Im Lande des Mahdi III. Karl May

Im Lande des Mahdi III - Karl May


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ist richtig; aber ich hoffe, diese Schellen nicht mehr lange tragen zu müssen.«

      »Wie willst du sie herunterbringen?«

      »Das wirst du später erfahren. Ich will nicht davon sprechen, weil man meine Worte doch vielleicht hören könnte. Schweigen wir jetzt! Ich habe meine Gedanken anderweit zusammenzunehmen, wenn ich nicht erwürgt sein oder mit dem Ochsen stürzen und den Hals brechen will.«

      Die Bemerkung vom Brechen des Halses war von mir ganz ernst gemeint. Ich befand mich wirklich in der größten Gefahr, dieses Unglück zu erleiden. Ich wurde von vorn und von hinten gezogen und gezerrt; jeden Ruck, den ich bekam, mußte mein Ochse auch fühlen. Wenn er die Geduld verlor und auf die sprichwörtlich gewordene Eigenschaft seiner Sippe verfiel, konnte er leicht zum Sturze kommen. Ich war auf seinem Rücken festgebunden und trug die schwere, lange Schebah am Halse; dieser letztere war also von meinen Körperteilen derjenige, den ich den gefährdetsten nennen mußte.

      Als der Tag anbrach, fühlte ich meine Arme nicht mehr. Sie waren mir infolge der Stellung, welche sie beim Halten des Gabelastes einzunehmen hatten, eingeschlafen. Von den andern Gliedern will ich nur die Beine erwähnen. Ich fühlte, daß sie bereits blutrünstig waren. Und doch sollte die Qual sich nicht vermindern, sondern steigern.

      Die Führer hatten wegen der nächtlichen Dunkelheit nur offene Gegenden aufgesucht. Jetzt, da es hell geworden war, konnten sie die gerade Richtung einhalten, und diese führte durch Wald und immer wieder Wald. Mit meinem Tiere und in meiner Lage, von vorn und von hinten gezogen und gerissen, war der Ritt unter den Bäumen hin und durch den Morast, den es da stellenweise gab, natürlich weit beschwerlicher noch als derjenige über die Lichtungen. Und doch hielt ich es bis zum Mittage aus, um welche Zeit angehalten wurde, da die Ochsen der Erholung bedurften. Dies geschah auf einer Blöße, über welche ein kleines Wasser langsam floß.

      Wir drei wurden von den Tieren gebunden. Als meine Füße den Boden berührten, vermochten sie mich nicht zu halten; ich brach förmlich zusammen.

      »Steht es schon so mit dir?« lachte Ibn Asl höhnisch auf. »Willst du dich auch jetzt noch deiner Stärke rühmen?«

      »Wann habe ich mich derselben gerühmt?« antwortete ich. »Meinst du etwa, daß ich leide? Ich freue mich vielmehr, denn ich weiß, daß du Wagunda nicht zur rechten Zeit erreichen wirst.«

      »Nicht? Warum?«

      »Weil ich dich hindern werde!«

      Er sah nachdenklich vor sich nieder und wendete sich dann, ohne noch ein Wort zu sagen, von mir ab. Ich hoffte, das erreicht zu haben, was ich mit meinen Worten erreichen wollte, nämlich eine weniger grausame Behandlung.

      Meine Beinkleider waren steif vom Blute, doch erkannte ich bald, daß meine Schwäche vorhin nur eine augenblickliche und schnell vorübergehende gewesen war. Die unnatürliche, erzwungene Lage meiner gefesselten Glieder hatte sie, als sie in die gewöhnliche Lage zurückkehren durften, für eine Minute unbrauchbar gemacht. Doch ließ ich das nicht merken, sondern stellte mich schwächer, als ich in Wirklichkeit war. Diese Taktik sollte nicht ohne Erfolg bleiben.

      Wir bekamen auch jetzt Fleisch und Wasser. Da ich mich freier bewegen konnte, sah ich, wie bereits oben bemerkt, aus welchen und wie vielen Leuten unser Zug bestand. Man hatte Reserveochsen mitgenommen. Zwei von ihnen trugen das Zelt des Anführers. Auf dem Packsattel eines dritten sah ich ein langes Bündel, aus welchem die Kolben und Läufe unserer Gewehre blickten. Daß man uns nicht nur die Waffen, sondern überhaupt alles abgenommen hatte, bedarf eigentlich keiner besonderen Erwähnung.

      Zwei Stunden mochten wir geruht haben, als wir wieder aufbrachen. Wie war ich erfreut, als man mir, bevor ich aufsteigen mußte, die Schebah vom Halse nahm! Ich bekam sogar einen andern, bessern Ochsen. Meine Bemerkung hatte also die beabsichtigten Früchte getragen. Zwar wurde ich wieder durch Riemen mit Ibn Asl und Selim verbunden, aber die Gabel hinderte und drückte mich nicht mehr, und ich konnte trotz der gefesselten Hände die Zügel halten und auch führen. Das hatte zur Folge, daß ich während des ganzen Nachmittages fast nicht die mindeste Belästigung fühlte, nur daß am Abende, als wir wieder Halt machten, noch eine gewisse Steifheit zu bemerken war.

