Old Surehand I. Karl May

Old Surehand I - Karl May


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hell, doch nicht zu uns herüber; das auf der Insel war klein; es brannte hinter dem Gebüsch; darum konnten wir die Flamme nicht sehen. Die wenigen sichtbaren Sterne des heutigen Himmels blickten von dem Firmamente herab in die Flut und aus derselben wieder herauf. Ich schwamm so stät und ruhig wie möglich, um keine Wellen zu verursachen, in denen der Rückstrahl der Sterne schwankte, weil dies ziemlich weit zu sehen ist. So kam ich ohne Hast bis in solche Nähe der Insel, daß wir nun das Floß treiben lassen konnten. Ich machte Old Wabble darauf aufmerksam:

      »Jetzt ist die Zeit gekommen, Mr. Cutter. Wir müssen nun unter das Schilf kriechen.«

      »Well, soll gleich geschehen,« antwortete er.

      »Noch einen Augenblick! Wenn wir mit den Köpfen in den Löchern stecken und uns eine Mitteilung zu machen haben, so darf das nur flüsternd geschehen.«

      »Versteht sich ganz von selbst!«

      »Obgleich wir das Floß treiben lassen, muß es doch leise gelenkt werden; das überlaßt Ihr mir allein!«

      »Ist mir lieb. Sagt mir nur, wann das Tauchen losgehen soll! Bin dann gleich dabei.«

      »Werdet Ihr es wirklich fertig bringen?«

      »Ich sage Euch allen Ernstes, habt keine Angst um mich. Ich gebe Euch mein Wort, daß ich Euch gar nicht, aber auch gar nicht beschwerlich fallen werde!«

      Das war ein ganz andrer Ton als vorher. Hatte er sich nur verstellt? War er wirklich ein guter Taucher?

      Wir schlüpften unter das Floß und steckten die Köpfe in die dazu bestimmten Löcher; dann schoben wir die Arme in die Lederschlingen und hingen nun in aufrechter Haltung ungefähr so unten an dem Floße, wie ein Turner an den Schwingen hängt. Das Schilf trug uns; wir brauchten nicht zu schwimmen, und eine kleine Hand- oder Fußbewegung genügte zum Lenken. Es ging sehr, sehr langsam, und in der Erwartung, die uns ergriffen hatte, wurde uns die Zeit doppelt lang.

      »Verwünschte Eilschiffahrt!« raunte mir der Alte zu. »Könnt Ihr gut sehen, Sir?«

      »Ja.«

      »Ich auch. Jetzt müßte ein Haifisch kommen und uns in die Beine beißen! Thunder, würde da unser Steamer in Bewegung kommen! Wie gut, daß es hier keine solchen Bestien oder gar Krokodile giebt! Da, schaut!«

      »Ich sehe ihn.«

      »Und er sieht uns. Was wird er thun?«

      Wir waren jetzt vielleicht sechzig Schritte von der Insel entfernt. Im Gebüsch derselben gab es eine breite Lücke, durch welche das Feuer zu sehen war. Im Scheine desselben erblickten wir einen Indianer, welcher am Ufer Wasser schöpfte und dabei unser »Dampfschiff« bemerkte. Er sah kurze Zeit zu uns herauf und kehrte dann zum Feuer zurück.

      »Prächtiger Kerl!« flüsterte Old Wabble. »Will gar nichts von uns wissen.«

      »Das kann uns ungeheuer lieb sein; aber warten wir es ab, ob ihm unser Schilf nicht doch noch auffällt.«

      Es verging Minute um Minute; wir kamen der Insel immer näher, und der Wächter erschien nicht wieder. Noch vierzig, noch dreißig, noch zwanzig, endlich nur noch zehn Schritte! Wir glitten vorüber.

      »Mr. Cutter, jetzt!« raunte ich dem Alten zu. »Ich tauche links und Ihr taucht rechts um die Insel herum, damit wir nicht zusammengeraten und uns hindern. Drüben steigen wir auf und sind im Rücken der Wächter. Aber bitte, gebt Euch alle Mühe! Habt Ihr die Arme noch in den Schlingen?«

      »No.«

      »Seid Ihr fertig?«

      »Yes, es kann losgehen; th‘is clear.«

      »Dann fort vom Floße!«

      Ich machte mich los, tauchte tief hinab, schwamm um die Hälfte der Insel und kam drüben vorsichtig wieder empor; zwei Stöße brachten mich an das Ufer. Old Wabble war an dieser Stelle nicht zu sehen; er erstieg die Insel jedenfalls nicht weit von hier an einer andern; ich konnte mich nicht um ihn bekümmern, sondern mußte vor allen Dingen zu den beiden Wächtern. Mich auf die Erde legend, kroch ich durch die Büsche. Sie saßen an dem kleinen Feuer, welches nur durch fünf oder sechs dünne Holzstücke genährt wurde; der eine kehrte mir den Rücken, der andre die linke Seite zu. Etwas abseits von ihnen lag der Gefangene im Schatten eines überhängenden Strauches. Ich konnte sein Gesicht nicht sehen; aber die Füße lagen im Lichte des Feuers; sie waren gefesselt. Nun schnell ans Werk!

