Im Lande des Mahdi III. Karl May
der Djangeh, abgefangen und von ihm meinen Plan erfahren. Ihr habt meine Seribah genommen und seid dann mit den Bor, die ihr am Maijeh Semkat traft, aufgebrochen, um die Gohk in Wagunda zu warnen.«
»Du träumst!« lachte ich, um ihn zu weiterer Mitteilung zu verführen.
»Ich träume nicht, sondern der Gewährsmann, den ich habe, ist ein sicherer. Dein kluger Selim hier hat mir alles sehr ausführlich gestanden. Du hast dich mit dem Reis Effendina veruneinigt und infolgedessen Wagunda verlassen, um auf eigene Faust die Leute von Foguda zur Hilfe zu holen. Glücklicherweise habe ich meinen Marsch abgekürzt, indem ich nicht ganz bis Aguda gegangen bin, und befinde mich infolgedessen um mehrere Tage eher hier, als du erwartetest. Ich kam auf den klugen Gedanken, nicht nur Wagunda zu nehmen, sondern schon vorher auch Foguda zu überfallen. In der Nähe dieses Ortes angekommen, mußten wir, um die Nacht abzuwarten, Halt machen und uns verbergen. Ich ritt mit einigen Asakern voran, einen dazu passenden Ort zu suchen, und kam hierher, als Selim am Waldesrande stand und ihr euch jenseits des Schilfes befandet. Dieser Selim ist ein solcher Ausbund von Schlauheit, daß es ihm gar nicht einfiel, zu entfliehen. Er hatte uns gesehen; er mußte auch bemerken, daß wir unsere Tiere schnell unter die Bäume zogen und uns dann durch die Büsche schlichen, um an ihn zu kommen; er entfloh trotzdem nicht. Wenn die Krieger, welche ihr bei euch habt, alle so klug sind, wie er ist, werde ich sehr leichtes Spiel mit ihnen haben. Wir ergriffen ihn, und als ich ihn im Weigerungsfalle mit dem Tode drohte, erzählte er mir alles, was ich zu wissen nötig hatte. Dann kamt ihr zurück und wurdet von uns niedergeschlagen. Du siehst, daß ich alles weiß. Du bist verloren. Jetzt werden wir nach Foguda aufbrechen, um dir den Anblick einer Sklavenjagd zu verschaffen. Das, was du da siehst, mag dir einen kleinen Vorgeschmack dessen geben, was ihr zu erwarten habt.«
Er stand auf und gab mit der Hand ein Zeichen, auf welches sich alle andern Sitzenden auch erhoben, um zum Aufbruche zu rüsten. Da in diesem Augenblicke niemand scharf auf uns achtete, benutzte ich denselben, mich an Selim zu wenden:
»Du hast Ibn Asl wirklich kommen sehen?«
»Ja, Effendi«, antwortete er. »Es waren fünf weiße Asaker bei ihm.«
»Und bist doch sitzen geblieben!«
»Natürlich! Hast du vergessen, daß du mir befahlst, zu bleiben? Und hast du vergessen, daß ich dir versprach, allen deinen Befehlen zu gehorchen?«
Da übermannte mich denn doch der Zorn, und es entfuhr mir der Ausruf:
»O du Heupferd aller Heupferde! So eine Dummheit ist noch nie dagewesen! Konnte ich wissen, daß Ibn Asl kommen werde? Ich wußte es wohl, daß du uns ins Unglück bringen werdest! Wärest du beim Anblicke Ibn Asls schnell in das Gebüsch gesprungen, um nicht gesehen zu werden und uns zu warnen, so wäre er jetzt unser Gefangener, anstatt daß wir uns in seinen Händen befinden. Und wie kommst du dazu, ihm ein so offenes und ausführliches Geständnis über alles, was geschehen ist und was wir beabsichtigten, zu machen?«
»Du hast ja von ihm selbst gehört, daß er mich mit dem Tode bedrohte!«
»Dummkopf! Wenn ich dich nicht rette, wirst du ermordet trotz deines Geständnisses.«
»Meinst du, daß du uns zu retten vermagst, mein lieber Effendi?« fragte er kleinlaut.
»Ich habe die Hoffnung noch nicht verloren. Bete zu Allah, daß er dich und uns in – —«
Ich wurde unterbrochen, denn es traten mehrere weiße Asaker zu uns, um uns zum Marsche fertig zu machen. Ibn Asl schien es überhaupt zu vermeiden, uns mit schwarzen Asakern oder gar den Djangeh in nähere Berührung zu bringen. Er befürchtete, wir würden verraten, daß der Häuptling der letzteren Freundschaft mit uns geschlossen hatte. Ich mußte aufstehen und bekam eine schwere Schebah angelegt. Unter Schebah versteht man einen starken Gabelast, in dessen Gabel der Hals des Sklaven oder Gefangenen gesteckt und dann durch ein Querholz festgehalten wird. Hierdurch behält der Gefangene den freien Gebrauch der Hände und Füße, während er durch den langen Ast, den er vor sich hertragen muß, am Entrinnen und an jedem Mißbrauche der Hände verhindert wird. Man hatte, wie es schien, den schwersten aller vorhandenen Aeste für mich ausgesucht. Aber das genügte noch nicht, denn es wurden mir noch zwei eiserne Handschellen angelegt, welche durch eine kurze Kette miteinander verbunden waren. Dann erst nahm man mir die bisherigen, nun überflüssigen Fesseln ab. Ben Nil und Selim wurden nur durch je eine Schebah unschädlich gemacht.
