Der Schatz im Silbersee. Karl May

Der Schatz im Silbersee - Karl May


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ihn fest. Ich werde nachsehen.«

      Er ging die Umgebung des Feuers ab und bemerkte zu seiner Beruhigung keinen Menschen. Dann gebot er, den Mann an das Feuer zu bringen. Dieser hatte alle seine Kräfte angestrengt, sich loszumachen, doch vergebens. Er sah ein, daß er sich in sein Schicksal fügen müsse. Allzu schlimm konnte dasselbe nicht sein, da er den Tramps ja bis jetzt nichts zuleide gethan hatte. Übrigens mußte ihn der Gedanke an den Indianer beruhigen. Dieser ging gewiß schnell fort, um Hilfe herbeizuholen.

      Während vier Mann den Gefangenen am Boden festhielten, beugte sich der Cornel nieder, um ihm in das Gesicht zu sehen. Es war ein langer, langer, scharf und nachdenklich forschender Blick, mit dem er dies that. Dann sagte er: »Kerl, dich müßte ich kennen! Wo habe ich dich eigentlich schon gesehen?«

      Der Alte hütete sich wohl, es ihm zu sagen, da er in diesem Falle verloren gewesen wäre. Der Haß kochte in seiner Brust, aber er gab sich Mühe, ein möglichst gleichgültiges Gesicht zu zeigen.

      »Ja, ich muß dich gesehen haben,« wiederholte der Cornel. »Wer bist du? Gehörst du zu den Rafters, welche da oberhalb arbeiten?«

      »Ja,« antwortete der Gefragte.

      »Was hast du dich hier herumzuschleichen? Warum belauschest du uns?«

      »Sonderbare Frage? Ist es hier im Westen etwa verboten, sich die Leute anzusehen? Ich meine vielmehr, daß es ein Gebot der Notwendigkeit ist, dies zu thun. Es gibt da Leute genug, vor denen man sich in acht nehmen muß.«

      »Zählst du vielleicht auch uns zu denselben?«

      »Unter welche Sorte von Menschen ihr gehört, das muß sich erst zeigen. Ich kenne euch ja nicht.«

      »Das ist eine Lüge. Du hast gehört, was wir gesprochen haben und wirst also wissen, wer und was wir sind.«

      »Nichts habe ich gehört. Ich war unten am Flusse und wollte nach unserm Lager, da sah ich euer Feuer und schlich natürlich herbei, um zu sehen, wer hier lagert. Ich fand gar nicht Zeit, zu hören, was gesprochen wurde, denn ich war zu unvorsichtig und wurde in dem Augenblicke, an welchem ich mich zum Lauschen anschickte, von euch gesehen.«

      Er hoffte, daß nur der getötete Tramp ihn oben an der Blockhütte gesehen habe, da er sein Gesicht derselben zugewendet gehabt hatte; aber er irrte sich, denn der Rothaarige antwortete: »Das ist lauter Schwindel. Ich sah dich vorhin nicht nur bei den Rafters sitzen, sondern ich hörte dich auch sprechen und erkenne dich wieder. Willst du das eingestehen?«

      »Kann mir nicht einfallen! Was ich sage, ist wahr; du verkennst mich also.«

      »So bist du wirklich allein hier gewesen?«

      »Ja.«

      »Und behauptest, wirklich nichts von unsrer Unterhaltung gehört zu haben?«

      »Kein Wort.«

      »Wie heißest du?«

      »Adams,« log der Missourier, welcher allen Grund zu haben glaubte, seinen wirklichen Namen nicht zu nennen.

      »Adams,« wiederholte der Cornel nachdenklich. »Adams! Habe niemals einen Adams gekannt, der dein Gesicht gehabt hätte. Und doch ist es mir, als ob wir einander schon gesehen hätten. Kennst du mich? Weißt du, wie ich heiße?«

      »Nein,« behauptete der Alte, abermals wahrheitswidrig. »Nun aber laßt mich los! Ich habe euch nichts gethan und hoffe, daß ihr ehrliche Westmänner seid, welche andre ehrliche Leute in Ruhe lassen.«

      »Ja, wir sind allerdings ehrliche Männer, sehr ehrliche Männer,« lachte der Rote; »aber ihr habt vorhin einen von uns erstochen, und nach den Gesetzen des Westens schreit das nach Rache. Blut um Blut, Leben um Leben. Magst du sein, wer du willst, es ist aus mit dir.«

      »Wie? Ihr wollt mich ermorden?«

      »Ja, gerade so, wie ihr unsern Kameraden ermordet habt. Es handelt sich nur darum, ob du, gerade so wie er, durch das Messer stirbst oder ob wir dich da im Flusse ersäufen. Große Zeremonien aber werden keinesfalls gemacht. Wir haben keine Zeit zu verlieren. Stimmen wir schnell ab. Bindet ihm den Mund zu, daß er nicht schreien kann. Wer von euch dafür ist, daß wir ihn in das Wasser werfen, der hebe den Arm empor.«

      Diese Aufforderung war an die Tramps gerichtet, deren Mehrzahl sofort das erwähnte Zeichen gab.

