Im Lande des Mahdi III. Karl May

Im Lande des Mahdi III - Karl May


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dortigen Gohk-Neger zu Sklaven zu machen.«

      »Warum gingst du nicht mit? Fürchtetest du dich?«

      »Fürchten? Ich? Ich sollte dir eigentlich die Antwort auf diese Frage ins Gesicht hineinschlagen! Ich bin mit dem Mokkadem hier zurückgeblieben, weil Ibn Asl, sobald er Sklaven gemacht hat, den Weg gerade nach hier einschlagen wird. Wir bauen hier eine neue Seribah, nur leichte Hütten einstweilen, in denen die Sklaven, sobald sie kommen, untergebracht werden sollen, bis wir Gelegenheit finden, sie sicher an den Mann zu bringen. Du sollst diese neue Seribah sehen, denn wir werden jetzt nach dort aufbrechen.«

      Er hatte neun Männer bei sich. Je zwei von ihnen nahmen Ben Nil und Selim zwischen sich; die anderen fünf mußten mich bewachen, und er gebot ihnen, außerordentlich aufmerksam zu sein. Das Boot blieb am Ufer liegen, wo es mit dem Stricke an einem Baume hing. Es sollte, wie ich hörte, später abgeholt werden.

      Wir wurden fortgeführt, längs des Ufers hin. Nach kurzem hörte der Wald auf, und eh sah eine ziemlich weite, offene Grasfläche vor mir, welche bis an das Wasser trat. Dort wurde der Maijeh nur von einem schmalen Saum von Büschen eingefaßt. Diese Prairie war jedenfalls infolge eines Waldbrandes entstanden. Es ging über sie hinweg, wohl eine halbe Stunde lang; dann sahen wir, indem wir den Maijeh immer zur rechten Hand behielten, wieder Wald vor uns, an dessen Rande mehrere Hütten errichtet waren. Das kreisrunde Gemäuer derselben bestand aus Schlamm und Schilf. Die trichterförmig sich verjüngenden runden Dächer waren nur aus Schilf gefertigt. Diese Tokuls bildeten jedenfalls die neue, im Werden noch begriffene Seribah des Sklavenjägers.

      Als wir uns derselben näherten, kamen uns vier Männer entgegen, drei mit afrikanischen Gesichtszügen. In dem vierten erkannte ich den Mokkadem der heiligen Kadirine. Wie staunte er, als er mich erblickte! Nachdem er seine Freude, mich als Gefangenen wieder bei sich zu sehen, einen mehr als reichlichen Ausdruck gegeben hatte, fragte er, wo und auf welche Weise wir ergriffen worden seien. Der Gaukler teilte ihm nun alles mit, was ich gesagt hatte und beide glaubten es, was freilich kein Beweis von großer Klugheit ihrerseits war.

      Da der Muza‘bir mir gesagt hatte, daß ich schleunigst aufgehängt werden sollte, so war ich auf eine schnelle Flucht bedacht gewesen. Das Kopftuch, mit welchem man mir die Arme platt um den Leib gebunden hatte, mußte zerrissen werden. Es war nicht neu, aber noch fest. Ich mußte versuchen, es soweit zu bringen, daß man es für einen Augenblick öffnete.

      Auf der Seribah befanden sich unsere beiden Todfeinde und die zwölf Asaker, welche Ibn Asl bei ihnen gelassen hatte. Sie alle waren zwar bewaffnet, legten aber, als wir die Hütten erreichten, ihre langen Gewehre ab. Die Pistolen und Messer, welche sie nun noch bei sich hatten, konnten mir nichts schaden. Etwas seitwärts weideten zwei Ochsen, Reitochsen, wie es schien. Die an den Nasenriemen befestigten Zügel waren ihnen um den Hals geschlungen. Es versteht sich, wie ich kaum zu bemerken brauche, ganz von selbst, daß man uns alle unsere Habseligkeiten abgenommen hatte.

      Der Mokkadem war ganz damit einverstanden, daß wir durch den Strick sterben sollten, doch stellte er den Antrag, wenigstens mich vorher ein kleinwenig zu martern. Während man darüber verhandelte, flüsterte ich meinen beiden Gefährten, welche nahe bei mir standen, zu:

      »Ich schneide euch los. Dann rennt ihr geradewegs, ohne euch umzusehen, nach unserem Boote und steigt ein, um sofort abrudern zu können, wenn ich nach euch komme.«

      »Wie willst du schneiden können!« antwortete Ben Nil, für unsere Feinde unhörbar. »Du bist doch gebunden und hast kein Messer.«

      »Ich mache mich frei.«

      »Werden wir entkommen? Sie werden alle hinter uns her sein.«

      »Hinter euch nicht. Ich schlage zunächst eine andere Richtung ein, und da sie es doch meist auf mich abgesehen haben, werden sie mir nachrennen und nicht euch. Wartet dann aber ja, bis ich komme, sonst werde ich doch noch erwischt!«

      Ich bewegte die Oberarme, um das Tuch zu lockern. Das that ich nicht etwa heimlich, sondern man sollte es bemerken. Der Muza‘bir sah es zuerst, trat auf mich zu und sagte:

      »Hund, willst du dich etwa losmachen? Das soll dir nicht gelingen. Ah, das Tuch ist wahrhaftig schon gelockert. Werde es wieder fester binden.«

