Der schweizerische Robinson. Johann David Wyss

Der schweizerische Robinson - Johann David Wyss


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dann geht es wieder eine Ewigkeit, bis wir ausziehen können«, bemerkte sie dagegen. »Warum nicht aufpacken und durchwaten? – Das Notwendigste mögen Esel und Kuh auf dem Rücken tragen!«

      »Das werden sie wohl immer tun müssen«, sagte ich; »aber da sind Bastkörbe und Säcke nötig, und während du für diese sorgst, können die übrigen an der Brücke schon ein Tüchtiges fördern. Einmal gebaut, nützt sie uns immer. Der Bach kann anschwellen und den Durchgang unmöglich machen. Zudem mag ich unsre Schafe und Ziegen nicht der Gefahr des Ertrinkens aussetzen, und selbst die Knaben und wir dürften in dem Überspringen nicht immer so viel Glück haben wie bisher.«

      »Nun denn, in Gottes Namen!« rief sie aus, »ich ergebe mich. Aber ohne Unterbrechung muß jetzt daran gearbeitet werden, daß wir weiter kommen; und dann hoffe ich, daß du unser Pulver hier zurücklassest; denn ich ängstige mich fort und fort, eine solche Menge davon in der Nähe zu wissen.«

      »Wir wollen es mit der Zeit verteilen«, beruhigte ich sie, »und in den Felsen eingraben, daß es vor Feuersgefahr und vor Nässe besser verwahrt sei. Allerdings ist es unser gefährlichster Feind, wenn wir es nicht mit Sorgfalt hüten; aber es ist auch unser nützlichster Freund, wenn wir es in Obacht nehmen.«

      So war nun die wichtige Frage von der Veränderung unsres bisherigen Wohnorts abgetan und zugleich unser heutiges Tagwerk bestimmt. – Die Kinder wurden aufgeweckt und der Plan ihnen mitgeteilt. Sie fanden ihn prächtig und wären nur des Brückenbaues gern enthoben gewesen, um in lauter Luftsprüngen sogleich nach dem angenehmen Wäldchen zu fliegen, dem sie jetzt anfingen, den Namen des gelobten Landes zu geben.

      Alles sah vorerst der emsigen Mutter zu, die der Reihe nach erst die Kuh und dann die Ziegen ihrer Milch entledigte und rechts und links den schmunzelnden Knaben davon zu kosten gab. Den Rest goß sie teils in einen Topf über das Feuer, um mit Zwieback eine Milchsuppe zu kochen, teils in unsre Wasserflasche, um ihn aufzubewahren.

      Unterdessen rüstete ich unser Tonnenschiffchen, um nach dem Wracke zu fahren und Bretter für die künftige Brücke zu holen. Dann wurde gefrühstückt, und gleich darauf bestieg ich mit Fritz und Ernst unser Fahrzeug, weil mir zur Beschleunigung meines Geschäftes nötig schien, doppelte Hilfe mitzunehmen.

      Ernst war ganz entzückt, daß ihm erlaubt worden war, mitzufahren, und daß er nun das Segel so prächtig sich füllen, den Wimpel so lustig dahinflattern sah. Wir brauchten aber diesmal gar nicht bis zum Wrack zu fahren. Als unser Schifflein von der Strömung hinausgetrieben wurde, bemerkte ich ein kleines Inselchen unweit vom Strande, und mit Vergnügen sah ich dort eine Menge Balken und Bretter, die das Wasser nach und nach hier angetrieben hatte und die uns der Mühe überhoben, für ihresgleichen nach dem Wracke zu fahren. Ich wählte also, was zu meinem Brückenbau mir dienlich schien, machte mit Hilfe des Hebeeisens und einer Winde flott, was auf dem Trocknen saß, verknüpfte die Balken zu einem Floße, lud die Bretter darauf und hängte das Ganze hinten an unser Fahrzeug, so daß wir, vier Stunden nach der Abreise von den Unsrigen, wieder zur Heimkehr gerüstet waren und uns mit Fug wohlverrichteter Dinge rühmen konnten.

      Es dauerte auch nicht lange, so fuhren wir glücklich in die kleine Bucht, ließen das Segel fallen und legten an der alten Stelle bei. Von den Unsrigen war zwar niemand bei der Hand, aber ihre Abwesenheit erschreckte uns nicht wie das vorige Mal; wir erhoben vielmehr unsre Stimmen im Chor und riefen ein tapferes ho! ho!, bis endlich ein lauter Gegenruf erschallte und die Mutter mit den zwei Kleinen vom Bache her zum Vorschein kam, wo das Ufer sie unsern Augen entzogen hatte. Jedes trug in der Hand sein Schnupftuch bauchig und gefüllt, und Fränzchen führte das kleine Fischnetz, das an einem langen hölzernen Gabelstock festgemacht war.

      Als die lieben Leute jetzt bei uns standen und sich über unsre baldige Rückkehr sattsam verwundert hatten, konnte sich Jack nicht länger enthalten, sein Schnupftuch hoch in die Luft zu heben und eine Anzahl der prächtigsten Flußkrebse vor unsern Augen auszuschütten. Die Mutter und Fränzchen folgten seinem Beispiel nach, und ein wimmelnder, zappelnder Haufe lag plötzlich beisammen. Aber die Krebse, die anfingen, sich frei zu fühlen, watschelten rechts und links nach allen Kräften davon, und die Knaben hatten genug zu tun, die Flüchtlinge beieinanderzuhalten. Da gab es denn ein Springen und Bücken und Schimpfen und Lachen, das ganz unvergleichlich war.

