Der schweizerische Robinson. Johann David Wyss

Der schweizerische Robinson - Johann David Wyss


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schrecklich groß!«

      »In der Tat«, sagte ich, »einen solchen Begriff habe ich mir nicht davon gemacht. Ich gebe dir die Ehrenerklärung, liebe Mutter, hier ist anmutig zu wohnen! Wenn es uns gelingt, einen Baum zu ersteigen und uns droben anzusiedeln, so sind wir so sicher vor den Tieren, als man nur wünschen kann; denn es wird selbst dem Bären, sonst einem guten Kletterer, nicht gelingen, an diesen ungeheuern und astlosen Stämmen emporzuklimmen.«

      Jetzt wurde alles abgepackt, und unserm Vieh spannten wir, mit Ausnahme des Schweins, die Vorderfüße mit Stricken, damit es sich nicht zu weit verlaufen könne; den Tauben aber und den Hühnern ließen wir vollkommene Freiheit. Darauf setzten wir uns vergnügt ins Grüne und hielten Rat, wie wir uns denn eigentlich einquartieren wollten. Insbesondere war ich wegen der Nacht besorgt und wegen reißender Tiere, denen wir hier auf ebener Erde und bei den offenen Umgebungen bloßgestellt waren. Es muß etwas versucht werden, um in die Höhe zu kommen, dachte ich; und während ich anfing, mit der Mutter Rücksprache zu nehmen, wischte Fritz wieder auf und davon – im Augenblick geschah ein Schuß, und wieder ein Schuß dicht hinter unserm Rücken.

      »Getroffen, getroffen!« rief der jagdlustige Junge, und im Sprunge kam er daher und jubelte: »Vater, Vater! welch eine prächtige Tigerkatze!« – Stolzierend hob er die Beute an den Hinterpfoten hoch in die Luft und zeigte sie von allen Seiten.

      »Brav, brav, Herr Jägermeister!« sagte ich. »Da hast du den Tauben und Hühnern wahrhaftig einen Ritterdienst geleistet; der saubere Kamerad da würde gleich diese Nacht uns Hühner- und Taubenbraten für immer erspart haben. – Gib acht, ob solcher Kaper noch mehr da herumstreichen. Es wäre schlimm, wenn sich diese Brut hier eingenistet hätte; wir müßten sie mit Feuer und Schwert ausrotten. Aber nun erzähle erst, wie du es geschossen hast.«

      »Da, mit der Pistole habe ich das Ungetüm erlegt«, antwortete er.

      »Doch wohl nicht auf dem Baume?« fragte ich.

      »Das freilich nicht«, versetzte Fritz. »Ich merkte, daß sich dort in den Ästen etwas regte, stand auf, schlich näher, erkannte die gefleckte Katze, schoß mit der Flinte und sah das Tier vor meine Füße fallen. Aber im Hui sprang es wieder auf und versuchte, trotz seiner Wunde, den Baumstamm von neuem zu erklimmen. Da gab ich ihm den Rest mit der Pistole, und es fiel zum zweitenmal und fiel für immer.«

      »Wahrhaftig, du hast von Glück zu reden«, sagte ich, »daß es nicht wütend auf dich losgefahren ist; denn solche Tiere, wenn sie verwundet sind, verstehen nicht viel Scherz.«

      »Ja, Vater«, versetzte Fritz, »aber nun möchte ich mir verbitten, daß Jack mir diesen hübschen Balg nicht wie den des Schakals verderbe! Sieh doch, Vater, wie schön die schwarzbraunen Flecken und Streifen auf dem goldgelben Grunde stehen! – Was ist das wohl eigentlich für eine Katze?«

      »Vorderhand kannst du bei deiner ersten Benennung bleiben«, sagte ich, »und sie Tigerkatze heißen. Doch scheint es mir nicht eben die, welche man auf dem Vorgebirge der Guten Hoffnung mit diesem Namen bezeichnet. Vielmehr könnte es der Margay sein, der sonst in Amerika zu Hause ist und als ein böses, ungemein wildes Tier den Vögeln und allem, was er übermeistern kann, gar sehr gefährlich wird, so daß ich selbst im Namen unserer Ziegen und Schafe für die Vernichtung dieses furchtbaren Feindes Dank sagen muß.«

      »Aber nicht wahr, mein herzliebes Väterchen«, bat Fritz, »ich darf jetzt die Haut für mich behalten? Wenn ich nur schon wüßte, was ich daraus machen könnte, das uns nützlich wäre!«

      »Wenn du sie selbst abstreifen willst«, sagte ich, »und dabei Sorge trägst, daß die Schenkelbedeckung unverletzt bleibt, so will ich dir etwas angeben, das uns nützlich genug wäre, wenn es im Grunde schon nicht notwendig ist. Zur Kleidung brauchen wir einstweilen noch keine Felle, solange wir Segeltuch haben; ein Gürtel dagegen ist immer dienlich, und da kannst du den Schwanz zu dem allerprächtigsten verarbeiten. Die vier Schenkel taugen vortrefflich zu vier Bestecken, um Messer, Gabeln und Löffel im Gürtel zu führen. Die übrige Haut in vier Stücke zu saubern Überschlägen für die Bestecke zerschneiden, wäre dann nicht übel angewandt.«

      Fritz und Jack ließen mir keine Ruhe, bis ich aufstand und die Beute an den Hinterfüßen auf eine hochstehende Wurzel nagelte und ihnen Anweisung gab, die Haut ohne Risse von dem Fleische zu bringen. Mit Herzenslust gingen die kleinen Jäger an ihr Geschäft, und Ernst ward inzwischen ausgesandt, um große Steine zu einem Feuerherd zu suchen, während Fränzchen uns dürres Reisig zusammentrug, damit die Mutter das Mittagsmahl bereiten könne.

