Durchs wilde Kurdistan. Karl May

Durchs wilde Kurdistan - Karl May


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bin bei ihm als Beauftragter des Mutessarif.«

      Der Mann mit der Stößerphysiognomie warf sich bei diesen Worten so viel wie möglich in die Brust.

      »Hast du schriftliche Vollmacht?«

      »Nein.«

      »So giltst du hier so wenig wie jeder andere!«

      »Der Kaimakam wird es mir bezeugen!«

      »Nur eine schriftliche Vollmacht kann dich legitimieren, sonst nichts. Geh, und hole dir dieselbe. Der Mutessarif von Mossul wird nur einem Manne von Kenntnissen erlauben, ihn zu vertreten.«

      »Willst du mich beleidigen?«

      »Nein. Ich will nur bestätigen, daß du kein Offizier bist, von militärischen Dingen nichts verstehst und hier also schweigst.«

      »Emir!« rief er, indem er mir einen wütenden Blick zuwarf.

      »Soll ich dir die Wahrheit meiner Worte beweisen? Ihr seid so eingeschlossen, daß kein einziger von euch entkommen kann; es bedarf nur einer kleinen halben Stunde, so seid ihr hilflos in die Erde hineingeschossen. Und bei einem solchen Stande der Dinge soll ich dem Bey sagen, daß er die Waffen strecken soll? Er würde mich für wahnsinnig halten. Der Miralai, dem Allah gnädig und barmherzig sein möge, hat fünfzehnhundert wackere Krieger durch seine Unvorsichtigkeit in das Verderben geführt. Dem Kaimakam fällt die ehrenvolle Aufgabe zu, sie diesem Verderben zu entreißen; wenn ihm dies gelingt, so hat er wie ein guter Offizier und wie ein Held gehandelt. Mit hochtrabenden Worten aber, hinter denen Furcht und Heimtücke lauern, wird es ihm nicht gelingen. Ich habe nur mit ihm zu reden. In militärischen Angelegenheiten soll nur ein Krieger zu bestimmen haben.«

      »Und doch sollst du auch mich anhören!«

      »Ich wüßte nicht, worin!«

      »Es sind auch Dinge zu verhandeln, welche das Gesetz betreffen, und ich bin ein Makredsch!«

      »Sei, was du willst! Du kannst mir keine Vollmacht zeigen, und darum sind wir miteinander fertig!«

      Ich hatte einen entschiedenen Widerwillen gegen diesen Menschen, aber es wäre mir nicht eingefallen, demselben einen so kräftigen Ausdruck zu geben, wenn er anders aufgetreten wäre und ich nicht eine sehr deutliche Ahnung gehabt hätte, daß er die meiste Schuld an den gegenwärtigen Verhältnissen trage. Warum hatte sich dieser Gerichtsmensch überhaupt der Expedition angeschlossen? Doch wohl nur, um den Dschesidi nach ihrer etwaigen Ueberwindung auf dem Wege des moslemitischen Gesetzes die Uebermacht der Osmanly fühlbarer zu machen.

      Ich wandte mich nun an den Kaimakam:

      »Was soll ich dem Bey sagen, wenn er mich fragt, warum ihr Scheik Adi überfallen habt?«

      »Weil wir uns zwei Mörder holen wollen, und weil die Dschesidi den Haradsch[12] nicht regelmäßig bezahlen.«

      »Er wird sich über die Gründe sehr wundern. Die Mörder müßt ihr bei euch selbst suchen; das wird er euch beweisen, und den Haradsch konntet ihr auf einem andern Wege erlangen. Was soll ich ihm von deinen jetzigen Entschlüssen sagen?«

      »Sage ihm, daß er mir einen Mann senden möge, mit dem ich über die Bedingungen verhandeln kann, unter denen ich abziehe!«

      »Und wenn er mich nach der Grundlage dieser Bedingungen fragt?«

      »Ich verlange im Namen des Mutessarif unsere Geschütze zurück; ich verlange für jeden unserer Toten oder Verwundeten ein Sühnegeld; ich verlange den verweigerten Haradsch, und ich verlange die Auszahlung einer Summe, die ich noch bestimmen werde, als Brandschatzung.«

      »Allah kerihm, Gott ist gütig! Er hat dir einen Mund gegeben, welcher sehr gut zu fordern weiß. Du brauchst mir weiter nichts zu sagen; es ist genug, und das übrige magst du Ali Bey selbst mitteilen. Ich werde sofort zu ihm gehen und euch die Antwort entweder selbst bringen oder sie euch durch einen Boten wissen lassen.«

      »Sage ihm nur noch, daß er unsere Artilleristen frei lassen und ihnen ihren Schreck vergüten muß!«

      »Ich werde ihm auch dies noch mitteilen; aber ich befürchte, daß er von euch auch eine Vergütung der Ueberraschung verlangt, welche ihr ihm bereitet habt. Jetzt sind wir fertig; ich werde mich aufmachen, warne euch aber vorher noch in einer Beziehung: Wenn ihr in Scheik Adi Schaden anrichtet, dann wird der Bey gegen euch keine Schonung kennen.«

      Ich stand auf. Sie taten dasselbe und gingen.