      Er bedachte nicht, daß er, um dies zu thun, den Knoten aufmachen mußte. Dieser wurde, allerdings nur für einen kurzen Moment gelöst; aber in demselben Augenblicke stieß ich die Ellbogen von mir ab, bekam die Arme frei, drehte mich nach dem Muza‘bir um, riß ihm mit der Rechten das Messer aus dem Gürtel, schlug ihm die Linke ins Gesicht, daß er hintenüber stürzte, dann zwei rasche Schnitte – Ben Nils und Selims Banden waren entzwei, und die beiden rannten, was sie nur laufen konnten, davon. Diese Bewegungen waren in größter Schnelligkeit geschehen, aber doch nicht zu schnell für den Mokkadem, welcher herbeisprang und mich beim linken Arme ergriff, um mich festzuhalten. Ich hatte das Messer in der Rechten, mußte von ihm los, wollte ihn aber doch nicht erstechen; darum warf ich es fort und schlug ihn mit der geballten Faust nieder, so daß er meine Linke fahren lassen mußte, und rannte dann auch fort, aber nicht gerade aus, wie meine Gefährten es thaten, sondern nach rechts in die Prairie hinein. Dabei mußte ich an den beiden Ochsen vorüber. Es kam mir ein Gedanke. Ich sprang auf den Rücken des einen, ergriff die Zügel und schlug ihm die Fersen so kräftig gegen die Weichen, daß er augenblicklich mit mir davonrannte. Schon nach den ersten Sprüngen, welche er that, bemerkte ich, daß er den Zügeln gehorchte und mich also, wenigstens in dieser Beziehung, nicht in Verlegenheit bringen werde.

      Hinter mir schrieen die Sklavenjäger wie toll; sie rannten mir nach. Ich sah mich nach ihnen um und bemerkte, daß der Muza‘bir sich schnell wieder aufgerafft hatte und soeben den zweiten Ochsen bestieg, um mir auf demselben nachzujagen. Das war mir sehr lieb. Man bekümmerte sich nicht um Ben Nil und Selim, und ich hatte bereits einen solchen Vorsprung, daß ich nicht zu befürchten brauchte, eingeholt zu werden.

      Leider aber erwies diese Zuversicht sich als unbegründet. Mein Ochse trat mit einem Vorderbein in ein Loch, welches ich nicht hatte bemerken können, da es mit Gras bewachsen war, blieb hängen und überschlug sich. Ich wurde abgeschleudert und flog in einem weiten Bogen mit solcher Gewalt zur Erde, daß ich eine kleine Weile wie geprellt liegen blieb. Dann raffte ich mich auf. Ich war unverletzt, aber der ganze Körper »brummte« mir, wie man dieses sonst schwer zu beschreibende Gefühl mit einem volkstümlichen Ausdrucke zu bezeichnen pflegt.

      Der Ochse konnte nicht auf; er hatte den Fuß gebrochen, und ich war also auf die Schnelligkeit meiner eigenen Beine angewiesen. Der Muza‘bir war mir bis auf zweihundert Schritte nahe. Er stieß ein Triumphgeschrei aus und schwang die Pistole in der rechten Hand. Weit hinter ihm kam der Mokkadem mit den andern gelaufen. Die letzteren brauchte ich nicht zu fürchten, desto gefährlicher aber war mir der erstere; er holte mich auf alle Fälle ein. War es da nicht besser, ihn stehenden Fußes zu erwarten? Zwar war er bewaffnet und ich nicht, doch glaubte ich, mich auf meinen scharfen Blick und mein gutes Glück verlassen zu können. Ich blieb also stehen. Er kam herangejagt, richtete die Pistole auf mich und rief, wohl noch hundert Schritte von mir entfernt:

      »Stirb, Hund! Willst du dem Stricke entgehen, so trifft dich meine Kugel!«

      Er drückte ab und – traf mich nicht, wie mit fast absoluter Sicherheit zu erwarten gewesen war. Wer aus solcher Entfernung und auf einem Ochsen galoppierend mich treffen wollte, mußte ein besserer Schütze sein und jedenfalls auch eine bessere Waffe haben. Die Pistole hatte nur einen Lauf. Er steckte sie in den Gürtel und zog die andere. Noch einmal schoß er und fehlte wieder. Jetzt gehörte der Mann mir; darauf hätte ich jede Wette eingehen mögen.

      Er steckte auch die zweite Pistole ein und riß das Messer aus dem Gürtel. Aus Wut über die beiden Fehlschüsse und im grimmigen Verlangen, meiner habhaft zu werden, verlor er das richtige Augenmaß und vergaß, sein Tier im richtigen Augenblicke zu zügeln. Es blieb nicht bei mir halten, sondern schoß eine kleine Strecke über mich hinaus. Er riß in die Zügel und versäumte dabei, sich nach mir umzusehen. Es waren nur wenige Augenblicke, welche er verlor, doch genügten sie mir vollständig, seine Unvorsichtigkeit zu benutzen. Ich rannte ihm nach, und noch hatte er den Ochsen nicht vollständig zum Stehen gebracht, so sprang ich hinter ihm auf und preßte ihm mit meinen Armen die seinigen fest an den Leib, das Tier erschrak und rannte in erneutem Laufe weiter.

      »Hund!«


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