Die Juweleninsel. Karl May

Die Juweleninsel - Karl May


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weißt Du noch von ihm?«

      »Nichts, als daß er einen Bruder hat, der Thomas hieß und Geselle in einer Hofschmiede war. Das hat mir meine Mutter erzählt.«

      »Ich werde Euch doch beweisen, daß ich mehr weiß als andere Leute. Ich werde Deiner Mutter von Deinem Vater erzählen, den ich kenne, und mit dem ich kürzlich noch gesprochen habe.«

      »Ist es möglich? Ist es wahr?«

      »Ja, Dein Vater ist jetzt Obersteuermann auf dem berühmten Kriegsschiffe »Tiger«. Ich habe einen Bruder, der auf demselben Schiffe Hochbootsmann ist.«

      »O welch ein Glück; wie wird Mutter sich freuen. Komm, wir wollen schneller reiten!«

      »Die Zigeuner sind wirklich klüger als wir,« meinte Magda nachdenklich. »Wie heißt Du denn eigentlich? Du mußt doch auch einen Namen haben.«

      »Ich heiße Zarba.«

      »Zarba?« rief das Mädchen ganz erstaunt. »Papa hat uns sehr viel erzählt von einer Zigeunerkönigin, welche Zarba heißt. Sie ist die Freundin des Königs und des Kronprinzen, den sie erst zum Kronprinzen gemacht hat. Sie ist auch die Freundin des Generals und des Kommodores von Sternburg und sogar die Verwandte der beiden jetzigen Herzoge von Raumburg. Den früheren Herzog hat nur sie allein gestürzt. Sie muß eine ganz außerordentliche Macht besitzen. Bist Du etwa diese Zarba?«

      »Ich bin es.«

      »Wirklich? O wie gut, daß wir Dich zu uns geladen haben, und wie schade, daß Papa nicht zu Hause ist! Aber Du sollst dennoch gerade so aufgenommen werden, als ob er da wäre. Darauf kannst Du Dich verlassen!«

      »Ja, meine Mutter ist nämlich Wirthschafterin auf Helbigsdorf,« meinte Kurt altklug, »und da kannst Du Dir denken, daß Du sehr gut empfangen wirst.«

      Nach kurzer Zeit erreichten sie ein größeres Dorf, an dessen Ende sich die stattlichen Gebäude eines Herrensitzes präsentirten. Als sie zwischen den sehr gut aussehenden Häusern dahinritten, sahen ihnen die Bewohner verwundert nach. Die Reiterin kam ihnen gar so sonderbar vor.

      Als sie durch das Thor kamen, empfing sie der Verwalter, um ihnen die Pferde abzunehmen. Er warf einen erstaunten mißmuthigen Blick auf die Zigeunerin.

      »Was ist denn das für eine Gesellschaft? Eine Zigeunerin! Das sollte der Herr wissen!«

      »Warum?« frug Magda.

      »Weil dies keine Begleitung für Sie ist, gnädiges Fräulein.«

      Die kleine zehnjährige Generalstochter blitzte ihn mit zornigen Augen an.

      »Welche Begleitung passend für mich ist, muß ich selbst wissen, Herr Verwalter. Sie haben sich nur um das zu bekümmern, was Ihres Amtes ist!«

      »Aber jetzt ist weder Ihr Herr Papa, noch eines der gnädigen Fräuleins, noch der Herr Erzieher da, und da habe ich als Verwalter die Aufsicht über Sie zu übernehmen!«

      »Wer hat Ihnen gesagt, daß wir Beide der Aufsicht, und noch dazu der Ihrigen bedürfen? Doch nicht etwa Papa! Wenn ich ihm Ihre Worte erzählte, wäre Ihnen ein Verweis sicher. Aber ich will Ihnen verzeihen. Sie haben die Oekonomie zu leiten, so viel ich aber weiß, gehören wir Beide weder zum Gesinde noch zu den Thieren. Führen Sie die Pferde in den Stall. Komm, Zarba!«

      Sie nahm die Zigeunerin bei der Hand und führte sie nach dem Portale des Wohnhauses. Kurt folgte ihnen. Der Verwalter blickte ihnen erschrocken nach.