      Jetzt rief ich Halef und Ifra herab, welche die Tiere satteln mußten. Dies nahm nur kurze Zeit in Anspruch. Dann verließen wir das Haus und stiegen auf.

      »Haltet hier; ich komme gleich zurück!«

      Nach diesen Worten ritt ich zunächst ein Stück das Tal hinab, um die Wirkung der Geschütze in Augenschein zu nehmen. Sie war eine grauenhafte, doch wurde sie dadurch gemildert, daß die Dschesidi die verwundeten Türken aufgehoben hatten, um ihnen möglichst Hilfe angedeihen zu lassen. Wie anders wäre es wohl gewesen, wenn den Osmanly ihr Ueberfall geglückt wäre! Ich wandte mich ab, trotzdem mir die Sieger von ihrer Verschanzung her erfreut zu riefen, nahm Halef und Ifra auf und ritt nun am Bache hinan, um auf den Weg nach Baadri zu gelangen; denn da oben auf dieser Seite mußte ich den Bey vermuten.

      Als ich an dem Tempel vorüberkam, stand der Kaimakam mit seinem Stabe vor demselben. Er winkte mir, und ich ritt zu ihm hin.

      »Sage dem Scheik noch, daß er eine Summe bezahlen muß als Sühne für den Tod des Miralai!«

      »Ich glaube sehr, daß der Makredsch von Mossul sich große Mühe gibt, immer neue Forderungen zu entdecken, und ich vermute, daß der Bey eine sehr bedeutende Sühne verlangen wird für seinen ermordeten Parlamentär. Doch werde ich ihm deine Worte sagen.«

      »Du hast einen Baschi-Bozuk bei dir?«

      »Wie du siehst!«

      »Wer hat ihn dir gegeben?«

      »Der Mutessarif.«

      »Brauchst du ihn noch?«

      »Ja.«

      »Wir brauchen ihn auch.«

      »So hole dir einen Befehl vom Gouverneur. Wenn du mir diesen vorzeigst, werde ich dir den Buluk Emini zurückgeben!«

      Ich ritt weiter und kam an lauter finsteren Gesichtern vorüber. Gar manche Hand zuckte nach dem Dolche, aber Nasir Agassi begleitete mich, bis ich in Sicherheit war, dann aber nahm er Abschied.

      Der Abschied war kurz, denn die Zeit drängte.

      »Effendi, werden wir uns wiedersehen?« fragte Nasir Agassi.

      »Allah weiß alles, auch dieses, wir aber nicht.«

      »Du bist mein Retter; ich werde dich nie vergessen und danke dir. Sollten wir uns einmal wiedersehen, so sage mir dann, ob ich dir dienen kann.«

      »Gott schütze dich! Vielleicht sehe ich dich einmal als Miralai; dann möge deiner ein besseres Kismet warten, als das des Omar Amed!«

      Wir reichten einander die Hände und schieden. Auch ihn habe ich zu einer Zeit wieder gesehen, wo ich am wenigsten an ihn dachte.

      Nur wenige Schritte weiter empor trafen wir hinter einem Busche den ersten Dschesidi, welcher sich so weit heran gewagt hatte, um beim Wiederbeginn des Kampfes ein sicheres Ziel zu haben. Es war der Sohn Seleks, mein Dolmetscher.

      »Emir, bist du wohl erhalten?« rief er mir entgegen.

      »Ganz wohl. Hast du das Buch des Pir Kamek bei dir?«

      »Nein. Ich habe es an einem Ort versteckt, an dem es keinen Schaden leiden kann.«

      »Aber wenn du gefallen wärest, so wäre es verloren gewesen!«

      »Nein, Effendi. Ich habe Mehreren offenbart, wo es liegt, und diese hätten dir es mitgeteilt.«

      »Wo ist der Bey?«

      »Oben auf der Klippe, von welcher aus man das Tal am besten überblicken kann. Erlaube, daß ich dich führe!«

      Er nahm das Gewehr über die Schulter und schritt


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<p>12</p>

Eine auf Nicht-Mohammedaner gelegte Taxe.