Der Schatz im Silbersee. Karl May

Der Schatz im Silbersee - Karl May


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hörten, glaubten sie diese beiden in Gefahr. Um sie womöglich zu retten, griffen sie zu den Waffen, verließen das Haus und rannten, so gut die Finsternis es ihnen gestattete, der Gegend zu, in welcher die Schüsse gefallen waren. Dabei schrieen sie aus Leibeskräften, um dadurch die Tramps von den Bedrohten abzuschrecken. Ihnen voran lief der junge Bär, da er die Stelle, an welcher die Tramps lagerten, genau kannte. Er ließ von Zeit zu Zeit seine Stimme hören, um die Rafters in der rechten Richtung zu erhalten. Sie hatten kaum die Hälfte des Weges zurückgelegt, als vor ihnen noch eine andre Stimme erschallte, nämlich diejenige des alten Bären.

      »Rasch kommen!« rief er. »Old Firehand da sein und auf Tramps schießen. Er nur drei Mann mit; ihm helfen.«

      Nun ging es mit vermehrter Schnelligkeit zu Thale. Das Schießen hatte aufgehört, und man wußte also nicht, wie die Angelegenheit stand. Das Geschrei der Rafters hatte zur Folge, daß die fliehenden Tramps in ihrer Flucht nicht inne hielten, sondern sich die größte Mühe gaben, soweit wie möglich zu entkommen. Die ersteren hatten es ebenso eilig. Mancher rannte an einen Baum und verletzte sich, ohne es aber zu beachten.

      Viertes Kapitel. Der Vergeltung entronnen

      Als die Rafter dann unten am Feuer erschienen, saßen Old Firehand, Tom, Droll, der Missourier und Fred so ruhig an demselben, als ob es für sie angebrannt worden und gar nichts Ungewöhnliches geschehen sei. Auf der einen Seite lagen die Leichen der getöteten, und auf der andern die gefesselten Körper der verwundeten und gefangenen Tramps, unter den letzteren der rote Cornel.

      »Alle Wetter!« rief der erste der Ankommenden dem alten Missourier zu.

      »Wir glaubten dich in Gefahr, und da sitzest du gerade wie in Abrahams Schoß!«

      »War auch so!« antwortete der Alte. »Sollte in Abrahams Schoß befördert werden. Der Gewehrkolben des Cornel schwebte schon über mir; da kamen diese vier Mesch‘schurs und arbeiteten mich heraus. Schnelle und gute Arbeit! Könnt‘ was von ihnen lernen, Boys!«

      »Und — — ist Old Firehand wirklich dabei?«

      »Ja, da sitzt er. Seht ihn Euch an, und drückt ihm die Hand! Er hat es verdient. Denkt Euch, nur vier Mann werfen sich auf zwanzig und machen, ohne daß ihnen auch nur die Haut geritzt wird, neun Tote und sechs Gefangene, die Kugeln und Hiebe gar nicht gerechnet, welche die paar Entkommenen jedenfalls auch erhalten haben! Und eigentlich sind es nur drei Männer und ein Knabe. Könnt Ihr Euch das denken?«

      Er war bei diesen Worten vom Feuer aufgestanden. Auch die andern erhoben sich. Die Rafters blieben ehrerbietig in einiger Entfernung stehen, die Blicke auf die Riesengestalt Old Firehands gerichtet. Er forderte sie auf, näher zu kommen, und drückte jedem einzelnen von ihnen die Hand. Die beiden Tonkawa bewillkommnete er mit besonderer Auszeichnung, indem er zu ihnen sagte: »Meine roten Brüder haben in der Verfolgung der Tramps ein Meisterstück geliefert, welches es mir sehr leicht gemacht hat, nachzukommen. Auch wir haben uns von Indianern Pferde gekauft, um Euch womöglich noch vor dem Zusammentreffen mit den Tramps einzuholen.«

      »Das Lob meines weißen Bruders ehrt mich mehr, als ich verdiene,« antwortete der alte Bär bescheiden. »Die Tramps haben machen eine Fährte, so tief und breit wie Herde Büffel. Wer sie nicht sehen, der blind. Aber wo sein Cornel? Er auch tot?«

      »Nein, er lebt. Mein Kolbenhieb hat ihn nur betäubt. Nun ist er wieder zu sich gekommen, und wir haben ihn gebunden. Da liegt er.«

      Er deutete mit der Hand nach der Stelle, wo der Cornel lag. Der Tonkawa ging hin, zog das Messer und sagte: »Wenn er nicht gestorben von Hieb, dann er sterben von Messer. Er mich geschlagen, nun ich nehmen sein Blut!«

      »Halt!« rief da der alte Missourier, indem er den mit dem Messer erhobenen Arm des Häuptlings ergriff. »Dieser Mann gehört nicht dir, sondern er ist mein.«

      Der alte Bär drehte sich um, blickte ihm ernst ins Gesicht und fragte: »Du auch Rache gegen ihn?«

      »Ja, und was für eine!«

      »Blut?«

      »Blut und Leben.«

      »Seit wann?«

      »Seit vielen, vielen Jahren. Er hat mir mein Weib und meine beiden Söhne totpeitschen lassen.«

      »Du dich nicht irren?« fragte der Indianer, dem es schwer wurde, seine Rache aufzugeben, wozu er nach den Gesetzen der Prairie doch nun gezwungen war.

