Im Lande des Mahdi III. Karl May

Im Lande des Mahdi III - Karl May


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sie schnitten. Wenn es nach diesen ging, so hatte ich jetzt, wie Selim sich ausdrücken würde, die tapfersten Helden des Weltalls vor mir.

      Als die Truppenschau beendigt war, kehrten wir nach dem Lager zurück. Die Krieger blieben auf der Savanne, da bei uns unter den Bäumen kein Platz für sie war; doch mußte uns eine Anzahl von ihnen begleiten, um Fleisch zu holen. Daß davon genug vorhanden war, kann man sich denken, wenn ich sage, daß das erlegte Nilpferd eine Länge von wenigstens vier Metern hatte.

      Wir hatten uns noch nicht lange im Lager befunden, so kehrte das ausgesandte Boot zurück, und die Insassen desselben zeigten mir an, daß der Reis Effendina schon im Ansegeln sei. Ich begab mich nach der Nilpferdfalle, um ihn dort zu erwarten, da diese Stelle sich am besten zum Anlegen eignete. Von dort aus sah ich bald darauf das Schiff im Eingange des Maijeh erscheinen und nach wenigen Minuten kam der Emir allein an das Ufer.

      Ich berichtete ihm von dem Erfolge, welchen meine Sendung gehabt hatte, und er war sehr erfreut darüber. Auch er fand es für sehr vorteilhaft für uns, daß die Bor entschlossen waren, in solcher Zahl an unserm Zuge teilzunehmen. Dennoch gab er erst dann, als ich ihm versichert hatte, daß dieselben nicht etwa eine Heimtücke gegen uns beabsichtigten, den Befehl, daß die Besatzung des Schiffes an das Land kommen solle.

      Während dies geschah, führte ich ihn zu dem Häuptlinge, der ihn, natürlich durch den Dolmetscher, mit ehrerbietigen Worten begrüßte. Dann lud er ihn ein, sich mit nach der Savanne zu begeben, um die dort befindlichen Bor-Krieger ebenfalls zu besichtigen. Da ich dieselben schon gesehen hatte, verzichtete ich darauf, mitzugehen, und der Reis Effendina konnte die Leitung der notwendigen Marschvorbereitungen selbst in die Hand nehmen. Ich hatte also nichts zu thun, und weil es noch mehrere Stunden bis zum Anbruche des Abends war und ich nicht müßig bleiben wollte, so gedachte ich, mich durch eine Jagd auf eßbare Vögel zu beschäftigen. Da der Häuptling die Gegend kennen mußte, so fragte ich ihn, wohin ich mich wohl zu wenden hätte, um zum Schusse zu kommen.

      »Hier wirst du nichts finden, Effendi,« ließ er mir durch Agadi antworten. »Unsere Anwesenheit hat das Wild verscheucht. Aber wenn du nach dem jenseitigen Ufer ruderst, wirst du gewiß finden, was du suchest.«

      »Weißt du nicht, ob ich da drüben vor feindlichen Begegnungen sicher sein werde?«

      »Ich weiß, daß du gar nichts zu befürchten hast. Du wirst auf keinen Menschen stoßen, da die Gegend nur von uns bewohnt wird.«

      Diese Versicherung mußte mein Bedenken, wenn ich ein solches gehabt hätte, vollständig zerstreuen. Ich hatte aber meine Frage nur aus gewohnter Vorsicht, nicht aber infolge irgend einer Befürchtung ausgesprochen und forderte Ben Nil auf, mich im Boote zu begleiten. Das hörte einer, den ich früher oft mitgenommen hatte, was aber, da er sich seit lange bei dem Reis Effendina an Bord befand, in letzter Zeit nicht mehr geschehen war, nämlich Selim, der »Schleuderer der Knochen«. Er trat schnell zu mir heran und sagte:

      »Effendi, nimm mich mit! Ich will auch Vögel schießen.«

      »Ich kann dich nicht brauchen,« antwortete ich ihm in Erinnerung an frühere Kalamitäten, in die er mich gebracht hatte.

      »Warum?« fragte er, indem er ein außerordentlich erstauntes Gesicht machte.

      »Weil du jedenfalls doch nur wieder Dummheiten begehen würdest.«

      Da warf er die langen Arme empor, schlug die Hände über dem Kopfe zusammen und rief aus:

      »Dummheiten! Ich, Selim, der berühmteste Krieger und Jäger des Weltalls, Dummheiten! Hat man schon einmal so etwas gehört! Du beleidigst die Tiefen meiner Seele und betrübst die Gefühle meines Herzens. Vor mir kann der tapferste Held der Erde nicht bestehen. Laß fünfzig Nilpferde und hundert Elefanten über mich herfallen, sie werden mir nichts anhaben können; ich erlege sie vielmehr in der Zeit von fünf Minuten. Und du willst doch nur Vögel schießen!«

      Selbst diese eifrige und beredte Vorstellung hätte mich wohl kaum vermocht, ihm seinen Wunsch zu erfüllen, aber Ben Nil schien Lust zu haben, den alten Schwadroneur wieder einmal mit uns zu nehmen, denn er bat mich:

