Im Lande des Mahdi III. Karl May
siehst also, wie überlegen ich dir bin. Dich kann weder Allah noch der Satan aus meiner Hand erretten. Du bist verloren. Und solltest du vielleicht von dem Reis Effendina Hilfe erwarten und der Ansicht sein, daß ich diesen nicht ergreifen werde, so will ich dir hiermit sagen, daß ich noch in dieser Nacht nach Wagunda aufbrechen werde. Er erwartet mich jetzt noch nicht; er kann mich noch nicht erwarten, und je mehr ich mich beeile, desto sicherer überrasche ich ihn. Ihr drei werdet jetzt zu essen und zu trinken bekommen, nicht etwa aus Mitleid, o nein, sondern damit ihr stark genug seid, die schnelle Reise auszuhalten.«
Er wendete sich von mir ab und erteilte einige Befehle, welche seine letzten Worte betrafen. Ich hatte meine Absicht erreicht und war von dem, was er mir mitgeteilt hatte, sehr befriedigt. Daß er annahm, ich wolle ihn reizen, gab mir die Gewißheit, daß er sich wenigstens zunächst hüten werde, gegen unser Leben oder unsere Gesundheit etwas zu unternehmen.
Wir bekamen Fleisch zu essen und Wasser zu trinken. Das erstere wurde uns in zugeschnittenen Bissen in den Mund gesteckt, und zwar so reichlich, daß ich mich vollständig gesättigt fühlte. Dann wurden wir von den Pfählen gebunden und unter Bedeckung der schon erwähnten drei Wächter seitwärts gebracht, wo wir uns niederlegen durften.
Ich legte mich so, daß ich die Feuer und den Schauplatz der heutigen Unthaten im Rücken hatte und nichts davon sehen konnte. Mit meinen beiden Gefährten zu sprechen, hütete ich mich, denn ich wußte, daß der Versuch dazu doch nur mit Peitschenhieben zurückgewiesen worden wäre. Sie schienen, da sie sich ebenso still verhielten, ganz derselben Ansicht zu sein.
Obgleich ich mit dem Gesicht abgewendet lag, bemerkte ich sehr bald, daß hinter mir irgend eine Vorbereitung getroffen wurde. Welcher Art dieselbe war, erfuhr ich bald – die Vorbereitung zum Aufbruche. Die neugefangenen Sklaven mußten sich erheben, um in Einzelreihen fortgeschafft zu werden. Die geraubten Herden trieb man hinter ihnen her. Wir drei wurden von Ibn Asl und fünf weißen Asakern besonders genommen und fortgeführt. Der Zug ging nordwärts zurück nach den Sträuchern, zwischen denen wir vor dem Ueberfalle gelagert hatten. Als wir dort anlangten, wurden einige Feuer angebrannt. Nach dem, was Ibn Asl zu mir gesagt hatte, war ich überzeugt, daß wir nur kurze Zeit hier verweilen würden, und es zeigte sich, daß diese Vermutung die richtige war.
Man hatte uns so plaziert, daß wir auf drei Seiten von Büschen umgeben waren und das, was auf dem Lagerplatze vorging, nicht sehen konnten. Man brachte gesattelte Ochsen herbei; dann kam Ibn Asl und sagte:
»Ben Nil und Selim sind keine Reiter; wenn ich ihnen die Schebah ließe, würden sie mir unterwegs zu Grunde gehen; da ich sie jedoch lieb habe und sie mir zu erhalten wünsche, werde ich ihnen den Ritt dadurch erleichtern, daß ich ihnen den Gabelast abnehme. Du aber bist im Sattel zu Hause, Effendi, und wirst also mit der Schebah reiten. Ich hoffe, daß du mir für diese Auszeichnung dankbar bist!«
Diese spöttischen Worte stellten mir einen schweren, sehr schweren Ritt in Aussicht, doch nahm ich sie ruhig hin, da ich jetzt zu meiner Rettung nichts zu thun vermochte. Meine einzige Hoffnung konnte ich nur auf Wasser gründen. Auf Wasser? Wieso?
Als mir die Handschellen zum erstenmale angelegt wurden, war ich bestrebt gewesen, sie so weit wie möglich zu bekommen; ich hatte geglaubt, ihnen entschlüpfen zu können; es wäre mir auf einige Haut- oder Fleischfetzen, die ich dabei verloren hätte, nicht angekommen. Aber ich hatte das Klima dieser Gegend nicht in Berechnung gezogen. Ich schwitzte; die Hände waren beständig feucht und so angeschwollen, daß es geradezu unmöglich war, sie selbst mit größter Anstrengung aus den Fesseln zu ziehen. Wollte ich diesen letzteren Zweck erreichen, so mußte die Anschwellung zum Weichen gebracht werden, und das konnte nur durch kaltes Wasser geschehen. Also Wasser, nur Wasser!
Ben Nil und Selim wurden von ihren Gabelästen befreit und auf Reitochsen gebunden. Auch ich mußte aufsteigen, was ich natürlich ohne Weigern that, und wurde auf das sorgfältigste festgeschnürt. Dann leitete man unsere Tiere zwischen den Büschen hin, bis wir die freie Ebene erreichten, wo ich schon eine größere Anzahl Reiter halten sah.
