ging in die Wohnung und setzte mich; da kam die Dame mit dem kostbarsten Schmucke behangen und mit den schönsten Farben geziert.Selbst schöne junge Frauen färben sich im Orient Füße und Hände mit Hennah und die Augenbrauen mit Kohel. Als sie mich sah, lächelte sie mir ins Gesicht und flog dann in meine Arme. Dann sagte sie: »Bist du wirklich bei mir, mein Herz?« — »Ja, dein Sklave ist bei dir«, antwortete ich. Sie sagte dann: »Bei Gott! von dem Tage an, wo ich dich sah, erquickte mich keine Speise und kein Schlaf mehr.« — »Mir ging es ebenso«, erwiderte ich. Ich saß kaum eine Weile mit gebeugtem Haupte bei ihr, so brachte man eine Schüssel voll mit den trefflichsten Speisen: Fleisch mit saurer Sauce, gebackene Fische, Honigseim, Hühner mit Zucker und Pistazien gefüllt; wir aßen, bis wir satt waren: man nahm dann den Tisch weg, wir wuschen unsere Hände und ließen uns mit Rosenwasser bespritzen, das mit Moschus vermischt war. Die Dame setzte sich dann wieder zu mir und unterhielt sich mit mir. Schon war meine Liebe zu ihr festgewurzelt, und alles, was ich besaß, schien mir nichts neben ihr. Wir spielten dann miteinander bis zur Nacht, da brachte man uns Wein und ein vollständiges Mahl, Wir tranken miteinander bis Mitternacht und ich brachte die schönste Nacht in meinem Leben bei ihr zu. Des Morgens warf ich das Tuch mit den 50 Dinaren unter ihr Bett und nahm weinend Abschied von ihr. Sie fragte mich, als ich gehen wollte: »Wann sehe ich dich wieder?« Ich antwortete: »Heute abend werde ich wieder bei dir sein.« Sie begleitete mich bis zur Türe und sagte dann: »Mein Herr! bringe heute Abend das Nachtessen mit dir.« Als ich auf die Straße kam, ging ich zum Eseltreiber, mit dem ich den vorigen Tag hierherkam, und der schon auf mich wartete. Ich bestieg den Esel und ließ ihn nach dem Chan treiben; hier entließ ich den Eseltreiber ohne Bezahlung, mit dem Auftrage, bei Sonnenuntergang wiederzukommen. Er ging zufrieden fort. Nachdem ich etwas weniges gefrühstückt hatte, ging ich, um Geld für meine Waren einzufordern, ließ dann ein Schaf braten, einige Gemüse zubereiten und süße Speisen kaufen, legte alles in den Korb eines Trägers und schickte es der Dame. Ich ging dann so lange meinen Geschäften nach, bis der Eseltreiber mich abzuholen kam. Ich legte wieder 50 Dinare in ein Tuch und einen halben Dinar besonders für den Eseltreiber und ritt zur Wohnung der Dame; hier bezahlte ich den Eseltreiber und ging ins Haus, das ich noch schöner als am vorhergehenden Tage aufgeputzt fand. Als die Dame mich sah, küßte sie mich und sagte: »Ich habe mich heute sehr nach dir gesehnt.« Sie ließ dann den Tisch decken, wir aßen, bis wir genug hatten, man brachte dann Wein, wir tranken bis Mitternacht und schliefen bis zum Morgen. Ich