Der schweizerische Robinson. Johann David Wyss

Der schweizerische Robinson - Johann David Wyss


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den unerfahrenen Knaben in ihrer Arbeit beizustehen. Die Katze wurde endlich enthäutet und ihr Fleisch den Hunden preisgegeben, die mit Heißhunger darüber herfielen.

      Bis zum Essen ließ ich nun die Knaben den Versuch machen, Steine und Prügel über die untersten Äste von demjenigen Feigenbaum zu werfen, den ich als den höchsten und schönsten zum künftigen Wohnsitz auserlesen hatte. Ja, ich versuchte es endlich selbst; aber da wir uns zufällig in diesem Stück niemals geübt hatten und auch die niedrigsten Äste schon in beträchtlicher Höhe standen, so gelang es uns nicht ein einziges Mal, und ich mußte mir etwas anderes ersinnen; denn es war mir um ein Mittel zu tun, eine Strickleiter an einen der Äste zu bringen.

      Von diesem mißlungenen Unternehmen hinweg ging ich mit Fritz, um das Fell zum Einweichen, mit Steinen beschwert, in den nahen Bach zu legen; und dann endlich rief die Mutter zum Essen, wo wir uns hurtig einfanden und uns das einfache Mahl ganz vortrefflich schmecken ließen.

      Nachdem wir gesättigt waren, sagte ich zu meiner Frau: »Wir werden wohl einstweilen unser Nachtlager hier auf der Erde bestellen müssen; denn ich sehe durchaus nicht, wie wir heute noch auf den Baum gelangen sollen. Arbeite du also gleich an den Zugriemen und an tüchtigen Brustbändern, damit Kuh und Esel dann Laden und Holz herbeischleppen und wir uns auf dem Baume einrichten können, wenn ich endlich ein Mittel gefunden habe, um glücklich hinaufzukommen.«

      Die gute Mutter ging mit Kopfschütteln an das Schneidern und ich an das Aufschlagen unserer Hängematten, damit wir auf jeden Fall ein Nachtquartier hätten. Es war leicht, an den hochgewölbten Baumwurzeln unsre luftigen Lager in traulicher Nachbarschaft aufzuknüpfen, und so konnte ich alle zusammen auch mit einem ausgespannten mächtigen Stück Segeltuch gemeinschaftlich bedecken, um wider den gefährlichen Nachttau ein Obdach zu haben.

      Als diese Vorkehrung getroffen war, eilte ich mit Fritz und Ernst an den Strand, um das angeschwemmte Holzwerk in Augenschein zu nehmen und vor allem etwas Taugliches zu haltbaren Sprossen einer Strickleiter aufzufinden.

      Am Ufer lag nun freilich eine Menge von Holzwerk, doch so, daß es noch eine langweilige Zurüstung für meinen Endzweck erforderte, und mein Geschäft wäre sehr ins Stocken geraten, wenn mir nicht Ernst von ungefähr eine Anzahl Bambusrohre, die von Sand und Schlamm fest überdeckt lagen, zu meinem Troste vorgezeigt hätte. – Flugs war ich darüber her, scharrte sie vollends hervor, fing an, sie mit Hilfe der Knaben zu säubern und von den Überbleibseln halbverfaulter Blätter zu reinigen, prüfte sie und fand sie so fest und zähe, daß sie meinem Zwecke durchaus entsprachen. Ich fing also an, die Stücke mit einem Handbeil in Stäbe von einem bis anderthalb Meter Länge zu hauen und diese durch die Knaben in drei Bündel von angemessener Dicke schnüren zu lassen, damit ein jeder von uns den seinen nach unserer Wohnstelle tragen könne. Hierauf suchte ich ein paar dünnere Rohre, aus denen ich mir Pfeile verfertigen wollte, weil ich diese mir zum Mittel ausgesonnen hatte, um auf den gewaltigen Baum zu gelangen.

      In einiger Entfernung erblickte ich bald einen grünen Rohrbusch, der zu meiner Absicht tauglich schien und nur noch näher untersucht werden mußte. Wir waren nach unserer Gewohnheit alle mit Feuergewehren bewaffnet; und da zufällig Bill mit uns an das Ufer geschlendert war, so marschierten wir auf das Rohrdickicht los, als wenn es Mord und Totschlag gelten sollte.

      Kaum aber näherten wir uns demselben, so fuhr Bill wie ein Toller hinein und trieb einen Flug der schönsten Flamingos auf, die sich mit rauschendem Schwunge stracks in die Luft erhoben. Fritz, der allezeit rasch und auf seiner Hut war, schlug plötzlich an, schoß hinter dem dichten Schwärme drein und brachte glücklich zwei von den Ausreißern in das Geröhr herab. Der eine davon lag tot, der andere dagegen war nur leicht an einem Flügel verwundet, erhob sich sofort auf seine Füße und lief mit der ganzen Macht seiner langen Beine, wie auf Stelzen, durch Sumpf und Rohr davon.

      Aber rascher noch war Bill; der bahnte sich gewaltig einen Pfad durch Sumpf und Rohr und erhaschte zeitig genug den Flamingo beim Flügel, bis ich herbeikommen und mich des Tieres, das mit dem andern Fittich aus allen Kräften um sich schlug, endlich bemeistern konnte.

