Im Lande des Mahdi II. Karl May

Im Lande des Mahdi II - Karl May


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auf einen baumfreien Raum, auf welchem die siebzig Männer lagerten, viele nur halb bekleidet, aber alle gut bewaffnet. Ich sah Gesichter von hellbraun an bis zum tiefsten Schwarz. Die Kamele lagerten eins neben dem andern links und mir gegenüber am Rande der Lichtung. Der Fakir saß mit dem Dschelabi ein Stück von der Truppe entfernt am diesseitigen Rande, und es war ein günstiger Zufall gewesen, daß ich gerade auf diese Stelle getroffen war, sonst hätte ich sie unter vielen Schwierigkeiten aufzusuchen gehabt.

      Die Leute saßen oder lagen nicht eng beisammen, sondern zu zweien oder dreien in einzelnen kleinen Gruppen auseinander. Dieser Umstand mußte uns den Ueberfall sehr erleichtern. Seitwärts von da, wo ich mich jetzt befand, war Platz genug, meine zwanzig Mann aufzustellen. Sie konnten da die Feinde sehen, und mir war es möglich, jedem einzelnen von ihnen seine besondere Instruktion zu erteilen. Denn jeder mußte für sich wissen, welchen Gegner er anzugreifen hatte, da andernfalls ein Wirrwarr zu befürchten war, bei welchem die Mehrzahl der Feinde Gelegenheit zur Flucht finden mußte.

      Da ich nun weiter nichts zu sehen und zu hören brauchte, kehrte ich zu meinen Gefährten zurück, um ihnen den guten Erfolg meiner Rekognoszierung mitzuteilen. Keiner freute sich mehr über die Anwesenheit des Fakirs als Ben Nil, welcher, kaum daß ich geendet, mir zurief.

      »Hamdulillah, der Fakir, der Fakir ist da! Effendi, den mußt du mir überlassen; auf den schieße ich!«

      »Es wird gar nicht geschossen,« antwortete ich. »Wir werden die Leute nicht töten, sondern dem Reïs Effendina ausliefern.«

      »Auch den Fakir, der doch jedenfalls mir verfallen ist?«

      »Auch mir ist er verfallen; ich verzichte aber auf die Rache.«

      Ich verzichte aber nicht!«

      »So sprechen wir später darüber; jetzt aber verbiete ich dir auf das allerstrengste, ihn zu töten.«

      »Effendi, bedenke, daß du mich da in einem Rechte kränkst, das mir kein Mensch nehmen kann!«

      »Das thue ich nicht, sondern ich beabsichtige nur einen Aufschub. Der Reïs Effendina befindet sich in einer Gefahr, welche ich nicht kenne; der Fakir kennt sie und soll mir Mitteilung machen. Wird er getötet, so erfahre ich nichts, und der Reïs ist verloren. Ich muß also unbedingt mit dem Fakir reden.«

      »Wenn das ist, so will ich mich fügen; dann aber später wirst du nicht so ungerecht sein, mich zu verhindern, das Gesetz der Wüste auszuführen. Nun aber, Effendi, wie wollen wir diese siebzig Krieger überwinden, wenn wir sie nicht erschießen dürfen?«

      »Wir schlagen sie mit den Gewehrkolben nieder. Stirbt einer von einem solchen Schlage, so ist es nicht zu ändern und wir werden ihn nicht beklagen. Ihr müßt aber so zuhauen, daß der Getroffene zusammenbricht und sich nicht wehren kann. Ich werde euch führen und einem jeden zeigen, nach welcher Gruppe er sich zu wenden hat, damit nicht einer den andern hindert. Ich selbst nehme den Fakir und den Dschelabi auf mich. Sobald ich durch das Gebüsch breche, folgt ihr mir. Es wird kein Kommando gegeben; keiner darf rufen oder schreien; es muß alles ganz still und lautlos geschehen, denn dann wirkt die Ueberraschung viel mehr, als wenn der Feind durch unzeitiges Gebrüll gewarnt wird. Bedenkt, daß jeder von euch drei oder vier Gegner niederschlagen muß! Ihr müßt also außerordentlich schnell arbeiten, und das ist nur dann möglich, wenn ihr euch dabei ganz stumm verhaltet. Die Kerle werden dann vor Schreck geradezu starr sein, während euer Kampfgeschrei sie sehr beweglich machen würde.«

      Da unsere Kamele an den Beinen gefesselt waren, genügte ein einziger Mann zu ihrer Bewachung. Die andern gingen mit mir.

      »Dein Plan gefällt mir, Effendi,« meinte der Führer, als wir aufbrachen. »Mit dem Schießen ist es bei mir nicht ganz sicher, nun aber werden diese Hunde den Kolben meiner Visionsflinte sehr zu kosten bekommen.«

      Wir gelangten unbemerkt auf dem von mir ausersehenen Platze an. Es hatte sich dort nichts verändert. Nun verging eine Weile, bis ich jedem einzelnen meiner Leute gezeigt hatte, wohin er sich zu wenden habe; dann stellte ich mich an die lichte Stelle im Gebüsch, durch welche ich vorhin geschaut hatte. Die Gefährten hielten, die Augen auf ihre bestimmten Opfer gerichtet, mir zur linken Hand, wo das Gesträuch nicht schwer zu durchdringen war. Da ich sah, daß ein jeder bereit war, that ich einen Sprung durch das Gesträuch und auf die Lichtung hinaus, wendete mich rechts – zwei Kolbenhiebe, und der Fakir und der Kundschafter waren abgethan.

