Winnetou 3. Karl May

Winnetou 3 - Karl May


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wollt damit doch nicht etwa sagen, daß ich mich vor ihnen fürchten soll? Wir sind hier über vierzig Männer, und ich denke, die Sache ist sehr einfach. Ich habe die Lichter verdecken lassen, damit die Roten nicht merken, daß ich gewarnt wurde. Jetzt nehmen wir die Masken wieder ab; Ihr steigt auf die Maschine und laßt den Maschinisten bis hart an die zerstörte Stelle fahren. Dort halten wir, springen herab und fallen über die Kerls her, daß nicht einer von ihnen übrig bleibt. Wir stellen dann den Eisenstrang wieder her und haben einen Aufenthalt von höchstens einer Stunde einzubringen.«

      »Ich muß gestehen, daß Ihr Anlagen zu einem ganz tüchtigen Kavallerieobersten verratet, der kein größeres Vergnügen kennt, als den Feind im Anprall niederzureiten. Doch dazu gehören andere Verhältnisse als die gegenwärtigen. Führt Ihr Euer Vorhaben wirklich aus, so werdet Ihr Euere vierzig Mann in den sicheren Tod treiben, und ich muß mich sehr hüten, an der Ausführung eines solchen Planes teilzunehmen.«

      »Was? Ihr wollt uns nicht helfen? Ist dies Feigheit, oder ärgert Ihr Euch darüber, daß Ihr nicht den Anführer spielen sollt?«

      »Feigheit? Pshaw! Wenn Ihr wirklich von mir gehört habt, so ist es sehr unüberlegt von Euch, dieses Wort auszusprechen, denn dann könnte Old Shatterhand sehr leicht Lust bekommen, mit seiner Faust auf Eurem Schädel zu beweisen, daß er seinen Namen mit Ehren trägt. Und was den Ärger anbelangt, so kann es mir ja sehr gleichgültig sein, wem der Zug und eure Skalpe nach einer Stunde gehören werden, euch oder den Indianern. Auf meine Kopfhaut aber hat kein Mensch ein Recht, als ich allein, und ich werde sie noch einige Zeit lang zu behalten suchen. Good evening, Mesch‘schurs!«

      Ich wandte mich um. Der Conductor faßte mich beim Arme.

      »Stopp, Master! So geht das nicht! Ich habe hier den Oberbefehl übernommen, und Ihr habt mir zu gehorchen. Ich werde mich wohl hüten, den Zug hier in einer solchen Entfernung vom Kampfplatze stehen zu lassen, denn ich habe jeden Verlust zu verantworten. Es bleibt bei meinem Plane: Ihr führt uns bis zur Stelle, und wir verlassen die Wagen nicht eher, als bis wir dort angelangt sind. Ein guter Feldherr muß jeden Umstand in Berechnung ziehen, auch den, daß er die Schlacht verlieren kann. In diesem Falle bieten uns die Wagen einen sichern Zufluchtsort, von wo aus wir uns verteidigen können, bis wir mit dem nächsten Zuge von West oder Ost Hilfe erhalten. Ist‘s nicht so, ihr Männer?«

      Alle stimmten ihm bei. Es befand sich nicht ein einziger Westmann unter ihnen, und so hatte sein Plan für sie einen Schein von Praktik, durch den sie sich bestechen ließen. Er war sehr befriedigt von diesem Ergebnis und sagte zu mir:

      »Also aufgestiegen, Sir!«

      »Schön! Ihr befehlt, und ich gehorche!«

      Ein rascher Sprung brachte mich auf den Rücken meines Mustangs, den ich während des Gespräches bereits losgehobbelt hatte.

      »O nein, my dear; ich meine die Maschine!«

      »Und ich das Pferd, Sir. Unsere Meinungen gehen eben auch hier auseinander.«

      »Ich befehle Euch, abzusteigen!«

      Ich drängte mein Pferd an seine Seite, bog mich zu ihm nieder und sagte:

      »Mann, Ihr scheint noch niemals mit einem richtigen Westläufer zusammengeraten zu sein, sonst würdet Ihr in einem andern Tone mit mir sprechen. Seid so gut und stellt Euch selbst auf die Lokomotive!«

      Ich faßte ihn mit der Rechten bei der Brust und zog ihn empor; ein kräftiger Schenkeldruck brachte meinen Mustang hart an die Maschine; im nächsten Augenblick flog der Eisenbahn-Stratege hinter den Wetterschirm, und ich galoppierte davon.

      Es war jetzt so sternhell geworden, daß mich die Büsche nicht im geringsten am schnellen Ritt hinderten. Ich brauchte nicht viel mehr als eine Viertelstunde, um Sam zu erreichen.

      »Nun?« fragte er, als ich vom Pferde stieg. »Ich denke, Ihr bringt Leute!«

      Ich erzählte ihm, warum dies nicht geschah.

