Die Juweleninsel. Karl May

Die Juweleninsel - Karl May


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ist es ihm möglich, Ihnen Garantie für seine Verschwiegenheit zu geben.«

      »Das würde mir lieb sein. Worin würde diese Garantie wohl bestehen?«

      »Das kann ich jetzt leider noch nicht bestimmen, ich vermag darüber erst dann zu entscheiden, wenn ich den Fall möglichst kennen gelernt habe.«

      »So werde ich ihn mittheilen. Sie wissen ja, daß die höchste Macht der heiligen Kirche in der Liebe besteht, und ihr höchstes Ziel ist die Seligkeit, zu welcher man durch diese Liebe gelangt. Ein Mann lernte ein junges schönes Mädchen kennen. Sie liebten sich, und er vermochte sie, sich in die Verborgenheit zurückzuziehen. Sie verschwand. Aber ihre Liebe war eine zu irdische, eine egoistische; sie strebte nach den Gütern und Würden des Geliebten, die ihr doch niemals gehören konnten. Er versagte sie ihr, und nun verwandelte sich die Liebe in einen grimmigen Haß, welcher seine Erlaubniß zu dem ersehnten bräutlichen Verschmelzen der Seelen verweigerte und sie auf das Vorhaben brachte, in die sündhafte Welt zurückzukehren. Er mußte ihr diesen Weg mit Gewalt verschließen. Da er aber nicht die wirksamen Mittel besitzt, ihr die himmlische Liebe wieder zurückzurufen, will er das sündhafte widerstrebende Kind der heiligen Kirche übergeben, damit diese ihre heilsame Macht gebrauche und das verirrte Schaf an sein Herz zurückführe. Er besitzt der irdischen Güter in Menge, um die heilige Kirche für ihre Sorgen und edlen Bestrebungen zu belohnen. Das ist der Fall. Nun sprechen Sie, Hochwürden!«

      »Die heilige Kirche kennt dieses Schäflein bereits, wenn ich mich nicht irre, und ist bereit, es zu dem guten Hirten zurückzubringen.«

      »Und die Garantie, von welcher Sie vorhin sprachen?«

      »Werde ich vollständig geben. Doch muß ich vorher erwähnen, daß die Kirche in solchen schwierigen Fällen verpflichtet ist, ihre Bedingungen zu machen.«

      »Ich werde sie hören.«

      »Sind Sie bereit, der Kirche jene Schrift auszuantworten, welche die Zigeunerin Ihnen übergab?«

      »Ja.«

      »Wenn?«

      »Ich trage sie bei mir, trenne mich aber nicht eher von ihr, als bis mir die erwähnte Garantie geboten ist.«

      »Die Dame, von der Sie sprechen, gehört einem berühmten adeligen Hause an?«

      »Ja.«

      »Und befindet sich hier in der Nähe?«

      »Möglich.«

      »Wie viele Personen kennen ihren jetzigen Aufenthaltsort?«

      »Nur zwei.«

      »Können Sie es der heiligen Kirche ermöglichene bei dem ersten Schritte Gewalt zu vermeiden?«

      »Ich hoffe es.«

      »So bin ich bereit, Ew. Hoheit zu den frommen Schwestern zu geleiten.«

      »Auf dem gewöhnlichen Wege oder unterirdisch auf dem verborgenen?«

      »Auf dem ersteren. Der letztere ist nur den Auserwählten bekannt, und unser Verschwinden würde auffallen. In kurzer Zeit ist es Nacht, und dann ist es mir möglich jene Garantie zu geben, von welcher ich vorhin gesprochen habe.«

      »Ich werde natürlich bis dahin nicht weiter mittheilsam sein.«

      »Bemerken Hoheit hier das kleine Pförtchen in der Mauer? Es ist für die Gartenarbeiter und Laienbrüder angebracht, welche von der strengen Klausur nicht betroffen werden. Dieser Schlüssel öffnet es von außen und von innen. Sie werden ihn wohl nachher brauchen, wenn es dunkel geworden ist. Bitte, nehmen Sie ihn zu sich!«

      Sie kehrten in das Klostergebäude zurück und gelangten nachher durch dasselbe auf die Straße, welche nach der entgegengesetzten Seite des Berges führte, wo das Frauenkloster lag. Auch dort kannte man den Prinzen, welcher mit frommer Ostentation empfangen wurde. Speise erhielt er nicht, aber man kredenzte ihm einen alten, sehr guten Wein in einem goldenen Ehrenhumpen, welcher jedenfalls noch aus der Zeit des Faustrechtes stammte. Vielleicht diente er nicht blos zum Willkomm für Ehrengäste, vielleicht schlürften auch die frommen Klosterfrauen zuweilen aus seiner goldenen Tiefe das Getränk der Wahrheit, der Liebe und Begeisterung. Sie sahen nicht aus, als ob sich das Gegentheil von selbst verstehe.

