Am Stillen Ozean. Karl May

Am Stillen Ozean - Karl May


Скачать книгу
Pfennig? Der Mensch muß seine Ware gestohlen haben! Ich werde alles behalten!«

      Er machte eine Armbewegung um den ganzen Vorrat herum.

      »Ich behaltong die ganzung Nussang und Meloneng!«

      Der Händler zählte ab und schob alles zusammen.

      »Was habing zu bezahleng?«

      »Y tschun!«

      »Was meint er, Charley?«

      »Einen Tschun oder Tsian; das sind hundert Sapeken, also höchstens dreißig bis fünfunddreißig Pfennige. Ich weiß noch nicht, wie der Kurs heute ist.«

      »Für einen solchen Haufen Früchte? Warte, er hat noch welche im Boote; ich nehme sie alle, weil dieser Mann mich so prächtig versteht!«

      Er zeigte hinunter auf das Boot.

      »Heraufing mit dem ganzeng Kramong. Ich werdeng ihn kaufing!«

      Der Chinese machte ein höchst vergnügtes Gesicht und holte alles herbei.

      »Nun, was kosting das alles zusammong?«

      »Sse tschun!«

      »Schauderhaftes Chinesisch! Was meint er, Charley?«

      »Vier Tschun oder vierhundert Sapeken.«

      »Schrecklich billig! Aber wo nehme ich Sapeken her?«

      »Ich habe auch keine. Gebt ihm englisches oder amerikanisches Kleingeld; er wird es schon kennen.«

      Er gab einen ganzen Dollar hin und bekam beinahe die ganze Sapekenschnur, welche der Chinese um den Hals hangen hatte, als Rückgeld ausgezahlt. Diese Tsien sind die einzige in China kursierende Münze; Gold und Silber gelten nur als Ware und werden in Barrenform nach dem Gewichte als Zahlung angenommen. Die Sapeken sind von Kupfer und rund; sie haben in der Mitte ein viereckiges Loch, damit man sie auf Schnüren reihen kann. Für fünf Dollars Sapeken zu tragen, ist schon eine Last, zu der man Kräfte besitzen muß.

      Jetzt kamen auch Mietgondeln herbei, und Kong-ni machte sich bereit, in eine derselben zu steigen. Er war natürlich von allen Mitteln entblößt, und ich bot ihm meine Hilfe an.

      »Du bist gut; aber ich brauche nichts,« war seine Antwort.

      Er stieg nun in die Gondel und fuhr davon. Ich erwartete nicht, ihn jemals wieder zu sehen, und wandte mich beobachtend dem Leben zu, welches infolge der Ankunft der Hafenbeamten und anderer Leute auf unserm Verdecke sich entwickelte. Da wurde ich einen Kahn gewahr, welcher, von zwei Ruderern getrieben, sich uns näherte. In demselben saß ein Mandarin fünfter Klasse mit dem krystallenen Knopfe.

      Der Kahn legte an, und der Mandarin kam an Bord; es war – Kong-ni.

      Ich erstaunte, weniger über die Umwandlung, welche in so kurzer Zeit mit ihm vorgegangen war, als vielmehr über den Umstand, daß er die Abzeichen eines Kuang-fu trug, ohne das dazu nötige gesetzliche Alter erreicht zu haben. Er kam auf mich zu und begrüßte mich lächelnd.

      »Jetzt wirst du wissen, wer Kong-ni ist. Hast du Zeit, mir zu diktieren?«

      »Ja. Komm herab in die Kajüte!«

      Er folgte mir und zog unten aus den weiten Aermeln seines Kaftans die erforderlichen Schreibutensilien. Dann setzte er sich und fragte:

      »Worüber willst du schreiben, um ein Sieu-tseu zu werden?«

      Ich besann mich ein wenig und wählte ein geographisches Thema, weil ich durch dasselbe mein »blühendes Talent«, wie ja Sieu-tseu zu deutsch lautet, am besten in das Licht zu stellen hoffte.

      »Ich wähle den Titel »Nian-yan-kui-dse«[57]. Bist du einverstanden?«

      »Ja, denn das ist ein Stoff, der dich sehr berühmt machen wird.«

      Die Arbeit begann. Ich diktierte, und er schrieb. Trotz der Schwierigkeit der chinesischen Schriftzeichen ging es ihm so schnell von der Hand, als ob er stenographiere. Natürlich langten meine Sprachkenntnisse bei weitem nicht zu; er mußte daher gehörig nachhelfen, und nach zwei Stunden hatte ich meine kurze Abhandlung zum Abschluß gebracht. Den beiden folgenden Arbeiten gab ich den Titel »Pen-tsaoy-jin«[58] und »Hio thian-ti«[59]. Sie waren beendet, noch ehe der Abend hereinbrach, und sogar der brave Kong-ni staunte über die »außerordentlich unbeschreiblichen Kenntnisse«, die ich nach seiner Meinung in ihnen niedergelegt hatte. Ich aber will offen und ehrlich gestehen, daß ich mich bemüht hatte, mir die ungereimtesten Dinge zu ersinnen und sie in ein Gewand zu kleiden, welches gar nicht bombastischer gedacht werden konnte. Ein Europäer hätte ganz sicher schon beim zwanzigsten Worte erkannt, daß es sich entweder hier um eine ungeheure Aufschneiderei handele oder daß der Autor zu den unheilbar Wahnsinnigen gehöre.