      »Nein, es ist kein Irrtum möglich. Ich habe ihn sofort erkannt. Ein solches Gesicht kann man nicht vergessen.«

      »Du ihn also töten?«

      »Ja, ohne Gnade und Barmherzigkeit.«

      »Dann ich zurücktreten, aber nicht ganz. Er mir geben Blut und dir geben Leben. Tonkawa ihm nicht ganz darf schenken Strafe; er ihm also nehmen die Ohren. Du einverstanden?«

      »Hm! Wenn ich nun nicht einverstanden bin?«

      »Dann Tonkawa ihn sofort töten!«

      »Gut, so nimm ihm die Ohren! Mag es nicht christlich sein, daß ich das zugebe; wer die Qualen erlebt hat, die er mir bis heute bereitete, der hält es mit dem Gesetze der Savanne, und nicht mit der Milde, die selbst einen solchen Bösewicht verschont.«

      »Wer vielleicht noch sprechen mit Tonkawa?« fragte der Häuptling, indem er sich im Kreise umsah, ob vielleicht noch jemand widersprechen wolle. Als aber niemand ein Wort dagegen sagte, fuhr er fort. »So, also Ohren mein, und ich sie mir sofort nehmen.«

      Er kniete neben dem Cornel nieder, um seine Absicht auszuführen. Als dieser sah, daß Ernst gemacht werden solle, rief er aus: »Was fällt euch ein, Mesch‘schurs! Ist das christlich? Was habe ich euch gethan, daß ihr diesem roten Heiden erlaubt, meinen Kopf zu verstümmeln?«

      »Von dem, was du nur mir gethan hast, werden wir nachher reden,« antwortete der Missourier kalt und ernst.

      »Und was wir andern dir vorzuwerfen haben, werde ich dir gleich jetzt zeigen,« fügte Old Firehand hinzu. »Noch haben wir deine Taschen nicht untersucht; laß sehen, was sich in denselben befindet!«

      Er gab Droll einen Wink, und dieser leerte die Taschen des Gefangenen aus. Da fand sich denn neben vielen andern Gegenständen die Brieftasche des Tramps. Als sie geöffnet wurde, zeigte es sich, daß sie noch die volle Summe, welche dem Ingenieur gestohlen worden war, in Banknoten enthielt. »Ah, du hast noch nicht mit deinen Leuten geteilt!« lächelte Old Firehand. »Das ist ein Beweis, daß sie mehr Vertrauen zu dir besaßen als wir. Du bist ein Dieb, und wahrscheinlich noch mehr als das. Du verdienst keine Gnade. Der große Bär mag thun, was ihm beliebt.«

      Der Cornel schrie vor Entsetzen laut auf; aber der Häuptling kehrte sich nicht an sein Geschrei, faßte ihn beim Schopfe und trennte ihm mit zwei schnellen, sicheren Schnitten die beiden Ohrmuscheln los, welche er in den Fluß warf.

      »So!« sagte er, »Tonkawa sich nun gerächt, also jetzt fortreiten.«

      »Jetzt?« fragte Old Firehand. »Willst du nicht mit mir reiten, nicht wenigstens diese Nacht noch bei uns bleiben?«

      »Tonkawa es sein ganz gleich, ob Tag oder Nacht. Seine Augen gut, aber seine Zeit sehr kurz. Er hat verloren viele Tage, um zu verfolgen Cornel; nun er reiten Tag und Nacht, um sein Wigwam zu erreichen. Er Freund der weißen Männer; er großer Freund und Bruder von Old Firehand. Der große Geist stets geben viel Pulver und viel Fleisch den Bleichgesichtern, welche freundlich gewesen mit Tonkawa. Howgh!«

      Er schulterte sein Gewehr und schritt davon. Sein Sohn warf ebenfalls die Flinte auf die Achsel und folgte ihm in die Waldesnacht hinein.

      »Wo haben sie denn ihre Pferde?« erkundigte sich Old Firehand.

      »Droben an unserm Blockhause,« antwortete der Missourier. »Natürlich gehen die beiden hinauf, um sie zu holen. Aber ob sie sich des Nachts durch den Urwald finden werden, das möchte ich — — «

      »Habt keine Sorge,« fiel der Jäger ein. »Sie wissen den Weg, sonst würden sie geblieben sein. Der alte Bär hat, wie er sagte, viel eingekauft. Die Sachen sind unterwegs;


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