      Die Priorin war dem Prior in Beziehung auf ihren Körperumfang vollständig ebenbürtig, und alle Schwestern erfreuten sich eines stattlichen Aeußern, welches allerdings in Folge der strengen Tracht nicht so zur Geltung kommen konnte, als wenn sie dieselbe mit einer andern vertauscht hätten.

      »Hat vielleicht eine der frommen Schwestern das Bedürfniß zur heiligen Ohrenbeichte zu kommen?« frug der Prior, als sie sich mit der Oberin im Refektorium befanden.

      »Wohl mehrere. Hochwürden haben eine längere Zeit nicht vorgesprochen.«

      »So sind vielleicht einige dabei, welche heut der heiligen Pönitenz bedürfen?«

      Er betonte die Worte »heilige Pönitenz« so eigenthümlich, und die Priorin warf dabei einen so erschrockenen Blick auf den Prinzen, daß dieser sofort errieth, daß es mit dieser Büßung eine ganz besondere Bewandtniß habe.

      »Es ist möglich,« antwortete sie beinahe zögernd. »Soll ich die Schwestern fragen?«

      »Fragen Sie,« bat er.

      Sie entfernte sich. Um die Lippen des Priors spielte ein schlaues feines Lächeln.

      »Errathen Hoheit, was es mit dieser heiligen Pönitenz für eine Bewandtniß hat?«

      »Ich ahne es, möchte es aber dennoch nicht errathen.«

      »Sie werden Aufklärung finden. Die christliche Kirche hat der herrlichen Gaben so sehr viele, daß sie Vergebung und Gnade mit vollen Händen auszustreuen vermag und jeder gläubigen Seele das bietet, was zu ihrem zeitlichen und ewigen Heile erforderlich ist.«

      Die Oberin kehrte zurück und meldete, daß sechs Schwestern um die Erlaubniß bäten, dem frommen hochwürdigen Vater zu beichten.

      »Ich werde ihnen den Trost unserer allerheiligsten Religion bringen,« antwortete er. »Beurlauben mich königliche Hoheit für eine Viertelstunde. Die ehrwürdige Schwester wird Sie bis dahin durch die Räume des Hauses begleiten; in der Kirche sehen wir uns wieder.«

      Als sie nach einer halben Stunde das Schiff der Kirche betraten, bemerkte der Prinz vier Nonnen, welche am Hochaltare knieten. Es waren lauter junge Schwestern, welche hier ihre stille Andacht verrichteten. Seitwärts saß eine Fünfte auf der Bank; ihrem hübschen Gesichte war ein tiefer Verdruß, welcher beinahe wie ein Schmollen aussah, deutlich anzumerken. Am Beichtstuhle kniete die Sechste und hielt ihr Ohr an die Oeffnung desselben. Der Prior sprach mit sehr ernstem Gesicht in sie hinein. Sie antwortete, und der Prinz sah, daß seine Züge wirklich zornig wurden. Er schien eine Drohung auszusprechen, dann entließ er sie, ohne ihr seinen Segen zu ertheilen. Die Schmollende warf einen höhnischen verächtlichen Blick auf sie.

      Diese Sechste war eine Schönheit. Ihre Gestalt zwar wurde von der häßlichen Klostertracht verhüllt, aber ihr Gesicht war von einer wunderbaren Reinheit und ihre Bewegungen ließen errathen, daß sie wohl nicht den niederen Ständen angehört habe. Der Prior verließ den Beichtstuhl und trat zu den Beiden. Die Oberin blickte ihm fragend entgegen.

      »Diesen vier reuigen Schwestern habe ich die Pönitenz gestattet,« berichtete er, »der Fünften aber verweigert. Ihrer Seele ist nicht die Sanftmuth der Bitte gegeben, welche auf Gewährung hoffen darf. Die Sechste ist renitent und kommt in die Strafzelle, wo sie sich mit Gottes Hilfe zum rechten Pfade wenden wird. \Vir verlassen Sie jetzt, verehrte Schwester. Der Herr sei mit Ihnen und diesem frommen Hause jetzt und in alle Ewigkeit, Amen!«

      Er erhob die Arme und ertheilte ihr seinen Segen.

      »Werden Hochwürden die Pönitenz selbst leiten?« frug sie, indem eine leise Röthe über ihr Angesicht flog.

      »Allerdings. Der Diener am Weinberge des Herrn darf nicht säumig sein. Er soll sich keiner Arbeit und keiner Anstrengung scheuen, und dann wird der Segen Gottes ihn und die Seinen begleiten auf allen ihren Wegen. Leben Sie wohl!«

      Sie verließen das Kloster.

      Draußen


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