      Wir waren eben damit beschäftigt, die Blätter, welche nach chinesischer Weise nur auf einer Seite beschrieben waren, zusammenzulegen, als der Kapitän eintrat.

      »Charley, Ihr habt mich gebeten, Euch nicht zu stören, aber ich muß dennoch kommen, denn der Kerl macht es mir zu heiß.«

      »Welcher Kerl?«

      »Da legt vor einer Stunde ein Kahn mit verschiedenen Paketen bei uns an, und ein Mensch steigt an Deck, der mir wahrhaftig ganz heiß gemacht hat. Sein Chinesisch ist noch viel schlechter, als es da oben bei den Finnen und Lappen gesprochen würde, und ich bringe nichts weiter heraus, als »krank pfui« und »komm ja!«. Jedenfalls ist einer krank, der den schönen Namen Pfui hat, und man denkt, daß ich einen Arzt an Bord habe, der ja kommen soll.«

      »Werde einmal sehen!« ich vermutete wieder einen sprachlichen Geniestreich des Master Frick Turnerstick und hatte mich auch nicht geirrt. Als wir an Deck kamen, lauerte der Mann an der Kajütentreppe auf uns.

      »Paßt einmal auf,« meinte der Kapitän. »Ich werde ihn noch einmal ganz langsam und deutlich fragen, und Ihr werdet nichts als sein »krank pfui« und »komm ja« zu hören bekommen.«

      Er hob mit bedächtiger Miene den Zeigefinger der rechten Hand empor, wie man es zu thun pflegt, wenn man jemand pantomimisch zur Aufmerksamkeit ermuntern will, und fragte:

      »Was willingst du auf meineng Schiffang?«

      »Kuang-fu« – antwortete der Gefragte.

      »Krank pfui! Da habt Ihr es, Charley!«

      Er deutete hinunter nach dem Boote und fragte:

      »Wähing willst du fahreng?«

      »Kom-tscha!«[60]

      »Komm ja! Habe ich recht oder nicht, Charley?«

      Ich bemühte mich, ein ernsthaftes Lächeln zu behalten.

      »Der Mann spricht allerdings ein Chinesisch, wie es Euch noch nicht vorgekommen sein mag; aber ich werde mich bemühen, seine Sprache verständlicher zu machen. Kuang-fu heißt Mandarin; er meint damit jedenfalls unsern Kong-ni, der gleich aus der Kajüte kommen wird.«

      »Ach so! Und dieses »Komm ja«?«

      »Der Mann sollte Kom-tscha sagen. Kom-tscha hat eine vielfältige Bedeutung. Es heißt erstens so viel wie Frei-Thee, grad in dem Sinne, wie es bei uns Freikonzerts, Frei-Bier und dergleichen giebt; sodann heißt es soviel wie Tribut, wie Reukauf, wie Angeld oder Draufgeld, wie Schwanzgeld beim Viehhandel und endlich auch soviel wie das arabische Bakschisch, also Geschenk, Trinkgeld.«

      »Fertig? Das ist ja ein Wort, welches einen geradezu zur Verzweiflung bringen kann, denn da möchte man einen Kopf haben wie ein Fregattenrumpf, um sich das alles merken zu können! Aber wie kommt er denn da zu uns? Ich habe ihm weder ein Freikonzert, noch einen Reukauf, noch einen arabischen Bakschisch abverlangt.«

      »Kong-ni wird uns die Sache erklären können. Da kommt er.«

      Der Genannte trat eben aus der Kajüte; er erblickte den Bootsführer und gab ihm einen Wink, worauf dieser in den Kahn stieg und die Pakete heraufbrachte.

      »Kuang-si-ta-sse,« wandte sich der jugendliche Mandarin zunächst zu mir, »du hast


Скачать книгу

<p>57</p>

»Geschichte der Teufel aus den westlichen Meeren« (Engländer).

<p>58</p>

»Naturgesetze der Fremdlinge« – so nennen die Chinesen alle andern Völker.

<p>59</p>

»Studium des Himmels und der Erde.«

<p>60</p>

Hier soviel wie Geschenk.