      »Also ersäufen!« meinte der Cornel. »Bindet ihm Arme und Beine fest zusammen, damit er nicht schwimmen kann; dann schnell in das Wasser, und nachher fort mit uns, ehe seine Leute kommen!«

      Der alte Missourier war während des Verhöres von mehreren Männern festgehalten worden. Jetzt sollte ihm zunächst der Mund zugebunden werden. Er wußte, daß der Indianer unmöglich schon die Rafters erreicht haben könne; auf Hilfe war also nicht zu rechnen; dennoch that er das, was jeder andre auch gethan haben würde; er wehrte sich mit Anstrengung aller seiner Kräfte und schrie um Hilfe. Der Ruf drang weit in die Stille der Nacht hinaus.

      »All lightnings!« zürnte der Rote. »Laßt ihn doch nicht so schreien. Wenn ihr nicht mit ihm fertig werdet, so will ich selbst ihn ruhig machen. Paßt auf!«

      Er ergriff sein Gewehr und holte aus, um dem Alten einen Kolbenhieb an den Kopf zu versetzen, kam aber nicht dazu, seine Absicht auszuführen, denn — — —

      Kurz vor Abend waren vier Reiter, welche die Fährte der Tramps scharf im Auge hatten, dem Ufer des Flusses aufwärts gefolgt, nämlich Old Firehand, der schwarze Tom und Tante Droll mit seinem Knaben. Die Spur führte unter den Bäumen hin; sie war wohl leidlich zu erkennen, aber schwer nach ihrem Alter zu bestimmen. Erst als sie über eine mit Gras bewachsene lichte Stelle ging, stieg Old Firehand vom Pferde, um sie zu untersuchen, da die Halme bessere Anhaltspunkte als das niedrige Waldmoos gaben. Als er die Eindrücke genau betrachtet hatte, sagte er: »Die Kerls sind ungefähr eine englische Meile vor uns, denn die Fährte wurde vor einer halben Stunde getreten. Wir müssen unsre Pferde also besser ausgreifen lassen.«

      »Warum?« fragte Tom.

      »Um noch vor Nacht so nahe an die Tramps zu kommen, daß wir ihren Lagerplatz erfahren.«

      »Ist das nicht gefährlich für uns?«

      »Nicht, daß ich wüßte.«

      »O doch! Sie lagern sich jedenfalls, noch ehe es dunkel wird, und wenn wir eilen, müssen wir gewärtig sein, ihnen gerade in die Arme zu reiten.«

      »Das befürchte ich nicht. Selbst wenn Ihre Voraussetzung richtig sein sollte, können wir sie vor der Dämmerung nicht erreichen. Ich schließe aus verschiedenen Anzeichen, daß wir uns in der Nähe der Rafters, welche wir vor ihnen zunächst zu warnen haben, befinden. Da ist es vorteilhaft, den Ort zu kennen, an welchem die Tramps lagern. Und dazu ist eben Eile nötig. Sonst überrascht uns die Nacht, in welcher bis zum Morgen viel geschehen kann, was wir dann nicht zu verhindern vermöchten. Was meinen Sie dazu, Droll?«

      Die beiden hatten deutsch gesprochen. Droll antwortete also in seinem Dialekte: »Se habe da ganz meine eegne Meenung ausgeschproche. Reite mer rasch weiter, so habe mer se eher; reite mer aber langsamer, so bekomme mer se schpäter und könne leicht eher und tiefer ins Dekerment gerate, als diejenigen, welche mer rette wolle. Also, meine Herre, reite mer Trab, daß de Bäume wackle!«

      Da die Bäume nicht eng standen, konnte dieser Vorschlag selbst im Walde ausgeführt werden. Doch hatten auch die Tramps das Tageslicht vollständig ausgenützt und erst dann Halt gemacht, als sie durch die Dunkelheit dazu gezwungen wurden. Hätte Old Firehand sich nicht auf der Fährte derselben, sondern mehr in der Nähe des Ufers gehalten, so wäre er auf die Spur der beiden Tonkawaindianer gestoßen, welche einen ganz geringen Vorsprung vor ihm hatten.

      Als es so dunkel wurde, daß die Hufeindrücke fast nicht mehr zu erkennen waren, stieg er abermals ab, um sie zu untersuchen. Das Resultat war: »Wir haben eine halbe Meile gut gemacht; aber leider sind die Tramps auch schnell geritten. Dennoch wollen wir versuchen, sie zu erreichen. Steigen Sie ab; wir müssen nun zu Fuß weiter und die Pferde führen!«

      Leider war die Strecke, welche sie noch zurücklegen konnten, nicht bedeutend, da es so finster wurde,


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