      Wir befanden uns am Rande einer Art von Prairie. Die Ochsen sollten einige Stunden grasen und dann wiederkäuen, natürlich unter Aufsicht von Wächtern, die sich während der Nacht abzulösen hatten. Für Ibn Asl wurde das Zelt aufgeschlagen, und mir wurde die Schebah wieder angelegt. Als Abendessen bekamen wir einen Brei von Durrhamehl, in kaltem Wasser angerührt.

      Es war ein Feuer angebrannt worden, welches, um die Stechmücken abzuwehren, die ganze Nacht unterhalten werden sollte. Dort hatten Ben Nil und Selim sich niederzulegen, weil sie, von den Flammen beschienen, besser bewacht werden konnten. Was aber mich betraf, so sagte Ibn Asl, nachdem er meine Handschellen und die Schebah sorgfältig untersucht hatte:

      »Dich lasse ich nicht im Freien. Du mußt mit ins Zelt hinein, damit ich deiner vollständig sicher bin.«

      Ich wurde also in das Zelt geschafft und im Hintergrunde desselben niedergelegt, nachdem man mir mit einem Riemen beide Fußgelenke zusammengebunden hatte. Die Spitze der Schebah wurde fest an die eine Zeltstange geschnürt, so daß ich die ganze Nacht den Kopf und Oberkörper nicht zu bewegen vermochte, eine mehr als unbequeme Lage.

      Nahe dem Eingange wurde für Ibn Asl ein Lager aus weichen Decken zurechtgemacht und für den etwaigen Bedarf während der Nacht ein Gefäß voll Trinkwasser daneben gestellt. Dieses Wasser hätte mich retten können; leider aber stand es nicht in meinem Bereiche. Als er sich auf sein Lager hingestreckt hatte, machte er mir die Bemerkung:

      »Denke nicht etwa an Flucht! Ich werde jede deiner Bewegungen hören. Wolltest du dich erheben, so würdest du, da die Schebah mit dem Zelte verbunden ist, dasselbe erschüttern, oder gar niederreißen. Auch sitzen die Wächter draußen am Feuer und werden das Zelt nicht aus den Augen lassen.«

      Der gute Mann hatte sehr recht; aber wenn mir das Wassergefäß zugänglich gewesen wäre, so hätte er nicht recht gehabt. Er verschloß den Eingang des Zeltes, indem er den Vorhang vorzog, und verhielt sich von jetzt an ruhig. Ich war ebenso still wie er, aber nur äußerlich. In meinem Innern sprachen verschiedene Stimmen, von denen aber keine zur wirklichen Geltung gelangte. Sowie ich jetzt hier im Zelte lag, war Flucht unmöglich. Ich mußte mich heute noch in Geduld fügen. Aber Schlaf fand ich nicht. Erstens war meine Lage zu unbequem dazu, und zweitens galt es, nachzudenken, ob es nicht auf eine andere, mir bisher noch nicht eingefallene Weise möglich sei, loszukommen. Aber all mein Sinnen führte zu keinem Ziele; der Kopf wurde mir schwer; ich fiel zuweilen in eine Art von Halbschlummer, aus dem ich immer schnell wieder erwachte, und als die Wächter draußen die Schläfer mit lauter Stimme weckten, war ich viel müder, als ich am Abende gewesen war.

      Der Tag brach an. Man band mir die Füße frei, löste die Schebah von der Zeltstange und führte mich hinaus, wo ich wieder Durrhabrei, und zwar in derselben Weise wie am vorigen Abende zu essen bekam. Dann wurde ich, nachdem man mir die Schebah abgenommen hatte, wieder auf den Ochsen gebunden, Ben Nil und Selim ebenso, worauf der heutige Ritt begann. Einer der Führer fehlte. Wie ich später erfuhr, war er schon während der Nacht aufgebrochen, um uns als Kundschaftet voranzureiten.

      Während ich über mein Befinden im Sattel jetzt nicht mehr zu klagen hatte und auch Ben Nil sich nicht beschwerte, begann Selim hinter uns zu wimmern und zu klagen. Es war klar, daß der alte Mann solchen Anstrengungen nicht gewachsen sein konnte. Ich bedauerte ihn, obgleich nur er allein unsere gegenwärtige Lage verschuldete, und warf ihm einige Bemerkungen, die ihn trösten sollten, zu. Dies war mir heute möglich, da ich die Schebah nicht zu tragen hatte und mich also umdrehen konnte.

      »Schweig, Effendi!« fuhr er mich undankbar an. »Du bist schuld an allem, was ich zu leiden habe.«

      »Ich? Wieso?« fragte ich verwundert.

      »Wärst du in Wagunda geblieben, so wäre ich dir nicht nachgelaufen! Meine Glieder sind wie von Papier, und meine Seele weint mehr Thränen, als es in einem Jahre regnen kann. Dieser Ochse ist mein Tod.«

      »Ich habe geglaubt, daß du ein guter Reiter seist!«

      »Der bin ich auch. Ich bin der kühnste und gewandteste Reiter des Weltalls. Ich bändige selbst das wildeste


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