      »Zarba? Alle Wetter, da habe ich einen ganz gewaltigen Bock geschossen! Das also war Zarba, die berühmte Vajdzina[1] aller Zigeuner von Nor- und Süderland! Wer konnte das denken? Sie verkehrt mit Fürsten und Königen und kommt hierher barfuß und in Lumpen. Diesen Fehler muß ich schleunigst wieder gut machen. Und das kleine Fräulein, wie á propos das thut! In der steckt bereits ganz und gar der Alte, dem man auch nicht in die Quere kommen darf, sie kann die Reden setzen wie ein Professor. Wie gut und nobel sie das zum Vorschein brachte, daß sie so gnädig sein und mir verzeihen wolle. Ich werde mir sicher nicht wieder beikommen lassen sie beaufsichtigen zu wollen.«

      Während dieses auf dem Herrensitze geschah, kam von der anderen Seite her ein Mann in das Dorf gegangen, welcher im Gasthofe einkehrte und sich ein Glas Bier geben ließ.

      »Nicht wahr, dieser Ort hier heißt Helpigsdorf?« frug er den Wirth.

      »Ja.«

      »Und der Pesitzer des Schlosses da open ist der Herr General von Helpig?«

      »Ja.«

      »Er ist nicht zu Hause?«

      »Nein, er ist verreist.«

      »Aper seine drei Damen sind da?«

      »Auch nicht. Sie sind auf Besuch in die Nachbarschaft.«

      »So. Wer ist denn da anzutreffen?«

      »Der Verwalter und die neue Wirthschafterin.«

      »Die Wirthschafterin? Was ist denn das für eine Madame? Wie heißt sie?«

      »Ihr Name ist Hartig.«

      »Hartig? Hin. Sie ist wohl noch nicht längst in Helpigsdorf?«

      »Erst seit kurzer Zeit. Der Herr General hat sie mit ihrem Sohne aus dem Seebade mitgebracht, wo er Beide kennen gelernt hat.«

      »Aus dem Seepade; das stimmt; ich pin also am richtigen Orte angekommen.«

      Er bezahlte sein Bier und ging nach dem Schlosse zu.

      Die Sonne hatte sich gesenkt und war im Scheiden begriffen. Sie vergoldete die Giebel, Zinnen und Fenster des Schlosses und hüllte den gegenüberliegenden Waldesrand bereits in halbe Schatten. Dort standen drei Männer, welche die vor ihnen liegende Gegend musterten.

      »Dern Wegweiser nach muß dies Helbigsdorf sein, eine Besitzung des Generals von Helbig, wenn ich mich recht erinnere. Im Walde schlafe ich nicht, Helbig kennt mich. Wir müssen also weiter, aber es fragt sich, in welche Richtung wir uns wenden.«

      Der Sprecher war der jüngste von den Dreien. Der Zweite, ein sehr dicker Mann, meinte: »ich habe auch keine Lust, im Walde zu schlafen und mir einen Rheumatismus zuzuziehen, aber ebensowenig habe ich Lust weiter zu gehen. Seit wir den Wagen verlassen haben, bin ich ermüdet zum Umfallen.«

      »Ich auch,« stimmte der Dritte bei. »diese Waldwege sind verteufelt anstrengend.«

      »Hm,« machte der erste Sprecher. »Helbig ist sehr reich und hat viele Besitzungen, warum soll er gerade hier anwesend sein? Könnte ich erfahren, daß er nicht hier ist, so würde ich mich entschließen auf dem Schlosse zu bleiben; ein Gasthof ist mir zu gefährlich.«

      »Das können wir ja gleich erfahren. Dort den Hohlweg kommt ein Briefträger herauf. Diese Leute wissen gewöhnlich Alles, und er hat sicher auf dem Schlosse zu thun gehabt.«

      »Er kommt nach hier. Treten Sie zurück, daß er Sie nicht bemerkt. Ich werde so thun, als ob ich ihn begegnete, und ihn fragen.«

      Die beiden Andern steckten sich in das Strauchwerk, er aber schritt in den Wald hinein und kehrte dann wieder um. Er richtete dies so ein, daß er gerade am Saume des Holzes auf den Briefboten stieß, der ihn höflich grüßte.

      »Guten Abend,« antwortete er. »Ist dieses Schloß hier Schloß Helbigsdorf?«

      »Ja.«

      »Es gehört dem General von Helbig?«

      »Allerdings.«

      »Wissen Sie nicht, ob er anwesend ist?«

      »Er ist nach der Residenz verreist.«

      »Sind seine Schwestern hier?«

      »Eigentlich, ja. Aber sie sind auch fort, auf Besuch bis morgen.«

      »Wissen Sie dies gewiß?«

      »Ich hatte an jede von ihnen einen Brief und erhielt diesen Bescheid.«

      »Wer ist denn da zu treffen?«

      »Der Verwalter und die Wirthschafterin, wenn man das kleine Fräulein nicht rechnet.«

      »Wie


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<p>1</p>

Führerin, Königin.