      »Habt‘s recht gemacht, Charley, sehr recht! So ein Railroader sieht unsereinen über die Achsel an, weil man sich zum Beispiele nicht täglich dreimal frisieren lassen kann. Natürlich führen sie den Plan aus, werden sich aber wundern, hihihihi!«

      Während dieses halblauten Gelächters machte er die Bewegung des Skalpierens und fuhr dann fort:

      »Aber Ihr habt mir noch gar nicht erzählt, was Ihr da vorne erfahren habt!«

      »Ka-wo-mien und Ma-ti-ru sind die Anführer.«

      »Ah! Dann gibt es einen Kampf, an dem sich das alte Herz erfreuen kann.«

      »Es ist ein Weißer bei ihnen, der ihnen verraten hat, daß der Zug Gold und Silber mit sich führt.«

      »Das will er haben und ihnen das andere und die Skalpe lassen?«

      »Ja.«

      »Konnte mir es denken! Jedenfalls ein Bushheader!«

      »Ich kenne ihn. Er überfiel einst mit seiner Bande das Hide-spot von Old Firehand, mußte aber die Hand davon lassen.«

      »Wie heißt er?«

      »Weiß es nicht; ist auch nicht von Interesse, da diese Sorte von Menschen sich täglich anders nennt. Ihr habt rekognosziert?«

      »Ja. Sie haben sich geteilt und zu beiden Seiten der Bahn aufgestellt, ungefähr in der Mitte zwischen der zerstörten Stelle und ihren Pferden, bei denen ich wieder zwei Mann Wache fand. Aber was tun denn wir, Charley? Helfen wir den Railroaders oder gehen wir zum Beispiel fort?«

      »Es ist unsere Pflicht, ihnen zu helfen, Sam. Oder seid Ihr vielleicht anderer Meinung?«

      »Fällt mir gar nicht ein! Mit der Pflicht, da habt Ihr vollständig recht, und außerdem müßt Ihr an meine Ohren denken, die mir noch lange nicht vollständig bezahlt worden sind. Ich wette meine Tony gegen einen Laubfrosch, daß morgen in der Frühe einige tote Indsmen ohne Ohren an der Bahn liegen werden! Aber was jetzt tun, Charley?«

      »Wir teilen uns auch und postieren uns zu beiden Seiten des Dammes zwischen die Indsmen und ihre Pferde.«

      »Well! Aber da kommt mir ein Gedanke! Was meint Ihr zu einem guten Stampedo?«

      »Hm! Wäre wohl gut, wenn wir überlegen wären und es auf die gänzliche Vertilgung der Indsmen absehen könnten. Hier aber möchte ich nicht dazu raten. Die Railroader werden den Kürzeren ziehen, und wir beide können nichts tun, als die Roten bis zum nächsten Zuge hinhalten oder ihnen einen plötzlichen Schreck einjagen, daß sie fliehen. In beiden Fällen ist es gut, wenn sie fort können; nehmen wir ihnen aber die Pferde, so behalten wir sie in der Nähe. Habt Ihr noch nichts gehört von der guten Regel, daß man dem Feinde unter Umständen goldene Brücken bauen muß?«

      »Habe bisher nur hölzerne, steinerne und eiserne Brücken kennen gelernt! Euere Ansicht in Ehren, Charley, aber wenn ich mir zum Beispiel vorstelle, was die Roten für Gesichter schneiden werden, wenn sie aufsteigen wollen und kein Pferd mehr finden, so juckt es mich in allen Fingerspitzen. Und was die Hauptsache ist, können wir sie denn nicht grad dadurch panisch erschrecken, wenn wir ihnen die Pferde auf den Leib jagen?«

      »Das ist richtig! Doch ist es besser, wir warten erst die Umstände ab.«

      »Meinetwegen! Aber eins müßt Ihr mir auf alle Fälle zugeben!«

      »Was?«

      »Daß ich die beiden Wächter beseitige. Nicht?«

      »Ich bin in keiner Lage ein Freund von unnützem Blutvergießen, doch sehe ich hier ein, daß Ihr Recht habt – es ist traurige Notwehr. Wenn die Wachen fallen, sind die Pferde ganz in unsere Hand gegeben. Bringen wir also zunächst unsere eigenen Tiere in Sicherheit, und dann vorwärts!«

      Wir ritten etwas in das Land hinein, wo ich mein Pferd so befestigte, daß es kaum drei Schritte Spielraum hatte. Sam tat mit seiner Tony ganz dasselbe. So sicher er ihrer sonst war, im Falle eines Stampedo konnte leicht der ausbrechende Pferdetrupp die Richtung nach unseren Tieren nehmen und diese mit sich fortreißen.

      Nun kehrten wir in einem Bogen, welcher uns hinter die Indsmen brachte, zurück. Noch immer ließen sich die Lichter der Lokomotive nicht bemerken. Entweder


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