Man ordnete sich zum Zuge. Voran ritten zwei Kerle, welche, wie ich später bemerkte, eine ausgezeichnete Ortskenntnis besaßen. Dann kam ein Trupp von vielleicht zehn weißen Asakern, hinter ihnen Ibn Asl, an dessen Sattel hinten zwei Riemen befestigt waren. Der eine wurde an die Spitze meiner Schebah gebunden und der andere Ben Nil um den Leib geschlungen, so daß wir beide gezwungen waren, nebeneinander hinter unserm Peiniger zu reiten. Von meinem Sattel aus ging wieder ein Riemen, von welchem hinter mir der Ochse Selims geleitet wurde, ein Arrangement, welches kaum raffinierter erdacht werden konnte.
Ich saß auf dem Ochsen festgebunden, ohne die Zügel fassen zu können, um den Hals die schwere Schebah, welche ich mit den beiden erhobenen Händen halten mußte, wenn ich von ihr nicht erwürgt sein wollte. Jeder Ruck von Ibn Asls Ochsen, jeder Fehltritt desselben mußte meine Schebah aus der Lage bringen und mir Schmerzen bereiten. Selim war kein Reiter, war zudem auch gefesselt und leistete auf einem Ochsen sicherlich noch weniger, als auf einem Pferde. Da sein Tier mit mir zusammenhing, war die Einrichtung für mich eine Folter, deren Erfindung einem Teufel Ehre gemacht haben würde. Es gab nur ein Mittel, sie erträglicher zu machen, nämlich äußerst fester Schluß- und Schenkeldruck; aber welcher sterbliche Mensch kann einen ganzen Tag, ja nur eine Stunde lang, wenn er noch dazu gefesselt ist, mit einem Ochsen solchen Schluß behalten!
Hinter Selim ritten wieder mehrere weiße Asaker, worauf die übrigen folgten. Auf einen Ruf des Anführers setzte man sich in Bewegung, erst langsam, worauf bald ein schnellerer Schritt angenommen wurde.
Schon nach den ersten fünf Minuten hatte ich die feste Ueberzeugung, daß ich nicht auf einem Reitochsen saß und man mir sogar unter den Lastochsen den allermiserabelsten und steifsten »Werfer« ausgesucht hatte. Nun, ich that mein möglichstes, seinen Sylphidenschritten etwas mehr Elastizität und Stetigkeit zu geben. Aber was half das bei der Schlechtigkeit Ibn Asls, welcher von Zeit zu Zeit hinter sich nach dem Riemen griff, um an meiner Schebah zu zerren! Dann schlugen die hinter Selim Reitenden auf den Ochsen ein, daß dieser störrisch wurde und, zur Seite fahrend, mich von hinten zerrte. Es war ein Ritt, wie ich noch keinen gemacht hatte und mir auch keinen wieder wünsche.
Es mochte ungefähr drei Uhr nachts sein. Die Sterne leuchteten noch in unverminderter Helle, und es ging immer über offenes Land, bald geradeaus, bald indem wir nach rechts oder nach links abbogen. Die Führer kannten die Gegend so genau, als ob sie hier geboren seien. Das einzige Gute, welches man mir gelassen hatte, war, daß ich mit Ben Nil sprechen konnte, ohne daß man es verbot. Oder war auch das eine Raffiniertheit? Sollten wir Pläne zu unserer Rettung schmieden, um dann desto schwerer zu empfinden, daß dieselbe unmöglich sei?
Wie viele Reiter ich hinter mir hatte, konnte ich nicht sehen, da die Schebah mich hinderte, den Kopf zu drehen. Später, als wir anhielten, um die Ochsen ruhen, trinken und grasen zu lassen, zählte ich dreißig weiße Asaker und ungefähr hundert Djangeh. Es waren also wohl zwanzig weiße und fünfzig Schwarze zurückgeblieben, um die erbeuteten Ochsen und Sklaven nachzutreiben, während Ibn Asl in beschleunigtem Ritt voraneilte, um Wagunda sicher zu überraschen.
Ben Nil that alles mögliche, mir die Qualen dieses Rittes zu erleichtern; aber da er auch an den Händen und Füßen gefesselt war, so hatte er sein Tier nicht so, wie er wollte, in der Gewalt.
»Effendi, dieses Mal ist es wohl aus mit uns,« warf er mir in halblautem Tone zu. »Oder sollte in deinem Herzen noch ein wenig Hoffnung vorhanden sein?«
»Ein wenig?« antwortete ich. »Ich habe nicht das kleinste Stäubchen meiner Hoffnung verloren.«
»Hoffnung! Das ist ein schönes Wort; aber es steht zu befürchten, daß dasselbe nicht mehr für uns existiert.«
»Es existiert für mich, solange ich lebe, und da ich jetzt noch lebe, so hoffe ich eben noch.«
»Trotz der Fesseln und auch trotz dieser Schebah, welche zu den Erfindungen der Hölle gehört?«
»Trotzdem. Fesseln kann man zersprengen, und eine Schebah ist zwar ein festes, aber immerhin auch zerbrechliches Ding.«
»Glaubst du denn, die Kette, welche deine Handschellen verbindet, sprengen zu können?«
»Solange ich die Schebah halten muß, nein.«
»Und