Die Juweleninsel. Karl May

Die Juweleninsel - Karl May


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und eine eiserne, tief in die Mauer eingefügte Kette. Die nur anderthalb Fuß im Quadrat haltenden Fensterchen waren innen mit einer durchlöcherten Eisenplatte und von außen mit einem starken Doppelgitter versehen. Von hier hätte ein Löwe sich keinen Austritt verschaffen können.

      Dies waren die Zu- und Abgangszellen des Zuchthauses von Hochberg, die schlimmsten Zellen der ganzen Anstalt. Es ist nothwendig, dem eingelieferten Verbrecher seine Lage sofort in ihrer häßlichsten Gestalt zu zeigen und denjenigen, welcher seine Strafzeit überstanden hat, noch vor dem Rückfalle abzuschrecken. jeder Züchtling verlebt den ersten und den letzten Tag seiner Detentionszeit in einer dieser fürchterlichen Zellen.

      Der Aufseher öffnete eine derselben.

      »Hier herein!«

      »Was, hier? Gibt es keine bessere?«

      »Nein.«

      »Da waren sie doch in Fallum hübscher!«

      »Im Hotel de Saxe sind sie noch hübscher, kosten aber auch zehn bis zwanzig Mark per Tag. Zeig Deine Taschen!«

      »Donnerwetter, ich lasse mich nicht Du heißen!«

      »Wirst es schon leiden. Zeige Deine Taschen!« klang es jetzt barscher als vorher.

      »Ich habe ja nichts darin!«

      »Davon will ich mich ja eben überzeugen. Na, oder soll ich nachhelfen?«

      Die Fesseln hatte der Transporteur wieder mit sich genommen. Der Gefangene konnte also die Arme wieder bewegen. Von dem strengen Tone des Aufsehers doch eingeschüchtert, wandte er alle seine Taschen um. Dann durchsuchte ihn der Beamte noch außerdem sehr sorgfältig von Kopf bis zu Fuß.

      »Wie hast Du geheißen?«

      »Hartig.«

      »Was warst Du?«

      »Schiffer.«

      »Was hast Du begangen?«

      »Müssen Sie das wissen?«

      »Das lese ich schon später, Du brauchst mir es also nicht zu sagen. Doch will ich Dich im Guten darauf aufmerksam machen, daß es besser für Dich ist, wenn Du hier gegen Deine Vorgesetzten höflich und zuvorkommend bist. Du bist noch keine halbe Stunde da und hast doch bereits schon eine Strafe von zwanzig Tagen Kostentziehung erhalten.«

      »Ich? Möchte wissen wofür!«

      »Weil Du gegen den Amtswachtmeister grob gewesen bist und hast entfliehen wollen. Hier in der Anstalt wird der allergeringste Fehler sehr streng bestraft. Ihr seid hier, zur Strafe und zur Besserung. Wer willig und arbeitsam ist, kann nicht klagen, wer aber widerstrebt, dem geht es nicht gut. Merke Dir das! Also wie lange Strafzeit hast Du?«

      »Vier Jahre.«

      »Weshalb?«

      Weil ich meine Frau und meinen Stiefjungen geschlagen und den Wachtmeister gestochen haben soll.«

      »Haben soll? Sage doch gleich: geschlagen und gestochen habe, denn Du hast es doch gethan! Kannst Du lesen?«

      »Ein Bischen, wenn es groß gedruckt ist.«

      »Hier an der Thür klebt ein Zettel, darauf steht wie Ihr Euch im Allgemeinen zu verhalten habt. Licht kommt wohl genug zum Fenster herein. Lies ihn genau durch bis ich wieder komme, und beherzige es!«

      Er verließ die Zelle. Die Schlösser klirrten, und die Riegel rasselten, dann war es still. Die fürchterliche Umgebung verfehlte doch ihren Eindruck nicht auf den Gefangenen. Es war ihm, als hätte ihn jemand vor den Kopf geschlagen. Er ließ sich auf dem alten hölzernen Schemel nieder und legte das Gesicht in die beiden hohlen Hände. Aber sein Auge blieb trocken, und keine Thräne der Erleichterung oder der Reue drang zwischen seinen Fingern hervor. So saß er lange, lange Zeit bis die Schlösser wieder klirrten und die Riegel abermals rasselten. Der Aufseher öffnete zum zweiten Male.

