Tausend Und Eine Nacht. Gustav Weil

Tausend Und Eine Nacht - Gustav  Weil


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voll Salz, womit sie die Wunden meines Bruders bedeckten, bis er die Besinnung verlor. Er hatte sich übrigens nicht gerührt, aus Furcht, der Sklave möchte merken, daß er noch lebe und ihn umbringen. Die Sklavin ging dann fort und fragte: »Wo ist die Kellermeisterin?« Da kam die Alte, schleppte meinen Bruder an den Füßen fort, öffnete den Keller und warf ihn zu vielen anderen Erschlagenen. Er blieb dann zwei Tage in Ohnmacht liegen, ohne sich zu bewegen; aber der erhabene Gott hatte durch dieses Salz, welches das Blut stillte, ihn beim Leben erhalten, er kam wieder zu sich und konnte sich bewegen. Ganz furchtsam und leise trat er aus dem Keller heraus und ging im Dunkeln fort, bis er in den Gang kam; hier wartete mein Bruder, bis die verfluchte Alte des Morgens wieder auf eine frische Jagd ausging, alsdann folgte er ihr nach, ohne daß sie es bemerkte. Er blieb einen Monat lang zu Hause und pflegte sich, bis er wieder genesen war; indessen beobachtete er die Alte immer, und bemerkte, wie sie einen nach dem anderen auffing und in jenes Haus führte. Mein Bruder sagte kein Wort. Als er wieder ganz gesund war, nahm er von seinen Lumpen, machte einen Sack daraus und füllte ihn mit Glas, gürtete ihn um, und verstellte sich so, daß man ihn nicht erkannte; er verkleidete sich als Fremder, nahm ein Schwert und das Kleid, und als er die Alte sah, sagte er ihr in einem fremden Dialekt. »Ich bin fremd hier, hast du vielleicht eine Goldwaage im Hause, wo ich 500 Dinare wiegen könnte?« Die Alte antwortete: »O mein Fremder! ich habe einen Sohn, der Geldwechsler ist und vielerlei Waagen hat; komm geschwind mit mir, ehe er in seinen Laden geht, er wird dir dein Gold wiegen.« Mein Bruder sagte ihr: »Geh mir voran!« Sie ging mit meinem Bruder, bis sie wieder an jene Türe kamen, wo sie anklopfte, es kam wieder dasselbe Mädchen heraus. Die Alte lachte ihr entgegen und sagte: »Heut bringe ich dir fettes Fleisch.« Das Mädchen faßte dann meinen Bruder an der Hand und brachte ihn in die Wohnung, in der er schon einmal war, setzte sich eine Weile zu ihm und sagte dann: »Geh nicht von hier, bis ich wiederkehre!« Als sie weggegangen war, kam sogleich der verfluchte Schwarze wieder, mit einem bloßen Schwert in der Hand, er sagte zu meinem Bruder: »Steh auf, du Verfluchter!« Mein Bruder stand hinter ihm auf, griff nach dem Schwert, das er unter dem Kleid hatte, und schlug den Schwarzen so, daß sein Kopf vom Rumpfe fiel; sodann schleppte er ihn an den Füßen nach dem Keller. Hierauf kam die Sklavin mit einer Schüssel voll Salz; als sie meinen Bruder mit dem Schwert in der Hand sah, nahm sie die Flucht, er aber holte sie ein und hieb ihr den Kopf ab. Sodann kam die Alte, und als mein Bruder sie sah, sagte er ihr: »Kennst du mich, du Alte des Unheils?« Sie entgegnete: »Nein, mein Herr!« Da sagte mein Bruder: »Ich bin der Herr des Hauses, in dem du gebetet hast, und den du alsdann hierher gebracht.« Sie flehte: »O übereile dich nicht!« Er gab ihr aber kein Gehör und zerhieb sie in vier Teile. Mein Bruder ging nun hinaus, um das Mädchen aufzusuchen; als sie ihn sah, verlor sie den Verstand; sie erbat sich ihr Leben von ihm, und er versprach ihr, sie leben zu lassen. Er fragte sie: »Wie bist du wohl zu diesem Schwarzen gekommen?« Das Mädchen antwortete: »Ich war Sklavin bei einem Kaufmann, und die Alte besuchte mich oft, daß ich ganz vertraut mit ihr ward.