      Bald war Ernst so glücklich, seiner Aufgabe genug zu tun, und wir machten uns emsig an die Arbeit, die Steine, die er hergeschafft, in Ordnung zu setzen, wobei uns die Mutter nach den Bedürfnissen ihrer Kocherei anleitete.

      Indes wir so arbeiteten, kam endlich auch Fränzchen mit einem Arm voll Reisholz zurück, machte runde Backen und schmatzte herzlich, indem er der Mutter fast unverständlich zurief: »Ja, das ist gut, ungeheuer gut!«

      »O du genäschiger Junge!« rief ihm die Mutter ängstlich zu, »was stellst du mir an? – Um Gotteswillen, verschlinge nicht alles, was dir schmecken mag! Du könntest dich ja vergiften! Gib heraus, was du noch im Munde hast, und schlucke mir kein Bröcklein herunter!«

      Mit diesen Worten fuhr die Mutter in Angst auf den Knaben zu, griff mit den Fingern in seinen Mund und holte, nicht ohne Mühe, den Überrest einer kleinen Feige hervor.

      »Woher hast du das?« fragte ich. – »Gottlob, daß unsere Furcht umsonst war! Ich weiß nicht, daß es giftige Feigen gebe.«

      »Dort im Grase«, erzählte Fränzchen, »sind der Dinger viel tausend, und ich habe gedacht, weil sie gut sind, so würden sie nicht giftig sein; und dann fressen die Tauben, die Hühner und das Schwein dort hinten aus allen Leibeskräften davon, und da habe ich gemeint, es würde mir auch nichts schaden.«

      »So siehst du nun, Mutter«, sagte ich, »daß unsere stattlichen Bäume Feigenbäume sind, und das ist ja herrlich. – Aber bei diesem Anlaß muß ich euch ernstlich ermahnen, Kinder, daß ihr forthin keine Art von Früchten genießet, die ich nicht gesehen und für unschädlich erklärt habe. Besonders laßt euch nicht etwa kindisch durch den angenehmen Geschmack verführen, das, was euch auf der Zunge behagt, sofort, wie Fränzchen, für unschuldig und gesund zu halten! Auf den Fall jedoch, daß ihr mich nicht solltet befragen können, mag euch wenigstens die Regel dienen, nach welcher man gewöhnlich sich in fremden Ländern zu richten pflegt: daß man nämlich ohne Gefahr nur solche Früchte genießen dürfe, von denen sich Vögel ernähren oder allenfalls auch Affen.«

      »Da sind aber doch die Kokosnüsse«, wendete Ernst ein, »die uns vortrefflich schmecken und gleichwohl von keinem Vogel gefressen werden.«

      »Ei, und dann ist einer klugen Katze doch eine Maus entwischt!« versetzte ich lachend. »Wenn die Kokosnüsse nicht so schwer und groß und hart wären, so würden sie unter den Vögeln schon ihre Liebhaber finden. Überdies will ich keineswegs behaupten, daß es nicht auch Früchte gebe, die dem Menschen zwar unschädlich, aber einzelnen Arten von Vögeln Gift sein mögen; wie man zum Beispiel von den bittern Mandeln es sagt, die den Hühnern und Papageien tödlich sein sollen. Dieser Fall jedoch scheint der seltenere zu sein, und im ganzen zweifle ich, ob im Naturzustande ein Vogel von einer ihm schädlichen Frucht genießen werde, so daß meine Regel für den ersten Anlauf uns sicher genug wird leiten können. Nur möchte ich weniger auf unsere hergebrachten Hühner und Tauben als auf die Vögel dieses Landes sehen; denn bei den erstem ist vielleicht der natürliche Trieb durch die Zucht schon etwas gelähmt. Aber hier von unserm Affen läßt sich das Beste erwarten.«

      Auf diese Äußerung sprangen die Jungen um Fränzchen zusammen und forschten eifrig, ob er nicht noch ein paar Feigen in der Tasche habe, bettelten sie ihm schmeichelnd ab und zogen dann im Triumphe zu dem kleinen Affen, der auf einer Baumwurzel saß und mit Zähnefletschen der Schmiererei des Ausbalgens zugesehen hatte.

      Die Feigen wurden dem possierlichen Knirps zur Prüfung vorgehalten; er griff hurtig zu, beroch die Dinger von allen Seiten und fuhr dann getrost, unter drolligem Gesichterschneiden, mit der Bescherung in das Maul, so daß die Knaben anfingen zu klatschen und dem kleinen Pickelhering ein lautes Bravo riefen.

      Indes hatte


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