Beim Anlegen der Handschellen war ich darauf bedacht, keine sehr engen zu bekommen. Ich drückte die Ellbogen an den Leib und ballte die Finger fest zusammen, wodurch das Handgelenk sich verkürzte und einen größern Umfang bekam. Die beiden Kerls, welche mir die Schellen anlegten, ließen sich dadurch wirklich täuschen. Sie wollten mir zunächst Schellen anlegen, welche mir paßten und sich eng um meine Handgelenke gelegt hätten; infolge meiner Manipulation aber brachten sie die Schlösser nicht zusammen, und so suchten sie ein paar weitere aus, welche sich zwar schlossen, mir jedoch scheinbar nicht den geringsten Spielraum ließen. Dies gab mir die Hoffnung, mich von den Fesseln befreien zu können. Von der Schebah hoffte ich, dann auch bald loszukommen.
Der Aufbruch begann. Eine Anzahl guter Läufer wurde vorangeschickt, um die bereits vorausgegangenen Kundschafter zu verstärken. Dann kam eine Abteilung der Djangeh, welchen Ibn Asl mit seinen weißen Sklavenjägern folgte. Den Beschluß machten die übrigen Djangeh. Die meisten dieser Leute ritten auf Ochsen. Zwei von den Lasttieren trugen das Zelt, welches, wie ich erfuhr, allabendlich für Ibn Asl aufgerichtet wurde. An die Spitze meiner Schebah wurde ein mehrfach zusammengeflochtener Riemen befestigt, dessen anderes Ende Ibn Asl an seinen Sattel band. Mein Hals steckte in der Gabel der Schebah, deren Ast ich vor mir hertragen mußte. So trollte ich gerade wie ein Sklave seitwärts neben oder hinter meinem Todfeinde her. Die Gabeläste von Selim und Ben Nil waren in derselben Weise mit den Sätteln zweier anderer Reiter verbunden.
Ich sagte mir natürlich, daß die Djangeh, falls sie den wirklichen Sachverhalt gekannt hätten, ihrem jetzigen Anführer wohl nicht so bereitwillig gefolgt wären. Es stand vielmehr mit Gewißheit zu erwarten, daß sie sich in diesem Falle gesträubt hätten, ihm zu gehorchen. Ich war sogar überzeugt, daß sie dann wenigstens den Versuch gemacht hätten, uns zu befreien. Darum war ich entschlossen, die erste Gelegenheit, sie warnen zu können, trotz der Gefahr, welche mir dabei drohte, nicht vorübergehen zu lassen.
Aber wie das fertig bringen, da ich mich nicht so, wie es notwendig war, verständlich machen konnte! Ich suchte in Gedanken meinen geringen Wortvorrat zusammen und fand auch bald Gelegenheit, ihn in Anwendung zu bringen.
Wir waren über eine Stunde lang über offenes Land gezogen und sahen dann draußen am Horizonte wieder Wald vor uns liegen. Aus diesem kehrte einer der Kundschafter zurück, um dem Anführer der ersten Djangeh-Truppe eine Meldung zu machen. Dieser letztere kam zu Ibn Asl, um ihm dieselbe mitzuteilen. Es geschah dies in der Djangeh-Sprache, welche Ibn Asl, wie ich jetzt sah und hörte, gut verstand. Sie sprachen eine kleine Weile miteinander. Als sich der Djangeh dann zu seiner Abteilung zurückbegeben wollte, rief ich ihm zu:
»Ibn Asl anadsch rehm, badd ginu Scheik kador, Scheik and wirt, afod rahn – —«
Diese der Djangeh- und Nuehrsprache entnommenen Worte bedeuteten soviel wie: Ibn Asl ist ein schlechter Kerl; er wollte deinen Scheik ermorden; der Scheik ist jetzt als unser Freund bei uns. – — Weiter kam ich nicht, denn Ibn Asl griff nach meiner Schebah, riß daran, daß ich zu Boden stürzte, und schrie mir grimmig zu:
»Schweig, du Hund, du armseligster aller Lügner! Soll ich dein Maul mit der Peitsche verstopfen?«
Er zog die Nilpferdpeitsche aus dem Gürtel und schlug mich, der ich mich wieder aufrichten wollte, mit dem Knopfe derselben so auf den Kopf, daß ich fast wieder niedergesunken wäre. Dann erteilte er dem Djangeh den Befehl, sich zu entfernen, und dieser gehorchte, und zwar in einer Weise, daß ich wohl merkte, er lege meinen Worten nicht die von mir beabsichtigte Bedeutung bei.
»Wenn du nur noch ein einziges Mal mit einem Djangeh redest«, fuhr Ihn Asl drohend fort, »so gebe ich dir einen Knebel!«
Diese Drohung machte er gewiß wahr, und da es auf keinen Fall ein Vergnügen ist, einen Tag oder gar noch länger einen Knebel im Munde zu haben, so nahm ich mir vor, ihn nicht wieder auf diese Weise zu reizen.
Bald