      Eines Tages sagte sie: »Wir haben heut eine Hochzeit, dergleichen niemand je gesehen, und es wäre mir lieb, wenn du sie sehen wolltest.« Ich sagte: Recht gerne! machte mich auf, kleidete mich an, nahm meinen Schmuck und einen Beutel voll Geld und ging mit ihr. Sie führte mich zu diesem Hause und hieß mich mit ihr hineingehen. Kaum war ich im Hause, als mich der Schwarze ergriff; und so mußte ich durch die List der Alten, die Gott verdammen möge, drei Jahre bei ihm bleiben.« Mein Bruder fragte sie sodann: ob der Schwarze wohl Geld oder sonst etwas in diesem Hause hätte? und sie antwortete. »Sehr viel, und danke Gott, wenn du alles von hier wegschaffen kannst.« Als er nun mit ihr ging, öffnete sie mehrere Kisten, in welchen viele Beutel waren. Mein Bruder war höchst erstaunt darüber. Da sagte ihm das Mädchen: »Ich will hier bleiben, gehe du und hole jemanden, der das Geld von hier wegbringt.« Er ging auch sogleich und mietete zehn Leute. Als er aber — erzählte mir mein Bruder weiter — an die Türe klopfen wollte, fand er sie geöffnet; er ging hinein und fand zu seinem Erstaunen kein Mädchen und keine Geldbeutel mehr: nur Kleinigkeiten waren zurückgeblieben. Nun merkte er wohl, daß ihn das Mädchen betrogen; indessen nahm er, was sie zurückgelassen. Er öffnete die Magazine, nahm alle Kleider und ähnliche Effekten, ließ gar nichts im Hause zurück, und durchlebte eine fröhliche Nacht. Als er aber des Morgens aufstand, fand er zwanzig Hatschiere an seiner Türe, die ihn festnahmen und ihm sagten, der Polizeioberste lasse ihn holen. Mein Bruder bat sie, ihn doch erst nach Hause gehen zu lassen, und versprach ihnen Geld; aber sie hörten ihn nicht an, banden ihn fest, legten ihn in Ketten und führten ihn fort. Als sie auf dem Wege waren, begegnete ihm einer seiner Freunde; er ergriff den Saum seines Kleides, bat ihn, ein wenig bei ihm stehen zu bleiben und ihn aus der Hand dieser Hatschiere zu befreien. Sein Freund blieb stehen, bat die Soldaten, ihn frei zu lassen, und fragte sie: was er denn verbrochen? Sie antworteten: Der Polizeioberste habe ihnen befohlen, ihn zu ihm zu bringen, weshalb sie ihn aufgegriffen hätten, um ihn nach diesem Befehle zu verhaften. Hierauf sagte der Freund meines Bruders: »O ihr guten Leute! ich will euch die Mühe eures Wegs so gut bezahlen, als ihr wollt, laßt ihn nur frei und geht so wieder zum Polizeiobersten zurück.« Aber sie wollten ihn nicht loslassen.