      »Ja, gelt, Vater«, sagte Jack, »da haben wir jetzt von den rechten? Es waren erschrecklich viel, gewiß über tausend, und wenigstens zweihundert davon haben wir mitgehen heißen. Seht nur, was für große darunter sind! Und was für Scheren sie haben!«

      »Aber wer ist denn der Urheber dieses herrlichen Funds?« fragte ich. »Gewiß bist du es selbst!«

      »Nein, das nicht«, sagte er, »der kleine Lecker da hat das Meisterstück gemacht. Aber wer gleich zur Mutter gelaufen ist und es ihr gesagt und das Gabelnetz geholt und bis über die Knie im Wasser gestanden und die Burschen zu Dutzenden herausgefischt hat – das weiß ich! Und nun will ich euch erzählen, wie alles gegangen ist: Während die Mutter mit Nähen beschäftigt war, ging ich mit Fritzens Affen auf den Schultern und mit Fränzchen dem Bache nach, um ein bißchen zu sehen, wo wir doch die Brücke schlagen könnten.«

      »So, so!« fiel ich ihm in die Rede, »da hat dein flüchtiges Köpfchen einmal einen wichtigen Gedanken erfaßt! Der junge Herr Werkmeister war folglich auf den Augenschein ausgegangen, und nun werden wir, seine Gesellen und Lehrburschen, vernehmen, was für eine passende Stelle sich finden ließ.«

      »Ja, höre nur«, fuhr er fort, »ich will dir alles zeigen! – Wir gingen immer dem Bache zu, und Fränzchen las bunte Steinchen auf, und wenn er ein glänzendes fand, so lief er zu mir her und sagte: das ist ein prächtiges, siehst du da, Gold! Das will ich zerstoßen und Schreibsand machen. Als er endlich auf dem obern Rande des Ufers der Dinger zu wenig fand, ließ er sich niederwärts in den Bruch bis an das Wasser, und jetzt rief er plötzlich: Jack, Jack, komm doch her und sieh, wie ungeheuer viel Krebse an Fritzens Schakal sind! – Ich rutschte hinab über das Bord und sah in der Tat mit Erstaunen, daß der Schakal an einer seichten Stelle festgeblieben und jetzt die Beute einer Legion der prächtigsten Krebse war. – Auf und davon machte ich mich jetzt und verkündigte es der Mutter, die gleich mit einem Gabelgarn herausrückte, das ich noch nie gesehen hatte, und so fingen wir teils mit dem Werkzeug, teils mit den Händen, soviel wir nur wollten, und wir hätten noch mehr gefangen, wenn wir nicht euer Rufen gehört hätten. – Aber, nicht wahr, es sind doch grimmig viel?«

      »Ja«, sagte ich, »wenn wir auch die kleinsten davon wieder laufen lassen, so sind noch genug zu der freigebigsten Mahlzeit für uns alle; und so haben wir abermals unvermutet eine Vorratskammer entdeckt, die uns Speise verspricht für manchen Tag. Gott sei‘s gedankt, daß wir allenthalben Überfluß finden!«

      Nachdem wir nun auch unserseits Bericht erstattet hatten, traf die Mutter Anstalten, eine gute Portion von den Krebsen zu sieden; wir übrigen aber waren indes beschäftigt, die hergebrachten Balken und Bretter teils voneinander zu lösen, teils an das Land zu schaffen. Es bedurfte zwar noch des Nachdenkens, um eine so einfältige Sache zustande zu bringen, weil wir gar kein Geschirr hatten, um unsere Tiere vorspannen zu können; ich machte es aber kurz und gut so, wie die Lappländer ihre Rentiere vor die Schlitten binden. Ein langer Strick ward an dem einen Ende zur Schlinge geknüpft und diese dem Esel über den Hals geworfen, so daß das andere Ende zwischen den Beinen des Tieres nach hinten ging und dort an die Hölzer festgebunden wurde. Die Kuh mußte sich auf gleiche Weise anspannen lassen, und so brachten wir unser Floß Stück für Stück bis an den Bach, auf die Stelle, die der kleine Werkmeister auf seinem Augenschein zum Brückenbau ausersehen hatte und die auch mir bei näherer Betrachtung die beste schien. Beide Ufer des Baches nämlich waren hier zusammengedrückt, ziemlich steil, fest und gleich hoch. Dazu kam noch diesseits der Strunk eines alten Baumes, an den ich meine Hauptbalken anlehnen konnte, während jenseits ein paar kräftige Bäume mir ebenfalls einen guten Stützpunkt versprachen.

      Es war nur die einzige Schwierigkeit, auszumachen, wie die langen und schweren Balken, die zum mindesten acht Meter lang sein mußten, über den Bach zu bringen wären; eine Frage, die uns während der bevorstehenden, fast um eine Stunde verspäteten Mahlzeit recht nützlich beschäftigen konnte.

      Wir begaben uns also sämtlich zur Kochstelle, wo die Mutter inzwischen nach Herzenslust Krebse gesotten hatte und jetzt


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