      Ich richtete mich auf und war mit zwei schnellen Sprüngen am Feuer; ein Hieb hüben und ein Hieb drüben an die Schläfen der Roten – sie sanken um. Ich bückte mich zu ihnen nieder; sie waren betäubt.

      »Heavens, ein Weißer!« erklang da die Stimme des Gefangenen. »Kommt Ihr, um mich – — —«

      »Ja,« unterbrach ich ihn. »Reden wir später; jetzt müssen wir handeln. Weg mit den Fesseln!«

      Ich kniete zu ihm nieder, zog das Messer; hinter mir gab es ein Geräusch.

      »Seid Ihr da, Mr. Cutter?« fragte ich, ohne mich umzusehen, denn wer konnte es anders sein als Old Wabble.

      »Uff, uff, uff, uff!« antworteten statt seiner zwei mir fremde Stimmen.

      Ich richtete mich blitzschnell auf und drehte mich um. Da standen zwei Indianer, wassertriefend und mich wie ein Gespenst anstarrend. Später sagte mir Old Surehand, daß die Wachen alle drei Stunden gewechselt worden waren. Diese Ablösung geschah schwimmend; daher jetzt die beiden triefenden Gestalten, welche grad in diesem für mich so außerordentlich ungünstigen Augenblicke kamen, um an die Stelle der zwei Betäubten zu treten. Meine Ueberraschung währte nur einen Augenblick; im zweiten hatte ich den mir am nächsten stehenden Roten mit der linken Hand bei der Kehle und schmetterte ihn mit der rechten Faust zu Boden. Dann wollte ich den andern packen, kam aber nicht dazu, denn er sprang mit einem schrillen Hilferufe von der Insel in das Wasser und schwamm, immer brüllend, dem Lager zu.

      Da war keine Zeit zu verlieren. Ich sprang zu Old Surehand und schnitt die Arm- und Fußfesseln durch. Er war außerdem noch mit zwei Riemen an zwei in die Erde gerammte Pfähle gebunden; auch die durchschnitt ich.

      »Könnt Ihr Euch bewegen, Sir?« fragte ich, indem er aufstand. »Sagt es, schnell, schnell!«

      Ich sah diesen Mann jetzt zum ersten Male, hatte aber keine Zeit, ihn zu betrachten. Er streckte seine mächtigen Glieder, bückte sich, um einem der Betäubten das Messer zu nehmen, und antwortete so ruhig, als ob nun für ihn gar nichts zu fürchten sei:

      »Ich kann alles, was Ihr wollt, Sir.«

      »Auch schwimmen?«

      »Ja. Wohin?«

      »Da, grad hinüber werden wir von Weißen erwartet.«

      »So kommt! Es ist hohe Zeit. In weniger als einer Minute haben wir die Roten hier.«

      Er hatte recht. Die alarmirten Comantschen vollführten einen wahren Teufelslärm. Das war ein geradezu ohrenzerreißendes Schreien, Heulen, Rufen und Brüllen! Wir konnten sie nicht sehen; aber wir hörten am klatschenden Aufspritzen des Wassers, daß sie sich in den See stürzten, um nach der Insel zu schwimmen. Wir mußten fort. Wo aber war Old Wabble?

      »Mr. Cutter, Mr. Cutter!« überbrüllte ich beinahe den Höllenlärm. »Mr. Cutter, seid Ihr hier?«

      Old Surehand war an das Ufer gesprungen, um nach dem Lager hinüberzublicken. Er drehte sich zu mir um und fragte, nicht mehr ruhig, sondern hastig:

      »Mr. Cutter? Solltet Ihr Old Wabble meinen?«

      »Ja. Er schwamm mit nach der Insel, um Euch zu retten, ist aber nicht zu sehen.«

      »Sind noch mehr Weiße da?«

      »Nein.«

      »So denkt nicht an ihn! Ich kenne den Alten; der hat seine eigene Art und Weise.«

      »Aber er ist verloren!«

      »Denkt das nicht, Sir! Den bringt kein Satan um; er befindet sich in größerer Sicherheit als wir. Laßt ihn, und kommt fort! Die Roten sind alle, alle im Wasser; die ersten sind beinahe da. Vorwärts, schnell, schnell!«

      Er ergriff meinen Arm und zog mich fort. Vom Rande der


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