      Als der Polizeioberste meinen Bruder sah — fuhr der Barbier fort — fragte er ihn: woher er auf einmal so viele Sachen besitze? Er antwortete: »Mein Herr! versprich mir vorher, mir nichts zuleid zu tun.« Nachdem jener es ihm versprochen, erzählte ihm mein Bruder die ganze Geschichte der Alten, von Anfang bis zu Ende, und daß zuletzt das Mädchen entflohen. Sodann sagte er: »Mein Herr! alles, was ich dort genommen, ist in meinem Hause: nimm du davon, was du willst, und laß mir nur etwas zu leben übrig.« Der Polizeioberste ließ nun seine Untergebenen mit meinem Bruder gehen, und ihm alle Effekten und alles Gold nehmen; da er aber doch fürchtete, der Sultan möchte diese Geschichte erfahren, ließ er meinen Bruder zu sich kommen und sagte: »Ich wünsche, daß du diese Stadt verläßt: tust du‘s nicht, so laß ich dich umbringen.« Mein Bruder entgegnete: »Ich bin bereit zu gehorchen;« und wanderte nach einem fremden Lande. Da überfielen ihn Räuber und zogen ihn ganz aus. Als ich dies hörte, brachte ich ihm Kleider; er zog sie an und ging heimlich mit mir in die Stadt zurück, wo ich ihn zu seinen Brüdern gesellte.

      Geschichte des sechsten Bruders des Barbiers

      Mein sechster Bruder aber, der mit der gespaltenen Lippe, war früher reich, verarmte jedoch später. Als er einst ausging, um sich etwas zu neuer Lebenskraft zu verschaffen, sah er ein schönes Haus mit einem großen Eingang und einer hohen Türe, an der viele Diener standen, welchen allerlei Befehle erteilt wurden. Er fragte einen der dort Stehenden, wem dieses Haus gehöre; man antwortete, es gehöre einem Nachkommen der Barmekiden. Mein Bruder ging hierauf zu den Pförtnern und forderte ein Almosen. Sie sagten: »Komm zur Türe herein, der Hausherr wird dir geben, was du verlangst.« Er ging also in den Hausflur und als er eine Weile gegangen, kam er an eine schöne Wohnung mit einem Garten in der Mitte, desgleichen kein Auge je gesehen; der Boden war mit Teppichen bedeckt, und die Wände mit Vorhängen verziert. Mein Bruder wußte vor Verwunderung nicht, wo er hingehen sollte. Endlich kam er an die Tür eines Saals; er ging hinein und sah oben im Saal einen Mann von schönem Gesicht und Bart; indem er auf denselben zuging, sah jener meinen Bruder, hieß ihn willkommen und erkundigte sich nach seinem Zustande. Mein Bruder sagte ihm, daß er der Hilfe bedürfe. Als jener dies hörte, zeigte er einen großen Kummer, streckte die Hand nach seinen Kleidern, zerriß sie und sagte: »Soll ich in einem Lande wohnen, und du darin hungern? Dazu habe ich keine Kraft.« Er versprach meinem Bruder alles Gute, und sagte sodann: »Du mußt mich ein wenig unterhalten.« Dieser antwortete: »Mein Herr! ich bin so hungrig, daß ich dazu keine Kraft habe.« Alsbald schrie der andere: »Diener, bring den Krug und das Waschbecken, daß wir unsere Hände waschen!« aber mein Bruder sah weder Krug und Waschbecken, noch sonst etwas. Der Hausherr sagte sodann: »Komm, mein Bruder, und wasche dich!« und machte dabei eine Bewegung, als wenn er sich die Hände wüsche. Hierauf schrie er: »Bringt den Tisch!« und deutete mit der Hand, wo man decken sollte; aber mein Bruder sah nichts. Dann sagte er: »Mein Gast, bei meinem Leben, iß und schäme dich nicht!« machte abermals Bewegungen mit der Hand, als wenn er äße, und wiederholte dabei: »Bei meinem Leben, iß nur nicht zu wenig; ich weiß ja, wie hungrig du gerade bist.« Mein Bruder machte nun ebenfalls Bewegungen, als wenn er äße. Wieder sagte der Hausherr: »Sieh einmal dieses Brot, wie weiß es ist;« aber jener sah nichts, dachte, dieser Mann scherze gern mit den Leuten, und erwiderte: »Mein Herr, ich


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