      Ich nahm ihn unter den Arm und eilte zu den Meinigen zurück. Die Freude der Knaben war ganz unbändig, als sie meinen Flamant noch am Leben sahen; denn sie hofften, ihn zähmen zu können.

      Unterdessen fing ich an, mir Rohre zu suchen, die abgeblüht hatten, weil ich wußte, daß die Wilden auf den Antillen aus der Spitze besonders von diesen ihre Pfeile machten. Zugleich hieb ich zwei der höchsten Rohre in ihrer ganzen Länge ab, um mit ihrer Hilfe womöglich die Höhe unseres großen Baumes zu messen, auf die ich recht neugierig war. Als aber die Knaben das hörten, lachten sie mich aus und meinten, wenn ich auch zehn der armseligen Rohre aneinanderbände, so würde ich doch noch kaum bis an die untersten Äste reichen. Da bat ich sie um ein bißchen Geduld und mahnte an den Hühner- und Taubenfang der Mutter in unserm Zelte, wie da die Spötter zuschanden geworden waren.

      Sämtlich mit Beute bepackt, langten wir bald bei den Unsrigen wieder an und wurden mit großer Teilnahme und Neugier freundlich bewillkommnet. Am meisten freute sich alles über den herrlichen Flamant, nur bemerkte die Mutter, wo wir am Ende für all das lebendige Vieh, das wir nach Hause brächten, auch Futter herbeischaffen sollten? – Ich ließ mich durch diese Frage jedoch nicht abhalten, die Wunden des armen Tieres nun genauer in Augenschein zu nehmen, und fand, daß der Schuß ihm das äußerste Gelenk des einen Flügels zerschmettert habe und daß das andere von den Zähnen Bills ebenfalls zerknirscht worden war. Bei meiner Ungeschicklichkeit in der Heilkunde hielt ich es für das beste sowie für das kürzeste, beide Gelenke mit einer großen Schere ganz wegzuschneiden, und als die Wunden von diesem Schnitte gewaltig bluteten, nahm ich eine glühende Kohle vom Herd und brannte die Flügelenden so, daß das Blut sich plötzlich stillte, worauf denn die verletzte Stelle mit Butter eingeschmiert, der Vogel an dem einen Bein mit einer langen Schnur gebunden an einem Pflock neben unserm Bächlein festgemacht und seinem Schicksal einstweilen überlassen wurde.

      Unterdessen hatte ich die Höhe unseres Wohnbaumes zu schätzen gesucht und nach genauer und sorgfältiger Berechnung gefunden, daß er wohl zwölf Meter hoch sein müsse.

      Es war nun die Frage, ob wir fünfundzwanzig Meter haltbare Seile vorrätig hätten, wenn eine Strickleiter zur Besteigung des Baumes verfertigt werden sollte. Ich hieß Fritz und Ernst unsern Vorrat messen, setzte mich selber ins Gras und fing eilfertig an, aus einem Stück von Bambusrohr einen Bogen und aus den hergetragenen Rohrspitzen ein halb Dutzend Pfeile zu machen. Diese letztern ließ ich vorn nur stumpf und füllte sie mit feuchtem Sande, damit sie nicht gar zu leicht würden; von hinten aber versah ich sie mit Flamingofedern, damit sie hübsch gerade fliegen möchten, und so brachte ich sie glücklich zustande.

      Kaum war ich fertig, als mein junges Volk zu mir hersprang, mich umringte und jauchzend ausrief: »Ein Bogen, ein Bogen! alle Welt! und auch Pfeile! Was willst du damit machen? Oh, laß mich schießen! und mich auch! mich auch!«

      »Geduld, Kinder, Geduld!« sagte ich. »Diesmal begehre ich den Vorrang, weil ich selbst das Werkzeug verfertigt habe, und nicht etwa nur zum Spiel, sondern zum Nutzen und zum augenblicklichen Gebrauch.– Frau, wenn du rohen und starken Faden hast, so lange ihn hervor!«

      »Wir wollen sehen«, erwiderte sie, »was mein Zaubersack vermag. – Also, mein lieber Sack, gib her, was du birgst! – Mein Mann will Faden, und zwar guten und starken. – Ei, sieh mal, da fällt mir ein ganzes Knäuel, gerade wie du verlangt hast, von selber in die Hand!«

      »Oh, das ist eine große Zauberei«, lachte Ernst, »aus einem Sacke herauszuholen, was man zuvor hineingetan hat!«

      »Das ist freilich keine Kunst«, versetzte die Mutter; »aber zur rechten Zeit daran zu denken und hineinzutun, was man im Notfall brauchen möchte, das ist aufs wenigste eine halbe Zauberei; denn ob es auch damit sehr natürlich geht, so ist es für einfältige oder unbedachte Menschen doch fast ein Wunder, wenn man weiter in die Zukunft denkt als gerade der Nase lang. Gibt es doch Wilde, die des Morgens ihr Bett verhandeln, weil sie gar nicht bedenken, daß sie es abends wieder brauchen.«

      In diesem Augenblick kam Fritz zu uns, der mit der Messung unsres Seilwerks fertig geworden, und brachte mir den guten Bericht, daß ungefähr fünfzig Meter vorhanden seien.

      Ich band nun den erhaltenen Faden an einen Pfeil, wickelte


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