Old Surehand I. Karl May

Old Surehand I - Karl May


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von uns, was durch das Wasser leiden mußte oder nicht ganz nötig mitzunehmen war. Von Waffen konnten wir nur die Messer behalten. Als wir so weit fertig waren, fragte Parker:

      »Also, wir haben wirklich ganz und gar nichts dabei zu thun, Mr. Shatterhand?«

      »Nein; aber für überflüssig braucht ihr euch trotzdem nicht zu halten; es giebt einen Fall, in welchem wir euch sehr notwendig brauchen. «

      »Welcher ist das?«

      »Wenn wir entdeckt und verfolgt werden, was nur zu Wasser geschehen kann. Wir kommen in gerader Linie zurückgeschwommen. Haben wir Verfolger hinter uns, so ist es eure Aufgabe, sie von uns abzuhalten.«

      »Durch Schüsse?«

      »Ja.«

      »In dieser Dunkelheit! Vom Schwimmer kann man nicht viel mehr als den Kopf sehen; wer kann da einen Weißen von einem Indianer unterscheiden. Wie leicht könnten wir auf euch schießen!«

      »Ihr dürft eben nicht eher schießen, als bis ihr genau wißt, auf wen ihr zielt. Uebrigens werden wir uns euch durch laute Zurufe kenntlich machen. Kommt einer von uns im Wasser mit einem Roten in Kampf, so schießt ihr auf keinen Fall, selbst wenn es so nahe von hier wäre, daß ihr die Gesichter unterscheiden könnt. Wir sind Manns genug, es mit einem Roten aufzunehmen.«

      »Jawohl, das sind wir; th‘is clear!« stimmte mir Old Wabble lebhaft bei.

      »Von mir weiß ich es, und von Euch glaube ich es,« antwortete ich ihm. »Dennoch frage ich Euch noch einmal: Ist das, was Ihr leisten sollt, wirklich nicht zu viel für Euch? Sonst führe ich es lieber allein aus.«

      »Sir, was denkt Ihr von mir! Ich soll doch nicht annehmen, daß Ihr mich für einen Faselhans haltet!«

      »Nein. Also vorwärts! Und gut Glück dabei!«

      »Yes, go on! In einer halben Stunde sind wir glücklich und siegreich wieder da!«

      Mit dieser kühnen Versicherung wabbelte der Alte in das Wasser, und ich folgte ihm etwas weniger zuversichtlich.

      Unter das Floß brauchten wir erst dann zu kriechen, wenn wir so nahe an der Insel waren, daß es von den Wachen gesehen werden konnte; jetzt schwammen wir frei und schoben es vor uns her.

      Ich beobachtete zunächst Old Wabble, um zu sehen, ob er wirklich so gut schwamm, wie er versichert hatte; es mochte gehen. Aber nach einiger Zeit bemerkte ich, daß das Floß sich auf seiner Seite tiefer in das Wasser senkte als auf der meinigen.

      »Ihr legt Euch zu sehr auf,« sagte ich. »Ihr seid doch nicht etwa schon müde, Mr. Cutter?«

      »Müde? Was fällt Euch ein!« antwortete er.

      »Da sind nur die verteufelten Braces[19] schuld, die mich drücken.«

      »Wer wird auch außer dem Gurt noch Träger haben!«

      »Das versteht Ihr nicht. Den Gürtel kann man im Westen nicht entbehren, und die Braces brauche ich, weil ich keine Hüften habe; sie müssen auch den Gürtel halten. Bei meiner Gestalt! Wo sollen da Hüften sitzen!«

      Ich konnte mir nicht recht erklären, warum seine Hosenträger die impertinente Absicht verfolgten, ihn im Schwimmen zu hindern, und war still, doch nicht lange, denn er stützte sich immer mehr auf das Floß, so daß es auf meiner Seite aus dem Wasser ragte. Da bat ich ihn:

      »Kehrt lieber um, Mr. Cutter; jetzt ist‘s noch Zeit! Es scheint Euch schwer zu werden.«

      »Unsinn! Seht Ihr denn nicht, daß ich wie ein Fisch vorwärts schieße?«

      »Weil ich das Floß schiebe, an dem Ihr hängt!«

      »Das sieht bloß so aus! Diese Braces! Ich werde sie herunternehmen; dann geht es besser.«

      Indem er sich mit der einen Hand am Floße festhielt, knüpfte er mit der andern die Hosenträger ab und schob sie in die Tasche. Sie schienen ihn doch gedrückt und gehindert zu haben, denn es ging jetzt besser. Freilich hörte ich, daß er schnaufte; er schien sich anzustrengen. Als ich eine Bemerkung darüber machte, versicherte er:

      »Das ist nur die eine Lungenseite; die wird manchmal so laut; die andre ist gut.«

      Nun schwammen wir wohl fünf Minuten lang, ohne ein Wort zu sagen; dann bemerkte ich, daß er tiefer im Wasser lag als vorher.