      »Komm!«

      Er folgte willig aus der Zelle hinaus und durch mehrere Gänge bis in einen größeren von Wasserdunst erfüllten Raum, welcher durch niedrige bretterne Scheidewände in mehrere Abtheilungen geschieden war. In jeder derselben stand eine Badewanne und ein Schemel dabei. Auf einem dieser Schemel lagen einige Kleidungsstücke, und dabei stand ein Mann, der Scheere und Kamm in der Hand hielt. Er trug eine Jacke und Hose von starkem, grobem, braunem Tuche und harte rindslederne Schuhe an den Füßen. Die Haare waren ihm kurz verschoren, dennoch aber sah man es ihm an, daß er früher wohl gute Tage gesehen und feinere Kleider getragen habe.

      »Nummer Zwei, ein Zuwachs!« meinte der Aufseher. »Kleide ihn ein. Ich habe jetzt Weiteres zu thun. Aber macht mir ja keine Dummheiten! In einer halben Stunde bin ich wieder hier.«

      Er ging und schloß hinter sich ab. Die Beiden befanden sich ganz allein in dem Raume.

      »Vierundsiebenzig, setze Dich!« gebot der Mann.

      »Wer?«

      »Du! Du hast jetzt keinen Namen mehr, sondern die Nummer Vierundsiebenzig; nur bei dieser wirst Du genannt.«

      »Donnerwetter, das ist hübsch!«

      »Fluche nicht!« flüsterte der Mann. Dann fügte er lauter hinzu: »Setzen sollst Du Dich, habe ich gesagt. Oder hörst Du schwer?«

      Hartig ließ sich auf den Schemel nieder. Der Andere griff zu Kamm und Scheere.

      »Was soll denn das werden, he?« frug der erstere.

      »Die Haare müssen herunter. Dann badest Du Dich und ziehst die Anstaltskleidung an. Die Deinige kommt in diesen Sack, der Deine Nummer hat, und wird aufgehoben, bis Du wieder entlassen wirst.«

      »Na, dann zu, wenn es nicht anders möglich ist!«

      Das Schneiden des Haares begann. Dabei flüsterte der Nummer zwei Genannte:

      »Bewege die Lippen nicht wenn Du sprichst. Wir werden scharf beobachtet!«

      »Wo?«

      »Durch die kleinen Löcher über den Badewannen. Was bist Du?«

      »Schiffer.«

      »Woher?«

      »Aus Fallum.«

      »Ah, das Seebad Fallum?«

      »Ja. Kennst Du es?«

      »War öfters dort. Weißt Du nicht, ob Prinz Hugo von Süderland in der gegenwärtigen Saison das Bad besucht?«

      »Vor sechs Wochen war er noch da. Seit dieser Zeit bin ich gefangen. Kennst Du ihn?«

      »Sehr gut.«

      »Wer bist Du denn?«

      »Das ist Nebensache!« Dennoch aber siegte die den meisten Menschen innewohnende und sogar sich in der tiefsten Erniedrigung regende Eitelkeit so, daß er hinzusetzte: »Ich war nichts Gewöhnliches; der Prinz war mein Freund.«

      »Ah!« machte Hartig verwundert.

      »Leise! Ist seine Schwester, Prinzeß Asta, verheirathet?«

      »Freilich. Mit dem Kronprinzen Max, der früher ein Schmied gewesen sein soll. Ich bin wegen dem tollen Prinzen hier.«

      »Nicht möglich! Wie so?«

      »Er fuhr auf dem Boote und stürzte die Tochter des Generals Helbig in das Wasser. Mein Junge warf ihn wieder hinein, und ich züchtigte den Buben ein wenig zu derb. Darüber wurde ich angezeigt und eingesteckt. Ich wollte ausreißen und stieß dem Wachtmeister dabei das Messer in den Arm. Dafür habe ich vier Jahre bekommen.«

      »Und der Junge?«

      »Nichts. Der Prinz hat noch die Kosten bezahlt.«

      »Ja, das sind die jetzigen Zustände; früher unter der alten Regierung war es besser!«

      »Du meinst, als die Raumburgs noch am Ruder waren? Ja, da wurde nicht so kurzer Prozeß mit einem gemacht; da ging es fein hübsch langsam. Wenn das noch wäre, so säße ich nicht hier. Nun aber ist der alte Herzog todt, elend umgekommen, und sein Sohn, der Prinz von Raumburg, soll gar im Zuchthause stecken!«

      Der Sprecher ahnte nicht, daß er gerade diesen Prinzen vor sich habe.

      »Waren


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