      »Versage es ihm doch nicht, Effendi! Du hast gehört, daß wir da drüben vollständig sicher sind. Es kann uns also nichts geschehen.«

      »So wird er uns wenigstens die Vögel verscheuchen, denn eine Dummheit macht er ganz gewiß. Nun, wir wollen sehen, ob er sich einmal verständig halten kann.«

      Wir nahmen das kleine Boot unseres Schiffes, welches sehr leicht war und Platz für mehr als zwei Ruderer und einen Steuerer hatte. Ben Nil und Selim ruderten. Wir fuhren quer über den Majieh hinüber und legten am jenseitigen Ufer an, wo wir ausstiegen und uns in den Wald begaben. Wir schritten wohl über eine Viertelstunde lang durch denselben, kamen aber nicht zum Schusse. Es gab Vögel genug, aber sie waren zu scheu.

      »Wir sind noch nicht weit genug vom Lager entfernt ,« meinte Ben Nil. »Wir müssen viel weiter in den Maijeh hinein.«

      Da ich die Bemerkung Ben Nils für richtig hielt, kehrten wir nach dem Boote zurück und fuhren eine bedeutende Strecke am Ufer hin, bis wir an eine schmale Bucht kamen, welche sich links in das Land zog. Ich steuerte da hinein. Selim warf den Blick umher und sagte:

      »Hier werden wir finden, was wir suchen. Steigen wir nun aus!«

      Er zog, ohne auf meinen Befehl zu warten, das Ruder ein. Wir waren noch mehrere Ellen vom Ufer entfernt, an welchem sich eine Art Halbinsel von auf deren Oberfläche grünendem Sumpfgras angesammelt hatte. Dadurch, daß Selim sein Ruder einzog, bekam das Boot eine Wendung, welche ich mit dem Steuer unmöglich sofort korrigieren konnte; wir gerieten mit der Spitze des Fahrzeuges in das Sumpfgras; Selim hielt die schwimmende Halbinsel für festes Land und – —

      »Halt!« rief ich ihm zu. »Bleib‘, du brichst durch!«

      Aber noch schneller, als ich sprechen konnte, hatte er sich aufgerichtet und den Sprung gethan. Meine Worte erfüllten sich buchstäblich – er brach durch und verschwand unter dem verräterischen Grün des Sumpfgrases. Unser leichtes Boot geriet durch den Sprung des unvorsichtigen Menschen in gefährliches Schwanken; es wollte mit der Backbordseite Wasser fassen; darum neigte ich mich rasch nach der rechten Seite, um die linke emporzubringen. In diesem Augenblicke tauchte Selim gerade an der letzteren wieder auf, hielt sich am tief geneigten Bootsrande krampfhaft fest und brüllte:

      »Ich ertrinke! Hilfe, Hilfe!«

      »Nimm die Beine hoch; schwimme!« rief ich ihm zu. »Du stürzest sonst das Boot um!«

      »Ich will hinein, hinein!« zeterte er. »Die Krokodile kommen, die Krokodile! Hebt mich hinein! Schnell, schnell, sonst fressen sie mich!«

      Es war kein Krokodil zu sehen; dennoch blieb der Kerl vor Entsetzen steif und schwer am Boote hangen, so daß sich dasselbe nicht aufzurichten vermochte.

      »Ben Nil, schnell auf die andere Seite, sonst kentern wir!« gebot ich meinem jungen Gefährten.

      Dieser wollte gehorchen und rückte nach rechts, von Selim ab. Dies vergrößerte die Angst des letzteren, welcher schrie:

      »Nicht fortrücken; bleib‘ da; zieh‘ mich hinein! Sie kommen; sie kommen!«

      Er zog sich aus Furcht vor den Krokodilen, die es doch gar nicht gab, am Rande des Bootes in die Höhe und langte nach Ben Nil. Die seitige Last war für das leichte Fahrzeug zu schwer; es faßte Wasser und kippte, da Selim trotzdem nicht losließ, um. Der alte Pechvogel verschwand wieder in der Tiefe; auch Ben Nil ging unter, mit ihm unsere Gewehre, welche auf dem Boden des Fahrzeuges gelegen hatten. Nur ich blieb an der Oberfläche, da ich so vorsichtig gewesen war, die Arme und Beine sofort zum Schwimmen auszubreiten. Ben Nil kam rasch wieder empor.

      »Wo ist Selim?« fragte er, als er diesen nicht sah.

      »Unten. Tauchen wir nach ihm, sonst ertrinkt er uns.«

      Nach dieser Aufforderung ließ ich mich sinken und wurde augenblicklich an einem Beine gepackt. Ich arbeitete mich empor und schwamm, Selim nach mir ziehend, dem Ufer zu. Er hing so fest an meinen Beinen, daß er selbst dann, als ich mich auf dem Trockenen befand, nicht losließ. Halb im Wasser und halb am Lande liegend, hatte er die Augen fest geschlossen und bewegte sich nicht. Ich mußte Kraft anwenden, um


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