      Hinter mir rauschte es wie Sturmwind im Gebüsch, denn meine Asaker folgten mir. Einige Schritte von den beiden genannten saßen vier Männer, welche über mein Erscheinen so entsetzt waren, daß sie mich bewegungslos anstarrten; ich hieb den ersten nieder, den zweiten; der dritte erhob zur Abwehr die Arme, ich traf ihn dennoch; der vierte wollte aufspringen, kam aber nicht dazu; ich schlug ihn zu den andern. Ich hatte aus Rücksicht auf die Getroffenen mit der breiten Seite und nicht mit der Kante des Kolbens zugeschlagen. Das betäubte nur, tötete aber nicht.

      Sechs Mann – das war mein Pensum, und nun machte ich es mir zur Aufgabe, etwaige Flüchtlinge zurückzuhalten. Darum wendete ich mich gegen die Scene, welcher ich jetzt den Rücken zugedreht hatte, und legte den vielschüssigen Henrystutzen zum Schusse an.

      Es war ein noch nie erlebter Anblick, der sich mir bot. Die Asaker hatten sich genau nach meiner Vorschrift gehalten; sie »arbeiteten« stumm, und die davon erwartete Wirkung blieb nicht aus; gerade dieses Schweigen vergrößerte den Schreck der Ueberfallenen; auch sie schienen stumm zu sein. Nur hier oder dort schrie einer auf oder sprang einer empor, um sich zu flüchten, was aber keinem gelang. Uebrigens hätte ich jedem, dessen Flucht zu gelingen drohte, eine Kugel in das Bein gegeben, um ihn niederzuwerfen.

      Abgesehen von dem Umstande, daß das Niederschmettern von Menschen kein Vorgang ist, über welchen man entzückt sein kann, war es für ein kampfesfrohes Auge eine Freude, die Asaker zu sehen. Am gewandtesten benahm sich Ben Nil; ich glaube, er streckte sechs oder sieben Gegner nieder. Von dem Augenblicke an, in welchem ich das Gebüsch durchdrang, bis zu dem Momente, in welchem ich den letzten Feind hintenüber fallen sah, waren wohl kaum anderthalb Minuten vergangen, und von Seiten der Gegner war nicht ein einziger Schuß oder Schlag gefallen. Das war die Folge der Ueberraschung, einer so vollständigen, erstarrenden Ueberraschung, wie ich bisher noch keine beobachtet hatte.

      Selbst jetzt, als wir den vollsten Erfolg vor uns hatten, blieben die Asaker still. Sie blickten alle zu mir her, um zu erfahren, was nun zu geschehen habe.

      »Bindet schnell alle,« rief ich ihnen zu, »mit Riemen, Schnüren oder Fetzen, die ihr ihnen von den Kleidern reißt! Das Schweigen ist zu Ende; ihr dürft reden.«

      Reden? Wie kann man in einer solchen Situation einem afrikanischen Askari gegenüber von »Reden« sprechen! Hätte ich gesagt: »ihr dürft heulen«, so wäre der Erfolg noch lange nicht dem nahe gekommen, was ich jetzt zu hören bekam. Die zwanzig Stimmen brachen in ein geradezu übermenschliches Gebrüll aus; es war, als ob hundert Teufel jauchzten. Dabei versäumten sie aber nicht, meinen Befehl schnellstens auszuführen.

      Ich wendete mich natürlich zunächst zu dem Fakir und seinem Kundschafter. Sie hatten die Lippen offen und röchelten; ich band ihnen die Hände hinten und auch die Füße zusammen. Material zum Fesseln war genug vorhanden; jeder Beduine trägt während eines Rittes Schnüre bei sich, da er deren sehr oft braucht. Außerdem ist jedes Kaffije[5] und jede Kapuze mit einem Ukal, einer Schnur versehen, mit welcher die Kopfbedeckung befestigt wird, und so ein Ukal ist ein zum Fesseln höchst praktischer Gegenstand.

      Es gab welche, die nur halb betäubt waren; sie waren an ihren Bewegungen zu erkennen und wurden natürlich zuerst gefesselt. In fünf oder höchstens zehn Minuten waren wir fertig und konnten nun daran gehen, zu untersuchen, ob einer oder der andere erschlagen worden sei. Leider waren die Asaker nicht so glimpflich wie ich verfahren; sie hatten mit der Schärfe des Kolbens zugeschlagen, und so gab es mehrere zerschmetterte Schädel. Es ergab sich zu meinem Leidwesen, daß acht Personen tot waren. Drei von ihnen hatte unser Führer auf dem Gewissen, denn er sagte zu mir, indem er das Blut von dem Kolben seiner Flinte wischte:

      »Effendi, mein Visionsgewehr hat seine Schuldigkeit gethan, denn von den vieren, welche ich traf, wird nur ein einziger sich erheben.«

      »War das deine Absicht?«

      »Ja.


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<p>5</p>

Kopftuch.