      »Ihr scheint schwerer zu werden, Sir?« fragte ich.

      »Ist das denn ein Wunder? Die Kleidung zieht ja Wasser, und da hinten – — – all devils, was ist das!«

      Er hielt das Floß an und langte mit einer Hand hinter sich.

      »Was sucht Ihr dort, Sir?«

      »Ich suche – — – na! – — – Hört, Mr. Shatterhand, ich muß meine Braces unbedingt wieder anknöpfen.«

      »Warum?«

      »Weil ich die Leggins verliere; sie schwimmen schon halb hinter mir her. Wollt Ihr mir helfen?«

      Ich war ihm behilflich, die schon halb entwichenen Beinkleider zu Raison zu bringen; dann ging es weiter. Aber ich mußte zu meiner großen Besorgnis von Minute zu Minute immer mehr einsehen, daß er doch der Schwimmer nicht war, für den er sich hielt. Ich hatte nicht nur das Floß, sondern auch ihn vorwärts zu treiben.

      »Ich denke, wir kehren um, Mr. Cutter,« sagte ich. »Ihr seid wirklich müde, und unser Vorhaben erfordert volle Kraft. Denkt der Gefahr, der wir entgegengehen!«

      »Ich denke daran, und ebendeshalb strenge ich mich jetzt nicht an, um später bei guter Force zu sein. Umkehren! Welcher Gedanke! Werde mich blamiren!«

      Ja, blamiren wollte ich ihn freilich nicht gern; aber durfte ich es weiter mit ihm riskieren? Es war ja möglich, daß er sich jetzt schonte, um später ganz au fait zu sein; auf weitere, dringende Fragen versicherte er, daß dies wirklich der Fall sei. Uebrigens hatten wir jetzt schon die Hälfte des Weges zurückgelegt; also vorwärts, mochte es nun gehen, wie es wolle! Meine Sorge wurde trotz dieses Entschlusses keineswegs geringer, und schon nach weiteren fünf Minuten erkundigte ich mich:

      »Wollt Ihr Euch nicht mit dem Oberkörper auf das Floß legen? Da ruht Ihr aus und habt dann frische Kraft.«

      »Das ist richtig. Aber wird es Euch nicht zu schwer?«

      »Nein; thut es nur.«

      Er folgte meinem Rat und sagte, als ich unser Wasser-Vehikel weiter trieb:

      »Mir ist ein Gedanke gekommen, Sir. Die Wächter werden Verdacht schöpfen, auch wenn sie uns nicht sehen.«

      »Warum?«

      »Weil sie sich fragen werden, woher unser Schilf die Bewegung bekommt. Der See steht ja still.«

      »Da irrt Ihr Euch. Er schickt sein Wasser da unten dem Rio Pecos zu, und infolgedessen hat es eine, wenn auch nicht sehr wahrnehmbare Bewegung nach dem Abflusse hin. Ein losgerissenes Schilf wird also langsam da hinunter schwimmen. Das werden sich die Roten wohl auch sagen. In dieser Beziehung habe ich keine Sorge.«

      »Aber wohl in andrer?«

      »Ja.«

      »Weshalb?«

      »Wegen Euch.«

      »Pshaw! Ich will mich jetzt nicht anstrengen. Wenn es losgeht, werdet Ihr mich ganz bei der Sache finden.«

      »Hm! Vom Schwimmen will ich jetzt nichts mehr sagen; dazu komme ich noch, ehe ich den Rückweg antrete. Es handelt sich jetzt vielmehr um das Tauchen. Wenn Euch das nicht gelingt, können wir verloren sein.«

      »Redet nicht, Sir! Ich habe ja weiter nichts zu thun, als im richtigen Augenblicke das Floß loszulassen, unterzutauchen und an der andern Inselseite wieder heraufzukommen. Das ist kinderleicht, zumal bei meinem Körperbau. Wer so wenig Fleisch und so viel Knochen hat, dem wird es leicht, im Tauchen Meister zu sein.«

      Da hatte er freilich recht, und das Selbstvertrauen, welches er zeigte, beruhigte mich einigermaßen, obgleich ich einsah, daß es besser gewesen wäre, ihn zurückzulassen und das Vorhaben allein auszuführen.

      Wir


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<p>19</p>

Hosenträger.